Basel«Sie grinsten» – 22 Videos von Vergewaltigung von 14-Jähriger
Das Basler Strafgericht hat ein ehemaliges Mitglied der Hells Angels mit besten Verbindungen zu Fussballstars zu fast 13 Jahren Haft verurteilt. Er vergewaltigte eine 14-Jährige und war an Geldwäsche im grossen Stil beteiligt.
Darum gehts
Ein ehemaliges Mitglied der Hells Angels wurde wegen Vermögens- und schweren Sexualdelikten ab heute vor dem Basler Strafgericht zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Der 36-Jährige hatte zahlreiche prominente Fussballer und Rapper in seinem Freundeskreis und prahlte mit seinem Luxusleben auf Instagram.
Mit Murat Yakin und Breel Embolo tätigte er Uhrengeschäfte. In den Beschlagnahmegütern befinden sich mehrere Luxusuhren der Fussballstars, die diesen nun wieder herausgegeben werden.
Angeklagt waren auch zwei Mitarbeiter der Security, die dem Ex-Hells-Angels den Zugang zu Handys und sexuellen Dienstleistungen im Gefängnis ermöglichten. Die Aufseherin kassierte nun eine bedingte Freiheitsstrafe.
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Zusammenfassung
«Sie sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit», schloss Gerichtspräsident Markus Hofer die Urteilsverlesung am Donnerstag. Ein heute 36-jähriger türkischer Staatsangehöriger aus Basel wurde zu zwölf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, wegen schwerer Sexualdelikte zum Nachteil einer 14-Jährigen sowie Beteiligung an bandenmässiger Geldwäsche in Millionenhöhe, Bestechung und weiterer Delikte. Zudem wird er 14 Jahre des Landes verwiesen.
Das ehemalige Mitglied der Hells Angels verfügte über viele Kontakte in die Unterwelt und geschäftete unter anderem mit Ahmad Nazari, einem hochrangigen und international gesuchten Mitglied der türkischen Mafia. In der Schweiz wusch der gebürtige Basler Geld, das aus Anlagebetrug stammte, mit dem Nazari und andere Hintermänner Anleger in Deutschland um Millionen prellte.
Für die Strafzumessung schwerer wog indes, dass der Gangster eine zum Tatzeitpunkt 14-Jährige im Jahr 2018 zweimal vergewaltigte. Über 1400 Seiten umfasst der ausgedruckte Chatverlauf mit der damals 14-Jährigen. Die Chats zeigen: «Mit Zuckerbrot und Peitsche haben Sie kontinuierlich Druck aufgebaut, bis Sie erhalten haben, was Sie wollten», so Gerichtspräsident Markus Hofer. Von einem Treffen in einem Egerkinger Hotel fertigte der damals 30-Jährige 22 Videos von den sexuellen Handlungen an. «Es sind sterile sexuelle Handlungen. Sie grinsen dabei, das Opfer nicht.»
Zu sexuellen Handlungen kam es auch, nachdem er am 15. Juni 2021 in Untersuchungshaft kam. Der Beschuldigte hatte dort mehrfach Sex mit einer Aufseherin, die er dafür über Dritte bezahlte. Die Videoaufnahmen der Überwachung dokumentieren zwar nicht die eigentlichen sexuellen Handlungen. «Die Bewegungen in der Spiegelung weisen aber auf eine eindeutige Dynamik hin», so Hofer. Die Aufseherin habe jegliche professionelle Distanz missen lassen. Wegen passiver Bestechung und Begünstigung wurde die 28-Jährige zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Der Prozess erregte aber vor allem wegen eines Nebenschauplatzes sehr viel Aufsehen. Der Ex-Hells-Angel pflegte beste Kontakte zu Schweizer Fussballstars. Mit Murat Yakin und Breel Embolo, dem er auch falsche Covid-Zertifikate vermittelte, machte er Uhrengeschäfte. Beim Basler Gangster wurden eine Rolex Day-Date, Breitling und Carl F. Bucherer beschlagnahmt, die dem Nati-Trainer gehören und diesem nun zurückgegeben werden. Ebenso eine Rolex Daytona, die Breel Embolo gehörte und von Yakin erworben worden sein soll.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Yves Waldmann meldete noch im Gerichtsaal Berufung an. Gerade in Bezug auf die Sexualdelikte habe das Gericht nur einseitig Beweise zu Lasten seines Mandanten gewürdigt, erklärte er im Anschluss. Wir haben aber mit einem harten Urteil gerechnet und es war klar, dass wir das von der nächsten Instanz überprüfen lassen, so Waldmann.
