MedienkonferenzMario Fehr: «Es ist ein widerlicher und feiger Terrorakt»
Ein 15-Jähriger hat am Samstagabend einen orthodoxen Juden in Zürich mit einem Messer angegriffen. Um 15 Uhr informieren Stadt und Kanton Zürich zur Sicherheitslage.
Darum gehts
Ein 15-Jähriger hat einen 50-jährigen orthodoxen Juden am Samstagabend im Zürcher Kreis 2 mit dem Messer schwer verletzt.
Die Angst in der jüdischen Gemeinde ist seither gross.
Nach den Ereignissen vom Samstagabend hat die Stadtpolizei Zürich die Sicherheitsmassnahmen verstärkt.
Am Montagnachmittag um 15 Uhr wollen Stadt und Kanton nun weiter zur Sicherheitslage informieren.
Nach dem Angriff auf einen othodoxen Juden im Zürcher Kreis 2 durch einen 15-Jährigen hat die Stadt Zürich die Sicherheitsvorkehrungen rund um spezifische Örtlichkeiten mit jüdischem Bezug bereits am Sonntag vorsorglich erhöht. Dabei wird sie auch von der Kantonspolizei Zürich unterstützt.
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Die Medienkonferenz zum Nachschauen
Täter hatte keinen Bezug zu Jüdinnen und Juden in der Stadt Zürich
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Täter überhaupt Juden gekannt hat», sagt Mario Fehr. Er habe in seinem persönlichen Umfeld keine Berührungspunkte mit Juden gehabt. «Also Juden aus der Stadt Zürich kannte er sicher keine.»
Das Opfer war zuvor in der Synagoge und wollte dann in ein Wohnhaus, wo er an der Türe geklingelt hat. Dann sei der Täter auf das Opfer getroffen.
Dank an die Retter
Jonathan Kreutner spricht den Zivilpersonen, die den Täter aufgehalten haben, seinen Dank aus: «Die Retter kennen wir nicht, aber sie haben grosse Zivilcourage gezeigt. Sie haben den Tod des Opfers verhindert und auch einen weiteren Angriff auf die zwei dazugestossenen Familienangehörigen verhindert.»
Fehr: Es wird noch eine Debatte ums Jugendstrafrecht geben
Fehr bestätigt nochmals: Das Bekennervideo halte man für authentisch. Fehr fügte an: «Man kann sagen, wir wissen, dass es authentisch ist.»
Es werde aufgrund des jungen Alters des Täters sicher noch «eine Debatte ums Jugendstrafrecht» geben, ist Mario Fehr überzeugt. Denn er geht von einem Tötungsversuch aus niedrigen Beweggründen aus – diese Tat werde jedoch klar nach dem Jugendstrafrecht beurteilt. Dies trotz der Grausamkeit dieser Tat.
Karin Rykart will sich auf Anfrage zum Jugendstrafrecht nicht äussern. «Das ist noch zu früh, jetzt geht es zuerst um die Verstärkung der Sicherheitsmassnahmen.»
Seit 7. Oktober mehr physische Angriffe
Seit dem 7. Oktober habe man vermehrt physische Angriffe verzeichnet, sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner. Zuvor sei Antisemitismus weniger physisch in Erscheinung getreten.
«Dieser Mordversuch sei jedoch eine andere Dimension. Es ist eine Ausnahmeerscheinung. Klar ist es auch schlimm, wenn jemand geboxt oder angespuckt wird, aber hier wurde versucht, einen Juden zu töten. So etwas gab es in der Schweiz und gar europaweit schon sehr lange nicht mehr.»
Fehr: «Er wollte sein Opfer töten»
Fehr ist überzeugt: Der Täter wollte sein Opfer töten.
«Er wollte einen Juden umbringen. Das kann man bei der Schwere der Verletzungen nicht anders interpretieren. Er wollte ihn töten, weil er Jude war. Es war eine schwere, antisemitische Tat.»
Kapo: Einzeltäter sind «Leute, die zuvor nicht polizeilich bekannt waren»
Messerattacken hätten in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen.
Kapo-Sicherheitschef Andreas Moschin sagt: Am gefährlichsten seien Einzeltäter. «Denn das sind Leute, die zuvor nicht polizeilich bekannt waren.»
Mario Fehr: «Alle sollen bei uns so leben können, wie sie gerne möchten»
Mario Fehr habe schon im Schulalter über Klassenkameraden Einblick ins jüdische Alltagsleben erhalten. Er spricht seine Sympathie aus.
«Alle sollen bei uns so leben können, wie sie gerne möchten, das ist mir speziell als Sicherheitsdirektor ein Anliegen.»
Es sei noch Gegenstand von den Ermittlungen, ob sich der Jugendliche «einfach selber» radikalisiert hat oder ob es ein Netzwerk gab.
Kreutner: «Wir lassen uns nicht einschüchtern!»
Jonathan Kreutner vom SIG sagt: «Wir sind sehr froh, dass das Opfer überlebt hat. Das war bei der Schwere seiner Verletzungen nicht selbstverständlich.» Der Mann befinde sich noch immer im Spital, aber er sei nicht mehr in Lebensgefahr. «Es geht ihm besser, wir wünschen ihm gute Besserung.»
Beim Angriff habe es sich allerdings nicht um einen Zürcher Vorfall gehandelt, sondern um einen Angriff von nationaler Bedeutung. «Der Hass auf jüdische Menschen hat mit dieser Attacke ein völlig neues Niveau erreicht», sagt Kreutner.
