Die GSoA will die Wehrpflicht aufheben. Über ihre Initiative hat der Nationalrat am Dienstag während mehreren Stunden diskutiert. Dabei ging es nicht nur um die Armee, sondern um ein Bild der Schweiz und ihrer Gesellschaft. Die Lager waren im Wesentlichen die gleichen wie 1989.
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Die Initiative zur Aufhebung der Wehrpflicht ist nicht der erste Anlauf, das aktuelle Wehrmodell der Schweiz abzuschaffen. Die radikalste Forderung legte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) mit ihren Armeeabschaffungs-Initiativen vor.
Das erste Volksbegehren scheiterte 1989 am Nein von Volk und Ständen, stand aber am Anfang einer umfassenden Reform und Verkleinerung der Schweizer Armee. Die Neuauflage der Forderung mit einer weiteren Initiative scheiterte 2001 ebenfalls.
Danach wurde die Diskussion um Armee und Wehrpflicht im Parlament weiter geführt. Ab 1990 hatten zahlreiche Motionen, Postulate und parlamentarische Initiativen erfolglos die Abschaffung der Militärdienstpflicht oder die Erweiterung auf eine allgemeine Dienstpflicht verlangt.
In seinem sicherheitspolitischen Bericht vom Juni 2010 bekräftigte der Bundesrat, an der Militärdienstpflicht festhalten zu wollen. Eineinhalb Jahre später reichte ein Bündnis um die GSoA die Initiative zur «Aufhebung der Wehrpflicht» ein. (sda)
Aufhebung der Wehrpflicht im Trend
Nur Mazedonien und Bulgarien haben seit Ende des Kalten Krieges die allgemeine Wehrpflicht formell aufgehoben. 21 weitere europäische Länder wenden sie aber inzwischen nicht mehr an. Alle diese Länder haben ihre Wehrpflichtarmee durch eine Berufsarmee ersetzt.
Es handelt sich um Albanien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Montenegro, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Keines dieser Länder hat eine Freiwilligenmiliz.
Wehrpflicht gilt in diesen 17 Staaten: Schweiz, Österreich, Finnland, Norwegen, Dänemark, Estland, Russland, Weissrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Türkei, Griechenland, Zypern. In einigen Ländern wird derzeit über die Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert. (sda)
Damals hatte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) mit ihrer Initiative zur Abschaffung der Armee ein politisches Erdbeben ausgelöst. 23 Jahre und einen weiteren erfolglosen Abschaffungs-Versuch später tritt die GSoA mit der Forderung an, wenn nicht die Armee, so doch die Militärdienstpflicht abzuschaffen.
Gemäss Initiative sollen Militär- und Zivildienst freiwillig sein, und zwar für Männer wie für Frauen. Das Milizsystem würde beibehalten, die Schaffung einer Berufsarmee ist nicht vorgesehen. Ob die Einführung einer Freiwilligenmiliz nicht doch auf die Abschaffung der Armee hinausliefe, war eine der heiss diskutierten Fragen im Nationalrat.
Abschaffung auf Raten
Die bürgerlichen Parteien hatten keine Zweifel: «Die Intiative geht ganz klar Richtung Abschaffung der Armee», sagte Erich von Siebenthal (BE) für die SVP-Fraktion. Auch CVP-Sprecher Karl Vogler (OW) gab seine Überzeugung zu Protokoll, dass das Ziel der Initiative die Schwächung der Armee sei. Und Roland Büchel (SVP/SG) sprach von einer «Salami-Taktik» bei der Armeeabschaffung.
Linke und Grüne, die die Initiative unterstützen, widersprachen: Die Initiative sei kein Weg zur Abschaffung der Armee, sagte GSoA-Mitglied Geri Müller (Grüne/AG). Es gehe darum, mit verschiedenen Dingen anders umzugehen - letztlich um ein Verhalten, das man an den Tag legen müsste, damit man keine Kriege brauche.
Die Befürworter der Initiative bestreiten aber, dass es die Militärdienstpflicht und damit die von den Bürgerlichen beschworene Wehrgerechtigkeit überhaupt noch gibt. Nur ein Teil der jungen Männer leisteten nämlich ihre Dienstpflicht, argumentieren sie.
Tatsächlich leisten gemäss Botschaft des Bundesrats nur 45 Prozent der Stellungspflichtigen ihre Dienstpflicht vollständig. Der Rest leiste Zivildienst oder weiche auf den «blauen Weg» aus, stellte Matthias Aebischer (SP/BE) fest. «De facto haben wir bereits eine Freiwilligenarmee.»
Deren Zusammensetzung war ein weiterer Streitpunkt. Der Bundesrat hatte in der Botschaft Bedenken angemeldet, die Sicherheit der Schweiz davon abhängig zu machen, ob sich genügend geeignete Schweizerinnen und Schweizer für den Dienst in der Armee melden.
Rambos und Kriminelle
Die Gegner der Initiative befürchten, dass sich nur «Freizeit-Rambos» oder gescheiterte Existenzen stellen würden, dass allenfalls sogar Sträflinge rekrutiert werden müssten. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) erinnerte jedoch an die Millionen Menschen, die in der Schweiz Freiwilligenarbeit leisten. «Die Schweiz ist eine Armee, aber eine zivile», sagte er.
Auch die Kosten sorgten für Diskussionen: Während die Befürworter mit einer Verkleinerung der Armee Geld sparen wollen, rechneten die Gegner vor, dass eine Freiwilligenarmee unbezahlbar wäre. Allein die Personalkosten würden das aktuelle Armeebudget sprengen, sagte Jakob Büchler (CVP/SG).