Strafzusammensetzung
Richter Markus Hofer erläutert die Strafzumessung.
Für die Sexualdelikte kassiert der Beschuldigte sechs Jahre und vier Monate. Dabei profitiert er leicht vom Aperationsprinzip. Demnach werden zur Einsatzstrafe für das schwerste Delikt die nachfolgenden Taten mit einem Rabatt addiert.
Für die übrigen Delikte, die Geldwäsche und Vorgänge im Gefängnis, gibt es sechs Jahre obendrauf.
Die Täterkomponente fällt ebenfalls negativ ins Gewicht. Da gebe es keine Gründe für Milderung. Einzig die mediale Vorverurteilung gibt einen Rabatt von zwei Monaten. Deshalb werden in diesem Punkt nur sechs statt acht Monate draufgeschlagen. Dies führt zu einer Gesamtstrafe von zwölf Jahren und zehn Monaten.
Der Landesverweis erfolgt mit Eintrag ins Schengener Informationssystem. «Sie sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit», schliesst Hofer.
Der Verteidiger des Verurteilten meldet sofort mündlich Berufung an.
Die Verhandlung ist damit geschlossen. Es folgt hier zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Zusammenfassung.
Covid-Zertifikate
Vom Vorwurf der Urkundenfälschung von Covid-Zertifikaten wurde er indes weitgehend freigesprochen. Hier blieb lediglich ein Schuldspruch wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung hängen. Einer der Empfänger der falschen Zertifikate war Breel Embolo, die der Gangster bei einer Jugendfreundin beschaffte, die in einem medizinischen Labor arbeitete.
Florierendes Glücksspiel
Über die Plattformen Solobet und Contobet betrieb er zudem zahlreiche Shops für illegale Wetten. Ein lohnendes Geschäft. Das Gericht hat Belege für Bruttospielerträge im hohen sechsstelligen Bereich, an denen der Beschuldigte partizipiert hatte.
Bei einem Gewinnanteil von 15 Prozent, von denen das Gericht zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen ist, hatte er so über 70'000 Franken Gewinn erzielt.
«Es dürfte tatsächlich aber weit mehr gewesen sein», ist Hofer überzeugt.
Er filmte sich bei der Vergewaltigung der 14-Jährigen
Über 1400 Seiten umfasst der ausgedruckte Chatverlauf zwischen dem Angeklagten und der damals 14-Jährigen, die er 2018 an zwei Treffen mehrfach vergewaltigt hatte. Die Chats zeigen: «Mit Zuckerbrot und Peitsche haben Sie kontinuierlich Druck aufgebaut, bis Sie erhalten haben, was Sie wollten», so Gerichtspräsident Markus Hofer. Bei Kindern reiche vergleichsweise wenig psychischer Druck, aus sie gefügig zu machen, führt er nach.
Das Gericht hat sich den Nachrichtenverlauf noch einmal Nachricht für Nachricht angesehen. So habe vor dem zweiten Treffen ein regelrechtes Bombardement an Nachrichten vom Beschuldigten eingesetzt. Darin drängte er sie zu Nacktbildern und Videos zu seiner Selbstbefriedigung. Hofer zitiert aus den sehr expliziten Chats.
