Kantonsgericht St. GallenBerufung gescheitert: Raserin (22) zu vier Jahren Haft verurteilt
Bei einem schweren Unfall kamen in Niederuzwil drei junge Männer ums Leben. 2023 wurde die Unfallfahrerin vom Kreisgericht Wil verurteilt, legte jedoch Berufung ein. Am Mittwoch bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen das Urteil.
Darum gehts
2022 kamen drei junge Männer im Alter zwischen 19 und 22 Jahren bei einem schweren Verkehrsunfall in Niederuzwil ums Leben.
Eine 16-Jährige sowie die Unfallfahrerin (22) wurden teils schwer verletzt.
2023 wurde der Fall vor dem Kreisgericht Wil verhandelt – die Frau wurde zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die 22-Jährige akzeptierte das Urteil nicht und legte Berufung ein.
Am Mittwoch bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen das Urteil.
Somit muss die 22-Jährige vier Jahre ins Gefängnis.
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Kantonsgericht bestätigt Urteil
Am Mittwoch eröffnet das Kantonsgericht St. Gallen schriftlich das Urteil im Fall des Horrorunfalls Niederuzwil.
Die Berufung der Beschuldigten wird abgewiesen; das Kantonsgericht St. Gallen bestätigt somit das Urteil des Kreisgerichts Wil vom Juni 2023.
Somit wird die 22-Jährige der mehrfachen fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen schweren Körperverletzung, der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln und des Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig gesprochen.
Sie wird zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von vier Jahren sowie einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 70 Franken (total 2100 Franken) verurteilt. Weiter muss sie der damals schwer verletzten jungen Frau eine Genugtuung von 12'000 Franken bezahlen.
Zudem muss die Schweizerin die Kosten des Berufungsverfahrens bezahlen – weitere 12'300 Franken.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zusammenfassung
Am Dienstag musste sich eine 22-Jährige erneut vor Gericht verantworten, diesmal vor dem St. Galler Kantonsgericht. 2022 starben bei einem Unfall in Niederuzwil drei junge Männer, eine junge Frau wurde schwer verletzt. Am Steuer sass die 22-Jährige. Auch sie wurde beim Unfall verletzt.
2023 wurde die Schweizerin vom Kreisgericht Wil der mehrfachen fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen schweren Körperverletzung, der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln und des Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig gesprochen.
Sie wurde zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von vier Jahren sowie einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Sie legte gegen das Urteil Berufung ein.
«Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht zurückdenke, dass ich damals meine Kollegen verloren habe. Wenn ich bestimmte Autos sehe, werde ich an meine Freunde erinnert», sagte die Schweizerin vor Gericht mit erstickter Stimme.
An den Unfall selbst könne sich die 22-Jährige nicht mehr erinnern. Damals war sie mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h im Auto unterwegs. «Ich kann mir nicht erklären, weshalb ich so schnell fuhr», so die Frau.
Die 22-Jährige ist gemäss eigener Aussage nicht in Therapie wegen des Unfalls. Die vom Kreisgericht Wil gesprochene Gefängnisstrafe erachtete sie vor dem Kantonsgericht als «schwierig».
«Ich bereue tagtäglich, dass ich in das Auto stieg und losfuhr», sagte sie unter Tränen. Sie denke, es würden sie «bereits genügend Menschen hassen».
Die Anwältin der 22-Jährigen forderte, diese vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Eine Freiheitsstrafe soll nicht länger als 15 Monate sowie bedingt ausgesprochen werden.
Denn die Schweizerin sei nicht nur Beschuldigte, sondern auch Überlebende des Unfalls. «Der Unfall war der tragische Höhepunkt jugendlichen Leichtsinns der gesamten Gruppe», sagte die Anwältin im Plädoyer.
