«Ich bin oft lieber eine Stunde auf Tiktok, statt mit Freunden»

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Vivienne (16)«Ich bin oft lieber eine Stunde auf Tiktok, statt mit Freunden»

Smartphones erst ab 14 und Social Media ab 16? Diese radikale Forderung kommt bei Jugendlichen nicht gut an. Sie glauben zwar teils auch, dass sie zu viel am Smartphone sind. Ändern wollen sie das aber nicht.

Darum gehts

  • Ein amerikanischer Psychologe fordert, dass Kinder erst mit 14 ein Handy und mit 16 einen Zugang zu Social Media erhalten sollen.

  • Viel Screentime in jungen Jahren gehe zulasten von persönlichem Austausch. Das wiederum sei der Grund für die derzeitige Mental-Health-Krise bei Jungen.

  • 20 Minuten wollte von Eltern wissen, wie sie mit ihren handysüchtigen Kindern umgehen.

  • Und auch mit den Jugendlichen selber haben wir gesprochen. Sie wären gerne weniger am Handy, wollen aber nicht ganz darauf verzichten.

Der Vorwurf an die jüngere Generation ist happig: Seit sie unlimitiert surfen können, verbringen sie viel zu viel Zeit online und vernachlässigen soziale Kontakte im echten Leben. Das führe dazu, dass «fast jede» Entwicklung in einem sozialen Gefüge blockiert werde. Die Folge: eine flächendeckende Mental-Health-Krise. Das sagt der US-Psychologe und Professor Jonathan Haidt.

Auch Eltern beklagen sich gegenüber 20 Minuten über die Screentime ihrer Kinder: «Mein achtjähriger Sohn würde am liebsten nur am Handy Brawl Stars zocken», sagt die 37-jährige Stefanie aus Hägendorf SO: «Immerhin spielt er es mit seinen Kollegen und bleibt so in sozialem Kontakt.» Trotzdem halte ihn das manchmal davon ab, nach draussen zu gehen. «Es ist schade, dass man ihn manchmal dazu zwingen muss.»

Mütter: «Es geht nur über Kontrolle»

Die 39-jährige Seraina aus Schaffhausen hat mit ihrer 13-jährigen Tochter dasselbe Problem. Nur ist es bei ihr Social Media: «Sich draussen treffen ist out. Sie ist ständig auf Social Media. Kontakte pflegt sie mehrheitlich nur über das Handy.»

Beide Mütter haben daher Apps, über die sie die Kontrolle über die Bildschirmzeit ihrer Kinder behalten. Überschreiten sie diese, erhalten die Mütter eine Meldung oder die Accounts der Kinder werden automatisch gesperrt. «Es geht nur so. Würde ich meiner Tochter das Handy ganz verbieten, würde sie in der Klasse ausgegrenzt werde, weil fast alle eins besitzen», meint Seraina.

20 Minuten hat auch mit über einem Dutzend Jugendlichen gesprochen. Der Tenor: Ja, wir sind viel am Handy. Ja, weniger würde guttun – aber deswegen sind wir längst nicht geistig und sozial am Verarmen. Das sind die Stimmen der Jugend:

Vivienne (16) aus Zürich

«Ich bin oft lieber noch eine Stunde auf Tiktok, statt mit den Freunden. Andersherum wäre es schon besser.»

«Ich bin täglich etwa zwei Stunden am Handy auf Social Media, eine Stunde draussen mit Kollegen und lese eine halbe Stunde Bücher. Es wäre schon besser, weniger am Handy zu sein, weil es auch zu Lasten der Kollegen geht und ich lieber noch eine Stunde länger auf Tiktok oder Insta herumscrolle. Ich fände es gut, wenn es bis 14 respektive 16 ein Verbot gäbe. Auf ein Handy verzichten könnte ich nicht wegen der Kommunikation und wegen der Schule. Ein paar Tage würde ich es vielleicht aushalten.»