So sei es über Stunden gegangen. Er drängte sie dabei auch, ihre damals erst zehnjährige Schwester an das Treffen mitzunehmen. Dafür stellt er ihr auch Geschenke und Geld in Aussicht. Zum Treffen in einem Hotel in Egerkingen erschien die 14-Jährige dann ohne Schwester. Im Hotel fertigte der damals 30-Jährige 22 Videos von den sexuellen Handlungen an. «Es sind sterile sexuelle Handlungen. Sie grinsen dabei, das Opfer nicht.»
«Von freiwilligen sexuellen Handlungen kann bei so einer Situation nicht die Rede sein», so Hofer.
Sex in der Untersuchungshaft
Jetzt werden nochmals die Vorgänge im Untersuchungsgefängnis aufgerollt. Diese kamen ans Licht, nachdem ein Mitinsasse diese gemeldet hatte. «Was an sich schon mal ungewöhnlich ist», so Gerichtspräsident Hofer.
Der Beschuldigte hatte dort mehrfach Sex mit einer Aufseherin, die er dafür über Dritte bezahlte. Die Videoaufnahmen der Überwachung dokumentieren zwar nicht die eigentlichen sexuellen Handlungen. «Die Bewegungen in der Spiegelung weisen aber auf eine eindeutige Dynamik hin», so Hofer. Der Aufseherin habe jegliche professionelle Distanz missen lassen.
Ihr Verteidiger bestritt in seinem Plädoyer die Garantenstellung seiner Mandantin. Diese arbeitete für die Securitas AG. Dem widerspricht das Gericht. Das Bundesgericht lege den Beamtenstatus funktionell aus. Die Beschuldigte sei mit hoheitlichen Aufgaben betraut worden und sei darum funktionell als Beamtin zu qualifizieren.
Der Freund der Aufseherin wirkte bei den Delikten ebenfalls mit. Das Verfahren gegen ihn wird indes separat geführt, nachdem er aus medizinischen Gründen von diesem Verfahren dispensiert wurde.
«Sie brechen an Gesetzen, was gebrochen werden kann»
Nun setzt Gerichtspräsident Markus Hofer zur Urteilsbegründung an. «Sie sind ein Meister in der Vernetzung», sagt er dem 36-Jährigen, der still vor ihm sitzt. Sein Talent Kontakte zu Knüpfen habe er vor allem genutzt, um tief in die Unterwelt vorzudringen. «Normen kümmern Sie nicht, solange es um Ihren Vorteil geht. Sie brechen an Gesetzen, was gebrochen werden kann, ohne Rücksicht.» Dieses Verhalten habe ihm auch das Leben im Luxus ermöglicht, das er so gerne auf Social Media zur Schau gestellt habe.
«Verbrechen darf sich aber nicht lohnen», sagt Hofer. Nebst der langen Haftstrafe sieht sich der ehemalige Hells Angel nun auch mit hohen Geldforderungen konfrontiert. Der Staat macht eine Ersatzforderung von 300'000 Franken geltend, die mit beschlagnahmten Vermögenswerten verrechnet werden. Zudem werden ihm 50'000 Franken Verfahrenskosten und eine Urteilsgebühr von 60'000 Franken in Rechnung gestellt.
Den grössten Teil der Freiheitsstrafe machen die Sexualdelikte zum Nachteil der damals 14-Jährigen aus. Mit ihr habe er seinen persönlichen Porno gedreht, so Hofer, der die Taten als «widerwärtig» bezeichnete. Umso mehr, weil der 36-Jährige schon einschlägig verurteilt ist und sich davon nicht beirren liess.
Uhren zurück an Yakin
Murat Yakin, der mit dem Verurteilten Uhrengeschäfte tätigte, erhält seine Uhren zurück, die beim Gangster beschlagnahmt wurden. Es handelt sich dabei um eine Rolex Daytime, eine Breitling sowie einer Uhr von Carl F. Bucherer, dem ehemaligen Sponsor der Schweizer Nati. Auch Breel Embolo erhält seine Rolex Daytona zurück.