Der Gruppendruck habe laut der Anwältin auf das Verhalten der 22-Jährigen auch eine Rolle an diesem Abend gespielt. «Sie wurde angestachelt mit Sprüchen wie, ‹jetzt bist du an der Reihe, zeig, was du kannst›», so die Verteidigerin. Die Beschuldigte habe sich in der Gruppe beweisen wollen.
«Es waren dumme Entscheidungen von allen Beteiligten», sagte die Anwältin.
«Sie verlor durch den Unfall zwei ihrer besten Freunde», so die Verteidigerin. Zudem sei ihr Freund ums Leben gekommen. Zum Unfallzeitpunkt sei die 22-Jährige von diesem schwanger gewesen.
Die mediale Berichterstattung hätte ihrer Mandantin schwer zugesetzt. «Sie suchten einen Sündenbock für die Öffentlichkeit und fanden ihn in meiner Mandantin», sagte die Anwältin.
Die St. Galler Staatsanwaltschaft beantragte, die Berufung abzuweisen.
«Die Angehörigen der drei jungen Männer haben darauf verzichtet, an der Berufung teilzunehmen», so die Staatsanwältin. Sie hätten jedoch in einem Brief ihr Unverständnis geäussert. «Für die Hinterbliebenen ist es unbegreiflich, dass die Beschuldigte das Urteil des Kreisgerichts Wil nicht akzeptieren kann», sagte die Staatsanwältin. Hätte sie es akzeptiert, wäre es ein Zeichen für die Angehörigen gewesen, dass sie Reue zeige.
«Auch wenn sich die Verstorbenen und Verletzten an diesem Tag leichtsinnig verhalten haben und die Beschuldigte die Gruppe beeindrucken wollte: Einzig die Beschuldigte konnte die Geschwindigkeit kontrollieren und trug die Verantwortung für die Mitfahrenden», so die Staatsanwältin.
Es sei ihre Entscheidung gewesen, an diesem Abend unter Alkoholeinfluss auf 160 km/h zu beschleunigen. «Ungeachtet dessen, dass vier weitere Insassen nicht angeschnallt mit im Auto waren», sagte die Staatsanwältin.
Zum Schluss der Verhandlung äusserte sich die 22-Jährige erneut. «Ich hoffe, dass ich nach dem Abschluss des Verfahrens mit der Familie der Verstorbenen in Kontakt treten kann, ich will mit ihnen über alles reden», sagte die Schweizerin.
Das Urteil erfolgt schriftlich.
Verhandlung beendet
Damit ist die Verhandlung beendet. Ein Urteil erfolgt schriftlich, voraussichtlich am Mittwoch.
Wir danken für die Aufmerksamkeit.
«Ich will mit ihnen über alles reden, das wäre schön»
Die 22-Jährige hat die Gelegenheit für ein Schlusswort. «Ich hoffe, dass ich nach dem Abschluss des Verfahrens mit der Familie der Verstorbenen in Kontakt treten kann, ich will mit ihnen über alles reden, das wäre schön», sagt die Frau abschliessend.
«Einzig Beschuldigte trug die Verantwortung für die Mitfahrenden»
Die Staatsanwältin kommt auf das Argument der Verteidigerin zu sprechen, dass die 22-Jährige unter Gruppendruck handelte und ein gewisser Grad von Selbstverschulden der anderen Personen vorhanden war. «Auch wenn sich die Verstorbenen und Verletzten an diesem Tag leichtsinnig verhalten haben und die Beschuldigte die Gruppe beeindrucken wollte: Einzig die Beschuldigte konnte die Geschwindigkeit kontrollieren und trug die Verantwortung für die Mitfahrenden», so die Staatsanwältin. Es sei ihre Entscheidung gewesen, an diesem Abend unter Alkoholeinfluss auf 160 km/h zu beschleunigen. «Ungeachtet dessen, dass vier weitere Insassen nicht angeschnallt mit im Auto waren», sagt die Staatsanwältin.
