Schweizerhalle BL«Polemik» – Cabb-CEO erteilt nach Unfall Werkschliessung Absage
In Schweizerhalle bei Pratteln BL trat am Freitagabend aus einer Chemiefabrik eine unbestimmte Menge Acetylchlorid aus. Jetzt erklärt sich die Verursacherin. 20 Minuten berichtet live.
Darum gehts
In der Nacht auf Samstag kam es zu einem Chemieunfall in einem Produktionsgebäude des Unternehmens Cabb.
Seit 2010 kam es bei der gleichen Firma zu über einem Dutzend Zwischenfälle, einer davon endete tödlich.
Das Unternehmen erklärt sich heute gegenüber den Medien.
Deine Meinung zählt
Zusammenfassung
«Ich bedaure den Vorfall ausserordentlich und er ärgert mich», sagt Thomas Ahrens, CEO und Verwaltungsratspräsident des Chemieunternehmens Cabb, zur Havarie am vergangenen Freitag. Beim Zwischenfall ist eine bislang unbestimmte Menge Acetylchlorid, bekannt als Essigsäurechlorid, ausgetreten. Dies löste einen Grossalarm aus, via Alertswiss wurde die Bevölkerung zudem angehalten, die Fenster zu schliessen.
Der Zwischenfall führte zu einer grossen Verunsicherung bei der Bevölkerung. Vergleiche zum Sandoz-Brand seien aber unsachlich, kritisierte Werkleiter Uwe Müller. 1986 führte ein Grossbrand des Sandoz-Werks in Schweizerhalle zu einer Umweltkatastrophe, die bis heute nachhallt.
Werkschliessung steht nicht zur Debatte
Schon wurden Forderungen laut, das Werk zu schliessen. Das wäre total übertrieben und habe keine sachliche Grundlage. «Wir haben über hundert Millionen Franken investiert», sagt CEO Thomas Ahrens. Die Sicherheitsmeachnismen hätten zudem einwandfrei funktioniert am Freitag.
Inzwischen ist klar, wie es zum Essigsäure-Austritt kam. Grund war ein Riss in einem Balg einer Pumpe. Diese sei erst vor drei Jahren gewechselt worden. Bei einer Kontrolle, zuletzt im Dezember 2023, seien keine Mängel festgestellt worden. Warum es zum Defekt gekommen ist, sei derzeit noch offen. Menschliches Versagen könne ausgeschlossen werden.
Die betroffene Pumpe sei sofort ausser Betrieb gegangen. Der Austritt sei sehr früh durch die Messysteme detektiert worden, die Alarmierung sei dann unmittelbar erfolgt. Dieser Prozess habe sehr gut funktioniert. Die gesamte Anlage sei sofort runtergefahren worden.
Über 100 Millionen Franken in Sicherheit investiert
Für die Cabb ist der Zwischenfall, der auch eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft zur Folge hat, äusserst ärgerlich. Das Unternehmen kämpfe aber mit einem negativen Vorurteil, das durch den Vorfall leider bestätigt worden sei, sagte Reto Wieduwilt, Globaler Leiter HSE (Gesundheit, Sicherheit und Umwelt) des Unternehmens. In den letzten vier Jahren habe man über 100 Millionen Franken in die Sicherheit des Standorts investiert.
In Pratteln, wo Cabb 400 Mitarbeitende beschäftigt, arbeite man schon seit Jahren an einer Verbesserung der Sicherheitskultur. Seit 2017 habe man aber die Zahl der Stoffaustritte deutlich verbessern können. Damals kam es allein in einem Jahr zu acht Austritten. 2023 war es nur noch ein einziger solcher Vorfall. «Wir sind hier auf dem richtigen Weg», so Wieduwilt.
Schliessung total übertrieben
Der Stoff ging zunächst in ein Rückhaltebecken. «Wir haben da massive Rückhaltebecken», erklärt Standortleiter Uwe Müller. In diese fliesse dann auch das Löschwasser. Aus dem Rückhaltebecken habe man den ausgetretenen Stoff dann auch identifizieren können.
