ZürichDer Schlafzimmerräuber muss neun Jahre ins Gefängnis
Ein heute 28-jähriger Eritreer drang innert drei Monaten zweimal in ein Mehrfamilienhaus in Zürich-Wollishofen ein, wo er in den Zimmern von zwei dort wohnenden Bewohnerinnen nach Beute Ausschau hielt. Dabei würgte er eine junge Austauschstudentin massiv. Heute Mittwoch steht der Täter vor Gericht.
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Schuldig der versuchten vorsätzlichen Tötung
Das Gericht sprach den Eritreer der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und ordnete eine Landesverweisung von zehn Jahren an. Vom Vorwurf des versuchten Raubes wurde er freigesprochen. Er muss dem Opfer eine Genugtuung von 45’000 Franken bezahlen.
Für das Gericht ist nicht bekannt, warum er zweimal in die gleiche Wohngemeinschaft im Nebenhaus eingebrochen war. «Man kann nur spekulieren», sagte der Richter. Es könnte sich um Sex gehandelt haben, eine Machtdemonstration oder Probleme mit Frauen. Hinweise auf eine Bereicherung gebe es nicht, betonte der Richter. «Er suchte nichts und nahm nichts mit. Er übte nur übertriebene Gewalt aus.» Deshalb gab es einen Freispruch vom Vorwurf des versuchten Raubes.
Es habe sich um eine versuchte vorsätzliche Tötung gehandelt. «Der Beschuldigte nahm den Tod des Opfers in Kauf», sagte der vorsitzende Richter. Es habe sich um einen eigentlichen Lebenskampf der jungen Frau gehandelt.
Mit der Urteilsverkündigung am Mittwochabend ist der eintägige Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich beendet worden.
Urteil wird um 18.30 Uhr gefällt
Nach dem Plädoyer des Anwaltes ist der Prozess vorerst beendet. Das Gericht zieht sich zur Urteilsberatung zurück. Das Urteil ist auf 18.30 Uhr vorgesehen.
Verteidiger spricht von instinktiver Notwehr
Der Verteidiger verlangt wegen versuchten Diebstahls, Tätlichkeit und Hausfriedensbruchs eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Sein Mandant soll aus dem Gefängnis entlassen werden, da er schon seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt. Der Beschuldigte habe Geld gebraucht, da die Sozialhilfe nicht reichte. «Die Ausführung der Tat war zwar gewaltsam, aber nicht skrupellos», argumentierte der Anwalt. Das Opfer sei nicht widerstandsunfähig gewesen und habe sich wehren können. «Deshalb entfällt der Vorwurf des Raubs und des versuchten Mordes.» Sein Mandant sei erschrocken, als er im Zimmer eine Person bemerkte. «Es war eine Affekthandlung, eine instinktive Notwehr.»
Weiter fordert der Verteidiger einen Verzicht auf die Landesverweisung. Nach Eritrea sei nur eine freiwillige Rückkehr möglich. Sein Mandant lebe seit fast zehn Jahren in der Schweiz und sei gut integriert. Er habe nur einen einzigen Fehltritt mit der Vorstrafe zu verzeichnen. Er lebte bis zu seiner Verhaftung in einer christlichen Wohngemeinschaft.
«Du hast mir alles genommen»
In einem emotionalen Schlusswort und unter Tränen wandte sich die Austauschstudentin, die mit ihren Eltern am Prozess anwesend war, in englischer Sprache zum Beschuldigten: «Du hast mir alles genommen, mein Leben wird nie mehr so wie früher sein.» Seine Entschuldigungsworte, welche er in der Untersuchung über den Verteidiger ausrichten liess, seien nur leere Worte. «Ich habe wegen dir das Vertrauen in die Leute verloren.» Sie sei nach Zürich gekommen, um hier zu studieren und glücklich gewesen. Das sei vorbei. «Der Alptraum verfolgt mich Tag und Nacht. Nichts bringt mir Frieden.» Sie fühle sich wie vom Leben weggerissen. «Ich sterbe unzählige Male am gleichen Tag.» Wenn sie nachts schlafe, fühle sie seinen Körper auf ihr. Und zornig sagte sie am Ende ihres Votums: «Du wirst mich nie mehr berühren und nie mehr sehen», während der Beschuldigte betroffen zu Boden sah.
«Seine Tat war sinnlos, hinterhältig und grausam»
Die Anwältin der damals 20-jährigen Austauschstudentin an der ETH spricht von einem Albtraum, was ihre Mandantin erlitten hat: «Seine Tat war sinnlos, hinterhältig und grausam.» Der Mann habe mit völlig übertriebener Gewalt gehandelt. «Er hat keinerlei Reue gezeigt und sich immer als Opfer gesehen», sagte die Juristin. Der Beschuldigte habe in der Untersuchung gesagt, dass er sie nur berührt und sie ihn angegriffen und gebissen habe. Die Anwältin verlangt eine Genugtuung von 50’000 Franken und 35’000 Franken Schadenersatz.
Weiter sagte die Anwältin, dass das Opfer schon fünf Zahnbehandlungen machen musste, weitere Eingriffe stehen bevor. Die Studentin hat zwei Schneidezähne verloren, als der Täter seine Hand aus ihrem Mund riss, nachdem sie ihn gebissen hatte. Zudem befindet sie sich in psychologischer Behandlung. Sie hat eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, als sie sich Todesgefahr wähnte.