In den Akten seien zudem Videomaterial und Bilder vorhanden, die ein schnell fahrendes Auto bereits vor der Unfallstelle zeigten. «Daher fuhr die Beschuldigte nicht erst fünf Sekunden vor dem Unfall mit solch erhöhter Geschwindigkeit», so die Staatsanwältin.
Damit hat die Staatsanwältin ihr Plädoyer beendet.
Angehörige der jungen Männer «tief erschüttert, dass Beschuldigte Urteil nicht akzeptieren kann»
Jetzt hat die Staatsanwältin das Wort. Sie fordert, die Berufung der 22-Jährigen abzuweisen. Zudem soll die Frau die Verfahrenskosten bezahlen.
«Die Angehörigen der drei jungen Männer haben darauf verzichtet, an der Berufung teilzunehmen», so die Staatsanwältin. Sie hätten jedoch in einem Brief ihr Unverständnis geäussert. «Für die Hinterbliebenen ist es unbegreiflich, dass die Beschuldigte das Urteil des Kreisgerichts Wil nicht akzeptieren kann», sagt die Staatsanwältin. Hätte sie es akzeptiert, wäre es ein Zeichen für die Angehörigen gewesen, dass sie Reue zeige.
«So müssen sie aber den unermesslichen Verlust ihrer Kinder hinnehmen und einen Weg finden, damit umzugehen», so die Staatsanwältin. Dass die Beschuldigte die ausgesprochene Strafe nicht akzeptiert habe, habe beide Familien tief erschüttert.
«Sie suchten einen Sündenbock für die Öffentlichkeit»
Die mediale Berichterstattung habe ihrer Mandantin schwer zugesetzt. «Sie suchten einen Sündenbock für die Öffentlichkeit und fanden ihn in meiner Mandantin», so die Verteidigerin. Es sei in der Berichterstattung teilweise «reisserisch» getitelt worden. Die 22-Jährige habe sich während ihrer Spitalzeit nicht mehr frei bewegen können. «Andere Patienten haben sie auf den Unfall angesprochen und sogar beleidigt», so die Anwältin.
Auch Freunde hätten sie auf den Unfall angesprochen, einige hätten sich von ihr abgewandt. «Auch Stellenangebote wurden zurückgezogen», sagt die Verteidigerin. Vor der Gerichtsverhandlung am Kreisgericht Wil im Juni 2023 hätten Medienschaffende die Beschuldigte gar «belagert».
Damit ist das Plädoyer der Anwältin der Schweizerin abgeschlossen.
Verteidigerin fordert weiter bedingte Geldstrafe
Die Anwältin beantragt für die fahrlässige schwere Körperverletzung eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à je 50 Franken. «Von der Vorinstanz (Kreisgericht Wil) wurde nicht argumentiert, weshalb für die fahrlässige schwere Körperverletzung eine Freiheitsstrafe gefordert wurde», sagt die Verteidigerin.
«Sie verlor durch den Unfall zwei ihrer besten Freunde»
«Sie verlor durch den Unfall zwei ihrer besten Freunde», fährt die Verteidigerin fort. Zudem sei ihr Freund, der Vater ihres Kindes, ums Leben gekommen. Zum Unfallzeitpunkt sei die 22-Jährige von diesem schwanger gewesen.
Der Unfall mache der Beschuldigten noch immer zu schaffen. Sie kämpfe mit unglaublichen Selbstvorwürfen. «Sie verlor ihren damaligen Freundeskreis, sie musste ihre damalige Arbeitsstelle wechseln», so die Anwältin. Auch unter der medialen Vorverurteilung leide die Frau. «Sie wurde für ihr Leben lang schon genug bestraft», sagt die Verteidigerin. Eine weitere Strafe sei nicht notwendig, denn es sei ausgeschlossen, dass sie je wieder etwas Ähnliches tun könnte.
