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Chaos in Bolivien
12. November 2019 18:43; Akt: 12.11.2019 18:43 Print
Morales schlief während der Flucht auf dem Boden
Plünderungen, marodierende Banden: Nach dem Rücktritt des Präsidenten Evo Morales droht Bolivien ins Chaos zu versinken. Wie es zu dieser Situation kam.
Bolivien steht seit Sonntag ohne Regierung da. Auf Druck des Militärs war Präsident Evo Morales nur drei Wochen nach seiner umstrittenen Wiederwahl zurückgetreten. Am Montag und Dienstag zogen aufgebrachte Anhänger von Morales durch die Strassen des Regierungssitzes La Paz und der Schwesterstadt El Alto. Medienberichten zufolge plünderten sie Geschäfte und legten Feuer. In einigen Viertel errichteten die Bewohner Barrikaden, um sich gegen die Plünderer zu schützen.
Evo Morales, der erste indigene Präsident Boliviens, hatte sich nach der Abstimmung am 20. Oktober zum Sieger erklärt. Seine Gegner warfen ihm jedoch Wahlbetrug vor. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellte in einem vorläufigen Bericht Manipulationen bei der Präsidentenwahl fest und empfahl eine Annullierung. Daraufhin kündigte Morales zunächst eine Neuwahl an, am Ende gab er aber dem wachsenden Druck von Militär und Polizei nach. Morales und seine Verbündeten in der Region sprechen von einem Putsch.
Morales hatte dem Armenhaus Südamerikas eine lange Zeit der politischen Stabilität und der wirtschaftlichen Entwicklung beschert. Er sorgte dafür, dass die satten Gewinne aus der Gas- und Lithium-Förderung grösstenteils im Land blieben und auch der indigenen Bevölkerungsmehrheit zugute kamen.
Der neue starke Mann in Bolivien heisst Luis Fernando Camacho Vaca, ein 40-jähriger Anwalt, Vater dreier Kinder, den die Leute «El Macho» nennen. Camacho stammt aus einer wohlhabenden Familie aus Santa Cruz, die das Grossunternehmen Grupo Empresarial de Inversiones Nacional Vida S.A. besitzt. Der Konzern ist vor allem in den Bereichen Versicherungen und Gas tätig. Laut «Nodal» gibt es Hinweise darauf, dass die erbitterte Opposition der Camachos gegen die Politik von Evo Morales im Zusammenhang mit riesigen Verlusten im Gas-Geschäft steht.
Im Alter von 23 Jahren trat der tief religiöse Camacho der Gruppierung Unión Cruceñista Civil bei, eine rechte Organisation, die von der Internationalen Föderation der Menschenrechte (FIDH) als paramilitärisch und rassistisch bezeichnet wird. Camacho ist auch Mitglied des Ordens Ritter des Orients, einer ultrakonservativen Loge. Ideologisch steht Camacho dem rechtsgerichteten Präsidenten Brasiliens Jair Bolsonaro sehr nahe.
Morales machte sich am Montagabend auf den Weg ins Exil nach Mexiko, wo er am Dienstagabend ankam.
BREAKING: Bolivian President Evo Morales touches down in Mexico where he's been granted political asylum following Sunday's right-wing coup. Evo is accompanied by Vice President Alvaro Garcia Linera, and cordially received by Mexican FM @m_ebrard. @teleSURenglish pic.twitter.com/kWygdpVoKw
— Camila (@camilateleSUR) November 12, 2019
«Es schmerzt mich, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde mich immer kümmern. Bald komme ich mit mehr Kraft und Energie zurück», hatte Morales am Montag auf Twitter geschrieben. Wie die Zeitung «Pagina 12» berichtet, sprachen sich der designierte argentinische Präsident Alberto Fernandez mit den Präsidenten Perus Martín Vizcarra und den Präsidenten Paraguays Mario Abdo und den mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador ab, um Morales bei der Flucht nach Mexiko zu unterstützen. Dort wurde dem Bolivianer aus humanitären Gründen Asyl gewährt.
(kle)