Urteil
Der Gerichtsschreiber verliest das Urteil, nachdem der Saal um punkt 16 Uhr geöffnet wurde und alle Platz genommen haben ausser dem Beschuldigten.
Der Beschuldigte wird in fast allen Punkten schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Konkret ergingen Schuldsprüche wegen mehrfacher Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Handlungen mit Kindern. Dem damals 14-jährigen Opfer muss er eine Genugtuung von 12'000 Franken bezahlen.
Schuldsprüche ergingen auch bei den Vermögensdelikten wegen mehrfacher, bandenmässiger und gewerbsmässiger Geldwäscherei und Verbrechen gegen das Geldspielgesetz.
Auch die Vorwürfe, die das Untersuchungsgefängnis betreffen, sieht das Gericht als erwiesen an. So ergingen Schuldsprüche wegen Bestechung und Anstiftung zum Amtsmissbrauch.
Die ehemalige Securitas-Angestellte, mit der er während der Untersuchungshaft mehrfach Sex gegen Entgelt hatte, wurde wegen Begünstigung und passiver Bestechung zu neun Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt.
Urteil um 16 Uhr
Nach zweiwöchiger Beratung fällt die Kammer des Basler Strafgerichts heute Donnerstag ihr Urteil. Um 16 Uhr wird dieses verlesen. 20 Minuten berichtet live aus der Verhandlung.
«Mein Anwalt hat alles gesagt»
Nachdem die Parteien auf die Plädoyers repliziert und dupliziert haben, ist die Verhandlung bis zur Urteilseröffnung unterbrochen. Die Kammer des Gerichts zieht sich nun für die Beratung zurück.
Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft verlangt einen Schuldspruch gemäss Anklage und eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren für den 36-jährigen Beschuldigten.
Sein Verteidiger beantragte einen weitgehenden Freispruch und einzig Schuldsprüche für «Bagatelldelikte» wie den illegalen Waffenbesitz und allenfalls Gehilfenschaft zur Geldwäsche.
Das letzte Wort hat der Angeklagte. Er verzichtet. «Mein Anwalt hat alles gesagt.»
Das Urteil wird am 30. Mai um 16 Uhr eröffnet.
Fast ein Freispruch
Die übrigen Anklagepunkte redet Waldmann ebenfalls aus dem Recht. Der Vorwurf, dass sein Mandant illegales Glückspiel organisiert habe? Blödsinn. Höchstens liege eine Gehilfenschaft vor, weil er Shops beliefert habe mit den Prepaidkarten. Effektiver Anbieter der Sportwetten sei er damit aber nie gewesen.
Ebenso scheitere der Vorwurf der Urkundenfälschung bei den Covid-Zertifikaten. Allenfalls liege eine Anstiftung vor, eine Tatherrschaft könne aber nicht behauptet werden, weil ja die Labormitarbeiterin die Zertifikate hergestellt habe.
Er verlangte folglich Freisprüche von praktisch allen Anklagepunkten und einzig Schuldsprüche wegen Gehilfenschaft zur Geldwäsche und illegalem Waffenbesitz. Dafür sei eine bedingte Strafe von sechs Monaten auszufällen. Für die Überhaft sei sein Mandant zu entschädigen.
Sexualdelikte zum Nachteil von Teenagerin
Nun kommt der Verteidiger auf die angeklagten Sexualdelikte zum Nachteil der damals 14-Jährigen zu sprechen. Dass es zu sexuellen Kontakten zwischen dem Beschuldigten und ihr gekommen sei, will er gar nicht abstreiten. Aber: Die Teenagerin soll von Beginn weg über ihr Alter gelogen haben und sich als 16-Jährige ausgegeben haben. Zudem, spekuliert Waldmann, habe sie vermutlich noch sexuelle Kontakte zu weiteren Männern gepflegt.
«Die Wahrheit ist wohl tragisch. Sie wollte sich für Geld prostituieren. Sie war eine, die rausgeht, wie das in ihrem Jargon heisst.»