Vincenz (13) aus Zürich

«Oft gamen wir lieber zusammen, statt rauszugehen. Das Handy bin ich mir zu sehr gewohnt.»

«Ich bin in meiner Freizeit durchschnittlich fünf Stunden täglich am Bildschirm und game. Etwa eine halbe Stunde davon verbringe ich auf Social Media. Ich gehe aber auch dreimal in der Woche ins Tennis und treffe mich allgemein viel draussen mit Kollegen. Aber ja, vielfach entscheidet sich unsere Kollegengruppe, zusammen zu gamen, anstatt nach draussen zu gehen, da wir zu erschöpft sind von dem Schulstress.

Es wäre schon besser, wenn es verboten würde, dann wäre ich dazu gezwungen, rauszugehen und hätte vielleicht mehr Ideen. Wenn es mir langweilig ist, gehe ich jetzt einfach gamen.

Ein Handy und eine Konsole habe ich, seit ich zehn Jahre alt bin. Damals verbrachte ich nur eine Stunde am Bildschirm. Ganz auf das Handy verzichten könnte ich nicht, weil ich es mir zu sehr gewohnt bin.»

James (13) aus Zürich

«Ich bin ungefähr fünf Stunden am Tag am Handy, vor allem auf Social Media.»

«Ich bin in meiner Freizeit durchschnittlich fünf Stunden täglich am Bildschirm. Die meiste Zeit schaue ich Videos auf Social Media. Zweimal pro Woche treibe ich Sport und am Wochenende treffe ich mich draussen mit Kollegen. Mein erstes Handy und meine erste Konsole bekam ich mit zehn. Ganz auf Handy und Co. zu verzichten könnte ich nicht, weil ich es mir zu sehr gewohnt bin.»

Lilly (14) aus Zürich

«Ich habe weder Handy noch Social Media. Ein Verbot fände ich trotzdem schlecht.»

«Ich habe kein Handy und dementsprechend keinen Zugang zu Social Media. Manchmal schaue ich TV, lese oft Bücher, gehe zweimal in der Woche ins Tanzen oder bin draussen. Meine Eltern haben es mir nicht verboten, ein Handy zu haben, aber gefragt, ob ich mir wirklich sicher sei, damit umgehen zu können. Da ich sowieso nicht das Bedürfnis dazu hatte, wollte ich keines.

Mich stört es nicht, dass andere Zugang zu Social Media haben und ich nicht. Ein Verbot fände ich aber schlecht, da jeder für sich selbst entscheiden sollte, ob er damit umgehen kann. Zudem ist es nicht gut, wenn man erst mit 16 Jahren anfängt zu lernen, damit umzugehen, dann ist es vielleicht zu spät.»

Was ist deiner Meinung nach das richtige Alter für das erste Smartphone?

Sandra (14) aus Zürich

«Vor 13 haben meine Eltern es mir verboten. Jetzt würde ich mich ohne Handy nicht mehr zurechtfinden.»

«Wenn ich nicht ins Tanzen gehe, was ich zweimal wöchentlich macht, bin ich in der Freizeit am Lernen oder auf Social Media. Ein Handy habe ich seit ich acht bin, Social Media seit 13. Zuvor haben die Eltern es mir verboten. Das konnte ich nachvollziehen, da es schon psychische Probleme verursachen kann. Ich habe mich zu fest ans Handy gewöhnt, um jetzt ganz darauf verzichten zu können. Schon nur, um an bestimmte Orte zu kommen oder mich dort nicht zu verlaufen, hätte ich ohne Handy Mühe.»

Gesellschaft im Bann des Smartphones

In einer fünfteiligen Serie beleuchtet 20 Minuten die Auswirkungen der uneingeschränkten Verbreitung  von Smartphones und dem Internet auf die Gesellschaft. Alle bereits publizierten Artikel findest du hier:

5. Ein Zukunftsforscher ordnet ein: Matthias Horx sieht eine Ausstiegs-Bewegung und hat vier Tipps (folgt)

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