22-Jährige müsse Leben lang mit Konsequenzen leben
Die 22-Jährige habe schon von Anfang an kooperiert. «Sie schilderte, wie sich der Unfall ereignete, ohne etwas zu beschönigen», fährt die Anwältin fort. Zudem habe sie Reue gezeigt und sich bei den Angehörigen entschuldigt. «Trotzdem muss sie ihr Leben lang mit den Konsequenzen der verhängnisvollen Nacht leben», so die Verteidigerin.
«Keiner hätte an diesem Abend fahren dürfen»
Es habe sich um eine einzige Handlung gehandelt, die zum Tod von drei jungen Menschen führte. «Es ist nicht so, dass die Beschuldigte die ganze Fahrt über leichtsinnig handelte», sagt die Anwältin. Es sei deshalb nicht zulässig, dass das Kreisgericht Wil 2023 die Freiheitsstrafe pro getöteter Person je um ein Jahr erhöhte.
«Keiner hätte an diesem Abend das Fahrzeug lenken dürfen. Die Beschuldigte war am wenigsten alkoholisiert in der Gruppe und wurde angefeuert, die letzte Fahrt zu tätigen», so die Verteidigerin. Sie habe sich nicht in den Vordergrund gedrängt, um die Fahrt aktiv zu tätigen, habe sich aber aufgrund des Gruppendrucks schliesslich darauf eingelassen. «Sie forderte die Insassen aber auf, sich anzuschnallen. Vielleicht hätte sie vehementer dazu auffordern müssen», sagt die Anwältin. Aufgrund des Zustands der anderen Fahrzeuginsassen sei aber nicht damit zu rechnen gewesen, dass sie auf die Schweizerin gehört hätten.
Fahrt dauerte rund eine Minute
Die Geschwindigkeitsüberschreitung von 110 km/h habe nur wenige Sekunden gedauert, kurz vor dem Unfall. «Die gesamte Fahrt dauerte nur rund eine Minute», sagt die Anwältin weiter. Zudem sei der Unfall ausserorts und nicht in einem belebten Stadtteil passiert. Weitere Personen, ausser den Autoinsassen, seien nicht gefährdet gewesen.
Vier Jahre Gefängnis laut Verteidigerin «massiv überhöht»
Gemäss der Verteidigerin der 22-Jährigen sei die vom Kreisgericht Wil gesprochene Gefängnisstrafe von vier Jahren «massiv überhöht». Es sei damals das gesetzliche Höchststrafmass von sechs Jahren überschritten worden. Schlussendlich habe sich das Gericht für die vier Jahre entschieden, da die Beschuldigte Reue zeigte.
«Hätte sich das Gericht an das Höchststrafmass gehalten, wären nach dem Abzug der strafmildernden Umstände lediglich dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe gesprochen worden», so die Anwältin.
«Dumme Entscheidungen von allen Beteiligten»
Der Gruppendruck habe laut der Anwältin auf das Verhalten der 22-Jährigen auch eine Rolle an diesem Abend gespielt. «Sie wurde angestachelt mit Sprüchen wie, ‹Jetzt bist du an der Reihe, zeig, was du kannst›», so die Verteidigerin. Die Beschuldigte habe sich in der Gruppe beweisen wollen.
«Es waren dumme Entscheidungen, von allen Beteiligten. Es handelte sich um eine einzige Fahrt, eine Fahrt, die fatal endete», sagt die Anwältin. Der jugendliche Leichtsinn aller Beteiligten habe mit zum Unfall beigetragen.
Unfall laut Anwältin «tragischer Höhepunkt jugendlichen Leichtsinns»
«Hierbei handelt es sich nicht um ein klassisches Raserdelikt», beginnt die Verteidigerin ihr Plädoyer. Die Beschuldigte sei nicht für einen besonders rasanten Fahrstil bekannt gewesen. «Der Unfall war ein besonders tragisches Unglück, für alle Beteiligten», sagt die Anwältin.