«Genau, was wir befürchtet haben»
Dass ein Mitglied der jüdischen Gemeinde mitten in Zürich angegriffen wurde, ist aussergewöhnlich – nicht nur für die Schweiz, sondern für ganz Europa. Es sei genau das gewesen, «was wir seit dem 7. Oktober seit den verstärkten antisemitischen Tendenzen befürchtet haben».
Kreutner sagt: «Es war ein antisemitisches Hassverbrechen. Das Opfer wurde angegriffen, allein weil es jüdisch ist.» Es sei ein wichtiges Zeichen des Vertrauens, dass die Stadt, die Behörden, Politik und die Polizeikorps sofort reagiert hätten.
Es ist ein nationales Problem. «Denn Rassismus und Ausgrenzung kann überall stattfinden. Deshalb sind wir auch mit dem Bund in Kontakt», so Kreutner.
Die Attacke habe ein grosses Loch in das Sicherheitsempfinden der Juden gerissen, sagt Kreutner. «Aber wir lassen uns nicht einschüchtern!»
Polizei informiert
Seit dem 7. Oktober sei die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft erhöht worden, ab Sonntagmorgen, 7.30 Uhr wurde sie weiter verstärkt. Partielle Berundungen und stehende Bewachungen wurden vonseiten der Stadtpolizei Zürich installiert.
Rykart: «In der Nacht auf Sonntag haben wir alles hochgefahren»
«In der Nacht auf Sonntag haben wir alles hochgefahren», sagt Karin Rykart. Den Behörden sei die Sicherheit der Juden in Zürich ein grosses Anliegen. Deshalb wurde mit Polizei und jüdischen Institutionen zusammengearbeitet.
Echtheit des Videos bestätigt.
Das Video des Täters mit der Bekenner-Rede auf Arabisch sei Teil der Ermittlungen, informiert Fehr. Es werde ermittelt, ob er alleine handelte und wie er radikalisiert wurde.
«Sie haben alle gesehen, wie er sich in arabischer Sprache zum IS bekennt», so Fehr.
Es sei nicht nur ein Terroranschlag auf die jüdische Gemeinschaft, sondern «auf uns alle». Beim Täter handle es sich um einen Schweizer mit tunesischen Wurzeln, er sei am 7. Dezember 2011 eingebürgert worden.
Fehr spricht von Terroranschlag
Mario Fehr nimmt die Tat mit grosser Betroffenheit zur Kenntnis. «Für mich persönlich ist es ein Terroranschlag, weil jemand einzig und allein wegen seiner Religionszugehörigkeit niedergestochen wurde.»
Das Opfer sei unterdessen offiziell ausser Lebensgefahr.
«Wir werden alles unternehmen, damit sich die jüdische Gemeinschaft hier bei uns in Zürich sicher fühlt», sagt Fehr.
Täter in Untersuchungshaft
Die Oberjugendanwaltschaft teilt mit: Der mutmassliche Täter, ein 15-jähriger Schweizer mit tunesischem Hintergrund, wurde von der Stadtpolizei Zürich verhaftet und befindet sich auf Anordnung der Jugendanwaltschaft in Untersuchungshaft. Ob er als Einzeltäter oder in Verbindung mit einer Gruppierung gehandelt hat, ist Gegenstand der Ermittlungen zusammen mit der Kantonspolizei Zürich.
Die Pressekonferenz beginnt
Die Pressekonferenz beginnt nun.
Mitteilung der Stadt Zürich
Wie der Zürcher Stadtrat in einer Mitteilung am Montag schreibt, ist er erschüttert und tief betroffen nach dem Angriff auf den jüdischen Zürcher. «Der Stadtrat ist in Gedanken beim Opfer, seiner Familie und seinen Freundinnen und Freunden und der ganzen jüdischen Gemeinschaft in Zürich.»
Dieses Mitgefühl mit der jüdischen Bevölkerung hätten Stadtpräsidentin Corine Mauch und Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart am Sonntag in einem Brief an die Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht.
Jüdische Einrichtungen verstärkt geschützt
Die jüdischen Einrichtungen in der Stadt Zürich werden aktuell verstärkt geschützt, das Sicherheitsdepartement stehe in regelmässigem Austausch mit den jüdischen Institutionen. «Die Sicherheit der jüdischen Menschen in Zürich hat für den Stadtrat höchste Priorität.»
Seit dem 7. Oktober sei es auch in Zürich vermehrt zu antisemitischen Äusserungen und Aktionen gekommen. Nebst den bisherigen Aktivitäten unterstütze die Stadt Zürich deshalb seit Anfang Jahr neu die «Beratungsstelle für antisemitische Vorfälle» des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) finanziell. Zudem prüfe sie derzeit – im Austausch mit vier jüdischen Gemeinden in Zürich – die Schaffung einer eigenen städtischen Stelle gegen Antisemitismus.
Die Medienkonferenz beginnt um 15 Uhr
An der Pressekonferenz zur Sicherheitslage für die jüdische Gemeinschaft in Zürich nehmen teil:
Regierungspräsident Mario Fehr, Sicherheitsdirektor Kanton Zürich
Stadträtin Karin Rykart, Vorsteherin des Sicherheitsdepartements der Stadt Zürich
Andreas Moschin, Chef Sicherheitspolizei, Kantonspolizei Zürich
Daniel Stein, Chef Einsatzabteilung, Stadtpolizei Zürich
Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG)