UNO-BerichtSchweizer sollen Top-Food-Waster sein – weil Fruchtschalen mitzählen
Laut dem jüngsten UNO-Bericht zu Food-Waste wirft jeder Schweizer 320 Gramm Essen pro Tag weg. Doch der Report macht fragwürdige Hochrechnungen und stützt sich auf veraltete Zahlen.
Darum gehts
Laut Food Waste Index 2024 der UNO wurden 2022 weltweit etwa 19 Prozent der produzierten Lebensmittel verschwendet, in der Schweiz waren es 119 Kilogramm pro Person.
In der Schweiz wird jedoch von einer Abnahme des Food-Waste gesprochen; laut Kehrichtsack-Analyse des Bundesamts für Umwelt sank der Lebensmittelabfall.
Dass die UNO der Schweiz deutlich mehr Food-Waste vorwirft, als tatsächlich Essen im Müll landet, hat mehrere Gründe.
Was ist passiert?
Im Jahr 2022 seien rund 19 Prozent der weltweit produzierten Lebensmittel verschwendet worden, heisst es im Food Waste Index 2024 (UNEP) der UNO. 60 Prozent davon in privaten Haushalten. Die Schweiz übertrifft mit 119 Kilogramm pro Person den europäischen Durchschnittswert. Jeder Schweizer und jede Schweizerin wirft demnach 326 Gramm Essen pro Tag weg. Zählt man den Detailhandel und die Gastronomie dazu, rechnen die Studienautoren gar mit 170 Kilogramm Abfall pro Person pro Jahr.
Verschwenden wir wirklich so viel Essen?
Nein. Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Food-Waste-Problem in eine positive Richtung entwickelt: Die Kehrichtsack-Analyse des Bundesamts für Umwelt, die 2022 nach zehn Jahren wieder durchgeführt wurde, zeigt: Food-Waste im Hauskehricht ist stark abnehmend. In der Analyse von 2012 wurden 60 Kilogramm Lebensmittelabfälle pro Jahr und Person gemessen. Im Jahr 2022 waren es nur noch 52 Kilo. Im UNO-Report wurden solche Verbesserungen aber nicht abgebildet.
Woher kommen dann die Zahlen der UNO?
Schlechte Zahlen: Die Daten zu Food-Waste in Schweizer Haushalten im UNEP stützen sich seit Jahren auf eine einzige ETH-Studie mit Zahlen aus dem Jahr 2017. Schaut man sich diese genauer an, zeigt sich: Die Autoren verwenden zwar kleine Stichproben aus der Schweiz, beziehen sich aber vor allem auf Studien von 2009 bis 2018 aus England und Wales und 2012 aus Österreich. Die Zahlen wurden dann entsprechend dem Schweizer Konsummix angepasst. Sie begründen das Vorgehen damit, dass im Ausland mehr Geld in aussagekräftige Studien investiert wurde, in England beispielsweise alleine im Jahr 2012 umgerechnet über eine Million Schweizer Franken. Dass Menschen in England möglicherweise ein völlig anderes Verhältnis zu Food-Waste haben als Schweizerinnen und Schweizer, lässt diese Hochrechnung ausser acht.
Schlechte Methode: Zudem wird im Food Waste Index Report 2024 der Vereinten Nationen Lebensmittelverlust wie folgt definiert: «Food-Waste ist definiert als Essen und die dazugehörigen nicht essbaren Teile, die aus der menschlichen Nahrungskette entfernt werden.» Als Food-Waste zählen also beispielsweise auch Orangen-, Kokosnuss- und Eierschalen, Knochen, Avocado-Kerne oder Pflaumensteine.
Sprich: Schweizerinnen und Schweizer, die viel Früchte und Gemüse essen und folglich viele Rüstabfälle haben, tragen zu einem schlechteren UNO-Ranking der Schweiz bei.
Achtest du darauf, deine Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?
Wie wird in der Schweiz Food-Waste gemessen?
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) versteht unter Lebensmittelverschwendung oder Food-Waste nur die vermeidbaren Lebensmittelverluste. Das heisst: die essbaren Anteile der Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr produziert, aber nicht von Menschen konsumiert werden. Die nicht essbaren oder laut Bafu «in unserer Kultur als nicht essbar» betrachteten Bestandteile sind hierbei ausgeschlossen. Die Definition und Hochrechnung der Daten sind also völlig anders. Und die Zahlen aus der Schweiz nicht aktuell.
Ist Food-Waste in der Schweiz also gar kein Problem?
Leider doch: Wissenschaftler kritisieren die aktuelle Messmethode in der Schweiz sowie die Aufbereitung des Food Waste Index Report 2024 gegenüber 20 Minuten. Zudem investiere die Politik zu wenig in zuverlässige Messungen. Sie betonen aber auch, dass die Lebensmittelverschwendung nach wie vor ein grosses Problem ist. Auch die Politik ist aktiv und fordert ein konsequenteres Vorgehen gegen Food-Waste. Mit dem Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung will der Bundesrat die vermeidbaren Verluste bis 2030 gegenüber 2017 halbieren.
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