Denn die 22-Jährige sei nicht nur Beschuldigte, sondern auch Überlebende des Unfalls. «Welche Strafe ist hier angemessen?», fragt die Verteidigerin. Der Sachverhalt dieses Abends sei zusammenfassend beschrieben in der Anklageschrift. «Es geht aber nur um den Unfall, die Begleitumstände sind aber mitzuberücksichtigen», so die Anwältin. Hier zum Beispiel die Gruppendynamik unter den Beteiligten. «Der Unfall war der tragische Höhepunkt jugendlichen Leichtsinns der gesamten Gruppe», fährt die Verteidigerin fort.
Anwältin fordert bedingte Gefängnisstrafe
Es geht weiter. Die Verteidigerin der 22-Jährigen hat das Wort.
Sie fordert, die Schweizerin vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Bei allen anderen Tatbeständen fordert sie einen Schuldspruch. Eine Freiheitsstrafe soll nicht länger als 15 Monate und bei einer Probezeit von zwei Jahren ausgesprochen werden. Eine Geldstrafe soll ebenfalls bedingt ausgesprochen werden.
Pause
Damit ist die Befragung der Beschuldigten abgeschlossen. Es gibt eine Pause von 20 Minuten.
«Sie haben nie mit ihr gesprochen oder sich entschuldigt?»
Jetzt haben die anderen beiden Richter des Kantonsgerichts die Gelegenheit, Fragen zu stellen. «Sie arbeiten in einem sozialen Beruf, wie lässt sich aber mit einem solch rücksichtslosen Verhalten an diesem Abend vereinbaren?», fragt einer der Richter. Sie mache ihren Job gerne und mit Leidenschaft, so die 22-Jährige. «Ich denke, es ist das Richtige für mich.»
Derselbe Richter fragt sie über ihren Alkoholkonsum. «Sie sind an diesem Abend massiv zu schnell gefahren, was durch Ihren Alkoholkonsum verursacht wurde», sagt der Richter. Ob sie öfters zu viel getrunken habe, fragt er. «Es waren vier Bier, nicht viel», sagt die Frau. Dies sei trotzdem über einen Liter Bier, so der Richter weiter. Die Frau wisse, was Alkohol anrichten könne, weshalb sie trotzdem wieder mit dem Konsum begonnen habe, fragt der Richter. «Ich habe eine lange Pause gemacht», sagt die 22-Jährige. Sie habe aber mit dem Alkoholkonsum wieder begonnen, da es sie lockerer und weniger nervös mache. «Jetzt trinke ich weniger als früher.»
Zur damals schwer verletzten jungen Frau hatte die 22-Jährige nie Kontakt gesucht, wie sie sagt. «Sie haben nie mit ihr gesprochen oder sich entschuldigt?», fragt der Richter. Ob sie auch keinen Brief geschrieben habe, fragt er weiter. «Ich werde mich, wenn das alles durch ist, nochmals entschuldigen. Ich will mit allen zusammensitzen und darüber reden», sagt sie aus.
«Ich bereue tagtäglich, dass ich in das Auto stieg und losfuhr»
Das Gericht will von der jungen Frau wissen, was eine vierjährige Gefängnisstrafe für sie bedeuten würde. Hier schweigt sie lange und weint wieder. Sie fordert mit der Berufung eine kürzere Gefängnisstrafe.
«Ich bereue tagtäglich, dass ich in das Auto stieg und losfuhr. Es ist Strafe genug, dass ich meine Kollegen nicht mehr sehen, in den Arm nehmen oder Sachen mit ihnen unternehmen kann», schluchzt sie. Sie denke, es würden sie «bereits genügend Menschen hassen». Sie könne jedoch nichts zur Gefängnisstrafe sagen. «Es ist schwierig.»
22-Jährige ist nicht in Therapie
Der Gerichtsvorsitzende will wissen, ob die junge Frau in Therapie ist wegen des Unfalls. «Als ich bei den Eltern war, ging ich einige Male zu einer Psychotherapeutin, habe aber gemerkt, dass das nichts für mich war», sagt die 22-Jährige.