Eine Schliessung des Unternehmens wäre total übertrieben und habe keine sachliche Grundlage. «Wir haben über hundert Millionen Franken investiert», sagt CEO Thomas Ahrens. Das sei Polemik und unsachlich.
Wäre es nicht Sankt-Florians-Prinzip, wenn man so eine Anlage in Indien aufbaue, wo die Standards tiefer seien als hier, wo man die Anlage beherrsche.
Der Vorfall habe gezeigt, dass die Sicherheitsmechanismen funktionieren, so Ahrens.
Damit ist die Medienkonferenz geschlossen. Wir danken für das Interesse. Eine Zusammenfassung folgt.
«Wir müssen uns hinterfragen», sagt Technikleiter Roger Fischer. Etwa die Kontrollintervalle verkürzen.
Die betroffene Pumpe sei sofort ausser Betrieb gegangen. Der Austritt sei sehr früh durch die Messysteme detektiert worden, die Alarmierung sei dann unmittelbar erfolgt. Dieser Prozess habe sehr gut funktioniert. Die gesamte Anlage sei sofort runtergefahren worden.
Unfälle und Prozessereignisse
Es gibt bei den Begrifflichkeiten Unklarheiten. Zu den Unfällen zählen auch Ereignisse, wie ein eingeklemmter Fuss und ein gestossenes Knie, das den Unfallwert 2022 auf drei pushte. Bei den Prozessereignissen, wie es am Freitag der Fall war, lag der Durchschnittswert in den letzten Jahren im Schnitt höher als die Zahl der Unfälle.
Neue Sicherheitskultur
Seit 2017 habe man aber die Zahl der Stoffaustritte deutlich verbessern können. Damals kam es allein in einem Jahr zu acht Austritten. 2023 war es nur noch ein einziger solcher Vorfall. «Wir sind hier auf dem richtigen Weg», so Wieduwilt. «Unser Ziel ist es, dass jeder Mitarbeitende am Abend gesund nach Hause geht.»
Im Vergleich mit den anderen Firmen, die im gleichen Sektor tätig sind, sei man nun auf dem gleichen Level wie die anderen grossen Player.
Man arbeite an der Sicherheitskultur. «Wir sind auf dem Sprung nach oben», sagt er. Es gehe darum, mehr Eigenverantwortung im Betrieb zu etablieren. Dabei werde man von einem Institut für verhaltensbasierte Sicherheit aus Deutschland unterstützt.
Wieduwilt hat als ehemaliger Betriebsleiter von Clariant ein solches Sicherheitsprogramm bereits einmal durchgemacht. Früher habe die Clariant einen wesentlich mehr Unfälle verzeichnet und sei nun bei einem Wert von 0,3. Da wolle man auch hin. Bei anderen Werken der Cabb, etwa am Standort Finnland, sei man diesbezüglich schon weit fortgeschritten.
Über 100 Millionen investiert
Operiert Cabb mit veralteten Anlagen? Diese «Gerüchte» seien nach dem Unfall in den sozialen Medien gestreut worden. Das stimme aber nicht. Roger Fischer, der Leiter Technik und Investitionen, erklärt nun, wie Cabb in den letzten Jahren in seine Anlagen investiert hat.
In den letzten vier Jahren habe man über 100 Millionen Franken in die Sicherheit des Standorts investiert.
Das Unternehmen kämpfe aber mit einem negativen Vorurteil, das durch den Vorfall leider bestätigt worden sei. «Wir wollen Ängste hier nicht kleinreden», sagt Reto Wieduwilt, Leiter HSE von Cabb.
Technischer Mangel
Nun erklärt Müller die Unfallursache. Diese lag bei einer Pumpe. In einem Balg habe es einen Riss gegeben, aus dem dann der Stoff ausgetreten ist.
Die Pumpe sei erst vor drei Jahren gewechselt worden. Bei einer Kontrolle, zuletzt im Dezember 2023, seien keine Mängel festgestellt worden. Warum es zum Defekt gekommen ist, sei derzeit noch offen.