Folglich könne auch nicht von Vergewaltigung die Rede sein. In den Chatnachrichten sei höchstens eine versuchte Nötigung zu erkennen. Sie habe als alternative Motivation freiwillig Geld als Gegenleistung für den Geschlechtsverkehr ins Spiel gebracht. Folglich müsse im Zweifel darauf abgestellt werden und die Nötigung entfalle.
Nach dem Treffen in Egerkingen habe sie ihn auch gefragt: «Wann bekomme ich mein Geld?»
Objektiv sei hier der objektive Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern erfüllt. Aber subjektiv eben nicht, weil sie sich als 16-Jährige ausgegeben habe.
Zudem moniert Waldmann, dass das Aussageverhalten der Geschädigten in den Einvernahmen durch die Staatsanwältin durch Suggestivfragen manipuliert worden sei.
Menschlich vermag dieser Fall ganz schwierig sein. Das Gericht müsse aber nach rein rechtlichen Gesichtspunkten entscheiden.
Nur Prostitution im Gefängnis?
Nun zerpflückt Waldmann die Vorwürfe der Bestechung und Begünstigung im Untersuchungsgefängnis Waaghof. Diese stützten sich nur auf Behauptungen, die im Wesentlichen von Mithäftlingen stammten.
Ein Mitinsasse habe selbst angegeben, er hätte selbst gerne Sex mit der Aufseherin gehabt, hätte es sich aber nicht leisten können. Er will auch gesehen haben, dass sie vom Beschuldigten fünf blaue Scheine erhalten haben soll. «In der Anklage ist aber nur die Rede davon, dass Zahlungen nur ausserhalb stattgefunden haben sollen. Der Zeuge lügt offenbar und das scheint auch der Anklage klar, die sich nur selektiv auf dessen Aussagen stützt», führt Waldmann aus.
«Und wenn es so gewesen wäre, dass sie sich gegen Geld für Sex angeboten hätte, wäre das einfach nur Prostitution, aber keine Bestechung.»
Ausserdem seien die Preise für die Handys völlig übertrieben. Gemäss Anklage soll der Beschuldigte 5000 Franken pro Handy bezahlt haben. Höre man sich in Schweizer Gefängnissen um, würden Preise um 1500 Franken genannt.
Ein unwissender Vermittler
So ausführlich wie die Anklageschrift auch sei, schaffe es die Staatsanwaltschaft darin nicht, dem Beschuldigten konkret vorzuhalten, was er genau getan haben soll. Sein Mandant habe einzig als Vermittler fungiert und sich vom Betreiber des türkischen Callcenters als seriösen Geschäftsmann blenden. Die Rolle als Vermittler erfülle aber nicht den Tatbestand der Geldwäscherei.
«Er zählt weder zu den Tätern in der Türkei noch zu den Geldwäschern in Basel», so Waldmann. Und wem gegenüber soll er Verantwortung übernommen haben? Das bleibe offen.
Sein Mandant sei unter Druck gesetzt worden, als seine Bekannten in der Schweiz, die das Geld aus der Türkei erhalten haben, wohl selbst bezogen hatten. Mit einer fingierten Kontosperre hätten sie seinen Mandanten hinters Licht geführt. Die Bekannten meines Mandanten sind jene, die sich mit Geldwäscherei wohl wirklich auskennen. Gegen einen dieser Männer laufe ein wesentlich umfangreicheres Verfahren.
Waldmann beschreibt seinen Mandanten als wohl unwissenden Vermittler zwischen den Geldwäschern in der Schweiz und den Anlagen-Betrügern in der Türkei. Für diese Vermittlungstätigkeit liess er sich bezahlen. Letzten Endes habe er nicht einmal die versprochene Provision erhalten. Von der deliktischen Herkunft der Gelder habe er erst erfahren, als er von der Anzeige Kenntnis erhielt. Objektiv betrachtet liege also höchstens Gehilfenschaft zur Geldwäscherei vor. Subjektiv sei dieser Tatbestand aber nicht erfüllt.