Ebenso umstritten blieb die Frage nach der Notwendigkeit einer Verteidigungsarmee. Bürgerliche Redner warnten vor wachsender Terrorgefahr und anderen Bedrohungen. Die Armee garantiere Stabilität und Sicherheit und bewahre so den Wohlstand der Schweiz. Sie sei eine «Landesversicherung», sagte Thomas Hurter (SVP/SH). Franziska Teuscher (Grüne/BE) meldete jedoch Zweifel an, ob die Stärke der Schweiz wirklich in ihrer militärischen Schlagkraft liege.
Und schliesslich waren es der Milizgedanke, die Kohäsionsfunktion der Armee und andere staatspolitische Grundsatzfragen, über die gestritten wurde. Die Armee sei eine «Lebensschule» und der «Schmelztiegel der Nation», sagten die einen. Andere sahen eine Zukunft ganz ohne Panzer und Kanonen und eine Freiwilligenarmee, die sich im humanitären Einsatz und bei der Bewältigung von Naturereignissen hervortut.
Zwei Gegenvorschläge
Über diese tiefen Gräben hinweg können wohl auch zwei direkte Gegenvorschläge keine Brücke bauen. Eine Minderheit der Kommission beantragt, einen für Männer obligatorischen Bürgerdienst einzuführen, der in Armee, Polizei, Grenzwachtkorps, der Feuerwehr, aber auch als Zivildienst geleistet werden kann.
Der Grüne Alec von Graffenried (BE) schlägt einen Militär- oder wahlweise zivilen Ersatzdienst von 10 Wochen vor. Auch dieser könnte in Sicherheitsorganisationen oder aber im Sozial- und Umweltbereich geleistet werden. Dieser Gegenvorschlag wird von der GLP unterstützt, insgesamt ernteten aber beide Vorlagen vor allem Kritik von links bis rechts.
Gut drei Viertel der über 50 Rednerinnen und Redner kamen am Dienstag zu Wort. Die Debatte wird am Mittwoch fortgesetzt. Die Ablehnung der Initiative durch den Nationalrat ist absehbar.
(Keystone-Produktion)
(sda)
An Sdt. Pimple
Sie schreiben : "Auch lernen viele da mal aufs maul zu sitzen und befehle ausführen - zucht und ordnung ist in der heutigen erzeihung leider keine norm mehr! " tut mir leid doch so was kann ich nicht unterstützen. Sollen sich die Menschen wie Lemminge verhalten und stumm und dumm tun was vorgesetzte verlangen. So lange die heutigen Fürhrungskräfte und Arbeitgeber keine ahnung von Respekt, Moral, und sozialkompetenz haben sehe ich nicht ein warum ich ihr Vehlverhalten nicht hinterfragen sollte. Die armee ist einfach nicht zeitgemäss. Doch die bestimmenden Generationen kennen das nicht.
Videokommentar
Obwohl ich auf der selben Seite wie Hans Grunder stehe, muss ich sagen, er hat schlecht gesprochen und ist wohl eine nicht sehr spontane Persönlichkeit. Eine Berufsarmee wäre viel teurer als das heutige Milizsystem. Dies ist eine Tatsache! Was bezüglich Geld auch noch zu beachten ist: Von all den Departementen der Schweiz ist der VBS das einzige Departement das in den letzten Jahrzenten weniger Unterstützung durch den Staat erhielt, als es vorher der Fall war. Also informiert euch erst über Zahlen, bevor ihr irgendwem die Mittel kürzen wollt!
Konnte mich auch entscheiden
hmm für mich mit kroatischem Pass war es freiwillig. Ich musste lediglich zur Botschaft gehen und ja oder nein sagen. Nachteil hingegen ist, falls wider ein Krieg ausbricht werde ich erneut gefragt und kann erneut entscheiden. Falls ich dann wider mit nein antworte, habe ich mein Leben lang Einreiseverbot und darf mein Vaterland nicht mehr betreten. Wie es mit den Menschen aussieht welche in Kroatien leben, weiss ich nicht. Hier in der Schweiz wäre ich schon gegangen da es hier im Vergleich zu Kroatien Peanuts ist und halb so lange dauert.
Pro Wehrpflicht!
Ich war selber 21 Wochen in der RS dieses Jahr - Lustig wars eigentlich nur wenn man zurückblickt :) Aber was man dabei nicht vergessen darf ist, das gewisse Leute in der RS das erste mal selber ein Bett beziehen müssen, selber schuhe putze etc, etc....eine Wertvolle lektion für die Gesellschaft! Auch lernen viele da mal aufs maul zu sitzen und befehle ausführen - zucht und ordnung ist in der heutigen erzeihung leider keine norm mehr!
Kein Krieg?
H.J. Fehr behauptet, Europa hätte seit über 60 Jahren keine Kriege mehr geführt und deshalb den Friedensnobelpreis erhalten. Wahr der Jugoslavienkrieg anfangs der 1990-er-Jahre kein Krieg? War der Kosovo-Krieg 1999 kein Krieg? Beide Kriege fanden auf europäischem Boden statt, in beide Kriege waren EU-Länder verwickelt. Weiter: War der Angriff Frankreichs auf Libyen kein Krieg? Frankreich ist ein EU-Land. Wie steht es mit Afghanistan, wo am Hinduschku noch immer Soldaten aus EU-Ländern Krieg machen? Entweder ist Hansjörg Fehr Blind und Taub oder er verkennt die Situation absichtlich.