Seit dem Unfall habe sie keinen Kontakt mehr zu den Verwandten der Unfallopfer oder der heute 18-jährigen Überlebenden. «Ich war auf allen Beerdigungen», sagt sie. Dort habe sie auch die Eltern der Brüder umarmt.
«Wenn das hier alles durch ist, würde ich mir wieder einen Austausch mit ihnen wünschen, um zu wissen, wie es ihnen geht», schluchzt die Schweizerin. Seit der Beerdigung habe sie keinen Kontakt mehr gehabt.
«Ich dachte, die anderen stehen gleich neben mir»
Bei der Autofahrt war die 22-Jährige angeschnallt, wie sie sagt. Auch die damals 16-Jährige soll angeschnallt gewesen sein. Gemäss der Anklageschrift waren alle Mitfahrenden nicht angegurtet.
An den Unfall hat die Schweizerin keine Erinnerungen mehr. «Können Sie sich erklären, warum Sie mit 160 km/h gefahren sind?», fragt der Richter. «Ich kann mir das nicht erklären», so die Frau.
Sie habe erst wieder Erinnerungen nach dem Unfall. Ein Mann habe sie angesprochen. «Ich habe nicht realisiert, was eigentlich genau geschah. Ich dachte, die anderen stehen gleich neben mir», so die 22-Jährige. Sie habe aber später im Spital erfahren, dass die jungen Männer verstorben seien. Hier schluchzt sie laut.
«Ich weiss, ich habe einen Fehler gemacht»
Sie habe Bier und Shots getrunken. «Aber ich fühlte mich nicht fahrunfähig, ich habe nicht geschwankt beim Laufen», sagt die Schweizerin.
«Aber auch wenn sie noch nicht schwanken beim Laufen, sind Sie nicht fahrtauglich», erwidert der Gerichtsvorsitzende. Den Fahrausweis habe sie damals auf Probe gehabt, dort gelte Nulltoleranz. Warum, fragt das Kantonsgericht. «Ich weiss, ich habe einen Fehler gemacht», so die 22-Jährige. Nach dem Unfall wurden 1,03 Promille im Blut der Schweizerin gemessen.
An diesem Abend soll die Frau zu schnell unterwegs gewesen sein, was sie aber bestreitet. Auch heute vor Gericht sagt sie aus, nicht zu schnell gefahren zu sein. «Ich habe ein Auto überholt und war dort etwas zu schnell unterwegs, aber danach nicht mehr», so die 22-Jährige.
«Weiss nur noch, dass ich auf die Hauptstrasse einbog»
Die 22-Jährige beschreibt den Karfreitag 2022, an dem der tödliche Unfall geschah. Bereits einige Tage zuvor hatten sie mit dem Feiern begonnen: «Wir hatten getrunken, die anderen hatten ein Trinkspiel gemacht.» Am Abend des Unfalls seien sie mit dem Auto herumgefahren. «Es war eine Partystimmung im Auto, haben gesungen und Spass gehabt», sagt sie.
Später hätten die Kollegen dann gesagt, sie wollen mit ihr mitfahren. «Wir sind dann ins Auto gestiegen und ich fuhr los. Ich weiss nur noch, dass ich auf die Hauptstrasse einbog, aber ab dann weiss ich nichts mehr», so die 22-Jährige. Ihre Stimme bricht.
Einer der Verstorbenen war ihr Freund
Jetzt fragt sie das Gericht zu ihren Freunden, die damals beim Unfall ums Leben kamen. Zu einem der jungen Männer hatte sie ein engeres Verhältnis. «Wir waren mehr als nur Freunde», sagt sie mit brechender Stimme.
Einen der Brüder habe sie auch gekannt. Dessen Bruder und die damals 16-Jährige habe sie aber an diesem Abend zum ersten Mal gesehen.