Offen ist auch, wie viel Essigsäure ausgetreten ist. Dies sei noch Gegenstand der Untersuchungen. Klar sei aber: Der Stoff sei sehr verdünnt ausgetreten.
Sie gehen nicht von menschlichem Versagen aus, sondern einem technischen Mangel.
Bis 2025 wolle man die Arbeitsunfälle auf null bringen. Weil nur so ein nachhaltiger Bestand des Unternehmens möglich sei.
Am Standort Pratteln seien 400 Mitarbeitende beschäftig. Mit dem Standort verbunden seien rund 3000 weitere Arbeitsplätze, wie Standortleiter Uwe Müller erklärt.
Das Werk Pratteln produziert auf Stoffe auf Chlorbasis. Das Chlor kann das Werk direkt über eine Pipeline von der Schweizer Saline beziehen. Im Werk hantiere man mit mehreren Gefahrengütern. Es gebe darum ein umfassendes Sicherheitsdispositiv mit dem Führungsstab des Kantons Baselland.
«Ich war selbst am Freitag innert kürzester Zeit vor Ort», so Müller.
Grosses Bedauern
«Ich bedaure den Vorfall ausserordentlich und er ärgert mich. Besonders, weil er das bestehende Vorurteil unserer Firma bestärkt», sagt CEO Thomas Ahrens.
Es gebe keine hundertprozentige Sicherheit, man gebe aber hundert Prozent für die Sicherheit.
Das Unternehmen sei spezialisiert auf hochkomplexe Moleküle und sei ein strategischer Partner für mehrere Sektoren in der chemischen Industrie. Cabb sei in Medikamenten, Gartendüngern, Putzmitteln aber auch Kläranlagen enthalten.
Die Verantwortlichen erklären sich
An der Medienkonferenz erklärt sich nun die Chefetage des Unternehmens der Öffentlichkeit. Neben Thomas Ahrens, dem Verwaltungsratspräsidenten und CEO der Cabb, sind dies
Uwe Müller, Standortleiter Pratteln
Christine Sutter, Betriebsleiterin
Roger Fischer, Leiter Technik und Investitionen
Reto Wieduwilt, Globaler Leiter HSE (Gesundheit, Sicherheit und Umwelt)
Elisabeth Kessler, Leiterin HSE Pratteln
Eingangs betont Unternehmenssprecher Adrian Kohler die proaktive und frühestmögliche Kommunikation der Cabb nach dem Ereignis am Freitag. Dabei sei es zu einem Stoffaustritt durch einen Notkamin gekommen. Der Geruch wurde daraufhin durch den Wind in Richtung Westen verbreitet.
Es sei schnell klar gewesen, dass es sich um eine Essigsäure (Acetylchlorid) handelte. Dies wurde um drei Uhr morgens kommuniziert.
Die vorsorgliche Alarmierung löste grosse Verunsicherung in der Bevölkerung, aber auch der Politik aus.
Das ist passiert
In Schweizerhalle bei Pratteln BL ist es am Freitagabend zu einem Chemieunfall gekommen. Wie die Polizei später in der Nacht mitteilte, trat der Stoff Acetylchlorid bei einem Produktionsgebäude der Firma Cabb aus.
Der Kantonale Führungsstab sowie Alertswiss warnten die Bevölkerung vor dem Austritt giftiger Stoffe und mahnten dazu, Fenster und Türen geschlossen zu halten und die Klima- und Lüftungsanlagen auszuschalten. Im Einsatz standen rund 200 Einsatzkräfte diverser Feuerwehren.
Die Einsatzkräfte konnten den Stoffaustritt im Produktionsgebäude nach sechs Stunden unter Kontrolle bringen.
Der Vorfall reiht sich in eine Serie von Zwischenfällen beim Chemieunternehmen Cabb. Seit 2010 kam es zu über einem Dutzend Vorfälle, 2014 kam gar ein Mitarbeiter ums Leben. Nach dem neusten Vorfall steigt auch der politische Druck auf das Unternehmen, die Baselbieter Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet.
Am Donnerstag erklären sich die Verantwortlichen der Cabb nun gegenüber den Medien.