Staatsanwalt forderte 13 Jahre
Der Staatsanwalt verlangt wegen versuchten Mordes und versuchten Raubes eine unbedingte Freiheitsstrafe von 13 Jahren und eine Landesverweisung von zwölf Jahren. Der Sachverhalt sei aufgrund der DNA-Spuren und den Bisswunden an der linken Hand des Beschuldigten bewiesen. «Er hat in zwei Nächten das Sicherheitsgefühl von zwei jungen Frauen massiv beschädigt.» Das zweite Opfer, die Austauschstudentin, habe sich bei der Würgeattacke in Lebensgefahr befunden. «Er hat die Konfrontation und ihren Tod bewusst in Kauf genommen», sagte der Staatsanwalt.
Für den Staatsanwalt kommt ein sexuelles Motiv ebenfalls infrage, nur habe man dies nicht beweisen können. So habe schon eine Vormieterin der WG sich beobachtet gefühlt und von einem dunkelhäutigen Spanner aus dem Nachbarhaus erzählt. Zudem sei der Beschuldigte im Juni 2022 wegen versuchter Nötigung straffällig geworden. Er hat einer Frau gedroht, die keine Beziehung mit ihm eingehen wollte.
Das Gericht macht bis 13.30 Uhr eine Mittagspause.
Richter: «Stehlen war nicht der Grund»
Der Richter wies ihn darauf hin, dass er von seiner Wohnung im Nachbarhaus auf die Zimmer der beiden jungen Frauen sehen konnte und sagte: «Es ist nicht plausibel, dass Stehlen der Grund war.» Das stimme nicht, antwortete der Beschuldigte. Er habe nur nach Geld suchen wollen und keine anderen Absichten gehabt.
Als der Richter sagte, dass das zweite Opfer – eine Austauschstudentin – nach der massiven Würgeattacke schwer traumatisiert sei, antwortete der Eritreer: «Ich kann es gut verstehen, mir geht es auch nicht gut.»
Laut dem Gerichtspsychiater besteht ein erhebliches bis moderates Rückfallrisiko für Gewaltdelikte. «Ich war damals in einer schwierigen Lage und habe dringend Geld gebraucht» antwortete er nur. Ob er bereit wäre, eine Therapie zu machen, fragte der Richter. «Nur wenn man mir hilft, die Stimmen im Kopf weg zu bekommen», lautete die Antwort des Beschuldigten.
Eine Ausschaffung in sein Heimatland wäre eine Katastrophe. «Dann würde man mich erschiessen», sagte er. Er sei wegen Kriegsdienstverweigerung geflohen und möchte hier bleiben.
Damit ist die Befragung des Beschuldigten beendet und das Gericht macht eine kurze Pause. Dann wird der Staatsanwalt sein Plädoyer halten.
«Ich brauchte unbedingt Geld»
«Ich brauchte unbedingt Geld», begründete er den ersten Raubüberfall. Das Fenster sei offen gewesen, darum habe er die Gelegenheit wahrgenommen. Er habe nicht damit gerechnet, dass jemand im Zimmer sei. Der Richter wies ihn darauf hin, dass es eher so aussehe, dass er in das Zimmer eingedrungen war, weil eine junge Frau dort schlief. Er habe sie mit dem Handy angeleuchtet und angestarrt, sodass sie erwachte. Danach habe er sie auf die Matratze gedrückt. «Nein, stimmt nicht», antwortete er.
Auch bezüglich des zweiten Vorfalls verneinte er, gezielt in ein Zimmer einer schlafenden Frau eingebrochen zu sein. Er habe sie nur berührt, weil sie laut schrie. «Ich bin selbst erschrocken und wollte, dass sie mit dem Schreien aufhört.» Er habe sie aber nicht gewürgt, betonte er.
«Ich habe psychische Probleme und höre Stimmen»
Am Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich vom Mittwoch ist der Mann wegen versuchten Mordes und versuchten Raubes angeklagt. Er ist grundsätzlich geständig. Der Eritreer war zwei Stunden nach dem zweiten Überfall von der Polizei verhaftet worden – er lebte in einer Wohngemeinschaft in einem Nachbarhaus. Er ist 2014 als Flüchtling in die Schweiz gekommen, weil er in seinem Heimatland nicht in den Militärdienst wollte. Sein Asylgesuch wurde in der Schweiz abgewiesen, er hat den Status als vorläufig Aufgenommener und lebt von der Sozialhilfe.
Er ist wegen versuchter Nötigung vorbestraft. Eine Lehre als Schreiner hat er abgebrochen – gemäss seinen Aussagen, weil er diskriminiert wurde, laut dem Richter aber wegen mangelnder Arbeitsleistung. Gefragt, wie es ihm gehe, antwortete er: «Schlecht, ich habe psychische Probleme und höre Stimmen.»
Die Tat geschah im Oktober 2022
Ein heute 28-jähriger Eritreer drang in der frühen Morgenstunde im Oktober 2022 durch ein Badezimmer in eine WG in einem Mehrfamilienhaus in Zürich-Wollishofen ein. Im Zimmer einer schlafenden jungen Austauschstudentin hielt er nach Beute Ausschau.
Als diese erwachte, stürzte er sich auf sie und begann sie heftig mit den Händen und dem Kissen zu würgen. Der Frau gelang es in der Folge, ihm in die Hand zu beissen, sodass er den Druck lockern musste. Als er die Hand von ihrem Mund wegzerrte, riss er zwei der unteren Schneidezähne samt Wurzel mit aus. Dann floh er aus dem Fenster, wobei das Opfer auf ihn einschlug und zu Hilfe schrie.
Schon drei Monate zuvor hatte er im gleichen Haus in der gleichen WG einen ähnlichen Raubüberfall verübt, wobei er aber von der anwesenden Frau in die Flucht geschlagen werden konnte.