«Staatsanwaltschaft verbreitet Fantasy!»
Nun holt Yves Waldmann, der Verteidiger des Hauptbeschuldigten, zum Rundumschlag gegen die Anklage aus. Die Anklageschrift sei unnötig und zum Plädoyer verkommen. Die Anklageschrift solle möglichst kurz und genau die vorgeworfenen Taten schildern. Diese Vorgabe werde nicht erfüllt. Der 91 Ordner umfassende Aktenberg sei ausufernd und werde aufgebläht durch Akten zu eingestellten Verfahren, die mit dem Fall gar nichts zu tun hätten.
«Das und das Polizeiaufgebot eignen sich aber gut, um den Fall als gross zu verkaufen. Anklage ist schon fast im Stil des Boulevardjournalismus abgefasst, um beim Gericht Stimmung gegen den Beschuldigten zu machen.»
Wären die Unterstellungen seriös, hätte die Staatsanwaltschaft diese angeklagt, so Waldmann. Haltlos werde behauptet, dass er ein Boss der Hells Angel war. «Die Staatsanwaltschaft verbreitet Fantasy!», schimpft der Verteidiger.
Verteidiger zerzaust Vorwürfe an Wärterin
«An den Vorwürfen ist nichts dran», sagt der Verteidiger der ehemaligen Gefängniswärterin. Er verlangt, dass sie von allen Vorwürfen freigesprochen wird. Zudem soll ihr eine Genugtuung von 20'000 Franken zugesprochen werden.
So konnte die Staatsanwaltschaft nie bezeichnen, wer der Geldbote war. Wie viel Geld genau geflossen ist? Blieb auch unklar. Und die Videoaufnahmen? «Darauf ist nichts zu sehen. Man sieht einzig, dass sie sich in seiner Zelle aufgehalten hatte», so ihr Verteidiger. Nichts deute auf die Spekulationen der Staatsanwaltschaft hin. Man habe auch keine verdächtigen Geldbeträge bei ihr gefunden.
Das Betreten der Zellen war seiner Mandantin zudem nicht untersagt. Sie hatte angegeben, dem Beschuldigten an Wochenenden beim Verfassen von Briefen geholfen zu haben und konnte auch Angaben zu deren Inhalt machen.
Und die belastende Kommunikation zwischen dem Gefangenen und der Aufseherin? Diese gesteht der Verteidiger zu. Dass die beiden Nachrichten austauschten, sei aber gar nicht angeklagt. Zudem seien dabei keine heiklen Informationen ausgetauscht worden.
Seine Mandantin sei auch gar keine Beamtin, wie das die Anklagebehörde glauben machen will. Von privaten Sicherheitsfirmen beigezogene Arbeitskräfte unterstehen nicht dem strafrechtlichen Beamtenbegriff.
Teenagerin hatte panische Angst
Das zum Tatzeitpunkt erst 14-jährige Opfer des Beschuldigten erhielt erst im Mai 2023 durch die Vorladung zur Befragung Kenntnis von der Strafuntersuchung. Zuvor habe sie die Geschehnisse weitgehend verdrängt gehabt, so die Opfervertreterin. «Der Schutzmechanismus ihrer Psyche geriet dadurch ins Wanken.»
Die Anwältin führt die Schwere der an ihrer Mandantin begangenen Taten noch einmal aus. Besonders hebt sie die Drohungen hervor, die sich als erfolgreiches Mittel erwiesen, mit denen der Beschuldigte seine Forderungen durchsetzen konnte.
«Ein einmal publiziertes Foto verbreitet sich unkontrolliert. Sie nahm diese Drohung ernst. Sie war sich über die Konsequenzen im Klaren und hatte panische Angst davor, dass ihr Umfeld die kinderpornografischen Aufnahmen sehen könnte.»
Für die erlittene mehrfache Vergewaltigung und sexuelle Nötigung beantragt sie eine Genugtuung von 40'000 Franken. Im Strafantrag schliesst sie sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an.
Nach einer kurzen Mittagspause geht es weiter. Nun folgen die Plädoyers der Opfervertreterin und der Verteidiger der Beschuldigten.
Strafanträge
Jetzt trägt Staatsanwalt Thomas Hunkeler den Strafantrag vor. «Die Taten wurden mit einer hohen Strafschwere begangen», schickt er voraus. Das höchste Strafmass wird für die begangenen Sexualdelikte zum Nachteil der Teenagerin beantragt. Für mehrfache Vergewaltigung und Nötigung der 14-Jährigen wird eine Einsatzstrafe von neun Jahren beantragt.
Die übrigen Delikte werden nach dem Asperationsprinzip obendrauf gepackt. Für die Vermögensdelikte in Zusammenhang mit dem Anlagen-Betrug werden drei Jahre asperiert. Ein weiteres Jahr gibt es für die Bestechung und Begünstigung des Aufsichtspersonals im Untersuchungsgefängnis, ebenfalls ein Jahr gibt es für die Organisation der illegalen Sportwetten. Die Covid-Zertifikate bringen ihm weitere sechs Monate ein, der Leasingbetrug und illegale Waffenbesitz werden mit drei Monaten abgegolten. Somit resultiert eine Gesamtstrafe von 14 Jahren und neun Monaten. Aufgrund der besonderen Verwerflichkeit seiner Taten und seinem Vorleben beantragt Hunkeler eine Strafverschärfung auf insgesamt 16 Jahre.
Zusätzlich soll eine Busse von 10'000 Franken für die sachfremde Verwendung der Einträge aus dem illegalen Glücksspielen verhängt werden.
Zudem soll eine Landesverweisung von 15 Jahren mit Ausschreibung im Schengener Informationssystem verfügt werden.
Für die Aufseherin, die mit dem Beschuldigten Sex im Untersuchungsgefängnis hatte, beantragt die Anklage eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten wegen mehrfacher Bestechung und Begünstigung.
Sie sei durch niemanden gezwungen worden und beging die Taten einzig zur Finanzierung ihres Lebensstils.
Nach einer Pause werden jetzt noch die Anklagepunkte der Urkundenfälschung des Leasingbetrugs abgehandelt. Wir erinnern uns: Der Beschuldigte beschaffte für seine Familie und Freunde falsche Covid-Zertifikate mit Hilfe ein Komplizin in einem medizinischen Labors. Und über einen Strohmann leaste er einen Mercedes AMG, da er selbst kaum über ein legales Einkommen verfügte, womit er einen Leasingvertrag hätte abschliessen können.
Vergewaltigung einer Teenagerin
Die Staatsanwaltschaft tritt heute als Team vor Gericht auf. Die Anklage, die in mehrere Fallkomplexe aufgeteilt ist, wird im Plädoyer nun auch von zwei Staatsanwälten und einer Staatsanwältin vorgetragen.
Nun geht es um die Sexualdelikte zum Nachteil der damals 14-jährigen Teenagerin. Dieser Fall wurde nicht durch das Opfer zur Anzeige gebracht, sondern tauchte erst durch die Rekonstruktion gelöschter Chatverläufe auf dem Handy des Beschuldigten auf. In der Folge wurde die Geschädigte erst fünf Jahre nach der Tat befragt.
Sie wurde vom 36-Jährigen massiv unter Druck gesetzt, indem er ihr drohte, Aufnahmen von ihr zu veröffentlichen. An diese gelangte er zunächst, indem er sich auf Snapchat als Teenager ausgegeben hatte. Bei einem ersten Treffen kam es dann bereits zu sexuellen Handlungen, die sie aus Angst vor ihm über sich ergehen liess. «Ich habe mir vorgestellt, dass ich in die Schule komme und alle haben Bilder von mir», erzählte sie in der Einvernahme.
Dass er die Aufnahmen von ihr veröffentlichen würde und sie «überall markieren» würde, wie er drohte, wollte sie «um jeden Preis» verhindern. Auch wenn dies hiess, dass sie ihm weitere Bilder und Videoaufnahmen schickte und letztlich einem zweiten Treffen in einem Hotel in Egerkingen zustimmte, wo es zu einer zweiten Vergewaltigung kam.
Ihre Aussagen dazu am Dienstag vor Gericht seien sehr authentisch gewesen.
Sex im Zellentrakt
Jetzt geht es um die Vorkommnisse im Untersuchungsgefängnis Waaghof. Es sei erstaunlich, dass die Beschuldigten dazu keine Aussagen machen würden. Die Beweislage sei erdrückend, leitet der Staatsanwalt ein. In diesem Fallkomplex angeklagt sind auch eine ehemalige Aufseherin und ein Ex-Aufseher, die privat miteinander liiert waren. Er besorgte dem Hauptbeschuldigten Mobiltelefone, sie hatte mehrfach Sex mit ihm.
Die Staatsanwaltschaft wurde im Oktober 2022 von einem Mitinsassen über ein Schreiben auf Korruption und Sex zwischen Mitarbeiterinnen und Häftlingen im Untersuchungsgefängnis Waaghof hingewiesen. Das Schreiben liegt auch der Redaktion von 20 Minuten vor. «Ein Grossteil der Vorwürfe des Whistleblowers konnte bewiesen werden», summiert der Staatsanwalt.
Die Aufseherin hat für die sexuellen Kontakte mindestens 500 Franken bis zu 1500 Franken pro Mal erhalten. Sieben solche Kontakte sind durch die Überwachungskamera belegt. Sie kommunizierte auch in ihrer Freizeit über Snapchat mit dem Insassen. Mindestens zwei Mitinsassen haben den Sex zwischen der Aufseherin und dem Insassen mitbekommen und konnten diese teilweise «äusserst detailliert» zu Protokoll geben.
Dass die Aufseherin unter Druck gestanden habe, sei Mumpitz. Sie hatte auf der Station des Beschuldigten gar nichts zu suchen.
Ausgeklügelter Anlagen-Betrug
Nun geht es um den Anlagen-Betrug. Er sei das Bindeglied zwischen den Geldwäschern in Basel und den Hintermännern in der Türkei gewesen.
Der Anlagen-Betrug sei wie folgt aufgebaut gewesen. Zunächst habe es Firmen mit Bankkonten und Legenden gebraucht. Bei der Gründung solcher Firmenmäntel ohne eigentliche Geschäftstätigkeit war der Beschuldigte involviert. Dies hatte er teilweise auch gestanden. Dann wurden professionelle Websites erstellt für die angeblichen Investmentplattformen namens Benchhill Partners und Broker Group. Diese wurden anschliessend online beworben, wofür auch Werbeagenturen beigezogen wurden.
Potenzielle Investoren wurden dann über sogenannte Lead-Listen aus Callcentern in der Türkei kontaktiert und für Investments gewonnen. Die entsprechenden Zahlungen flossen zunächst auf Schweizer Firmenkonten und dann in die Türkei. Mit Barabhebungen wurde der Papertrail systematisch unterbrochen. Das Geld habe der Beschuldigte teilweise persönlich in Empfang genommen.
Beim Fallkomplex Benchhill flossen fast eine Million Franken von 18 Geschädigten über die Schweizer Strohfirmen, im Fallkomplex Broker Group waren es 2,7 Millionen Franken von 60 Geschädigten. Der Beschuldigte überwachte die entsprechenden Transaktionen.
Deutsche Ermittler des Landeskriminalamts Sachsen, die das Betrugs- und Geldwäschereisystem initial aufgedeckt hatten, konnten jede einzelne Transaktion den Beschuldigten innerhalb des Netzwerks zuweisen.