Die Initianten der Trinkwasser-Initiative und der Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» träumen von einer pestizidfreien Landwirtschaft. Davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Über 1300 Tonnen Pflanzenschutzmittel kommen aktuell pro Jahr für Grünland, den Ackerbau und Spezialkulturen zum Einsatz.
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Eine neue Analyse des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL zeigt: Würden sämtliche Bauern auf eine vollständig biologische Landwirtschaft umsteigen, würden im Grünland keine Pflanzenschutzmittel mehr eingesetzt, da sich die 46 Tonnen Pflanzenschutzmittel ausschliesslich aus Herbiziden zusammensetzen. Im Ackerbau gäbe es eine Einsparung von 480 Tonnen Pflanzenschutzmittel (98,5 Prozent) und in den Spezialkulturen Obst-, Wein-, Gemüsebau und Kartoffeln von 150 Tonnen (20 Prozent) Pflanzenschutzmittel.
Besonders klein ist die Einsparung in Spezialkulturen, weil dort Krankheiten und Schädlinge grösstenteils jetzt schon mit natürlichen Produkten kontrolliert werden. Total entspräche die Einsparung fast 600 Tonnen Pestiziden.
«Wegkommen von Monokulturen»
«Die Praxis und die Forschung im Biolandbau zeigen, dass man ohne Weiteres Herbizide mit modernsten Geräten, Mischkulturen und Bodenbedeckungen vollständig ersetzen kann», lautet das Fazit der FiBL-Forscher. Auch sehen sie im Einsatz von Insekten und Viren sowie Pflanzenextrakten oder natürlichen Materialien wie Tonerden und Milchextrakten im Kampf gegen Schadenerreger ein grosses Potenzial.
«Um den Weg für eine Zukunft ohne Pestizide freizumachen, muss die Schweizer Landwirtschaft einen viel grösseren Schwerpunkt auf resistente Obst- und Gemüsesorten setzen», sagt Monika Messmer, Pflanzenzüchterin beim FiBL. Die Bauern müssten von Monokulturen wegkommen. «Nur in Monokulturen können sich Schädlinge epidemieartig ausbreiten.»
Pastinaken und Steckrüben
Laut Messmer braucht es stattdessen Mischkulturen mit Pflanzen, die gut ohne Pflanzenschutzmittel überleben. «Die beliebten, aber für Krankheitserreger sehr anfälligen Gala-Äpfel müssten robusteren Sorten weichen, die geschmacklich ebenso gut sind.» Eine weitere Lösung zur Förderung der Biodiversität sehen die Forscher im Anbau von älteren Gemüse- und Früchtesorten.
Dazu zählt Messmer die Förderung der Pastinake, Haferwurzel, Steckrübe, schwarzen Johannisbeere und des Weinbergpfirsichs. «Um ohne Pestizide auszukommen, müsste die Schweiz viel mehr in eigene Züchtungsprogramme für ökologische Anbausysteme investieren.»
FiBL-Direktor Urs Niggli sieht die Zukunft in vielfältigen Anbausystemen und im biologischen Pflanzenschutz. «Das bedingt eine sehr lange Umstellungszeit, in der sich die Bauern neu orientieren und Investitionen wie zum Beispiel Maschinen für die mechanische Unkrautbekämpfung tätigen.» Dazu bräuchten sie die Unterstützung des Bundes.
«Klar ein Gewinn für die Zukunft»
Agrarfachleute sehen in der pestizidfreien Landwirtschaft grosses Potenzial. «Der Anbau ohne Pestizide wäre für die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft klar ein Gewinn», sagt Andreas Bosshard, Geschäftsleiter der Denkwerkstatt Vision Landwirtschaft. Wie eine neue Studie zeige, könne mit einer Einkommenszunahme der Bauernfamilien von bis zu 34 Prozent gerechnet werden. «Für die pestizidfreien Produkte können sie bessere Preise lösen.»
Zudem sparen sich die Bauernhöfe laut Bosshard die hohen Kosten für Pestizide und andere Hilfsstoffe. Nicht zuletzt profitiere auch die Versorgungssicherheit, zumal die Landwirtschaft durch die Importe von Pestiziden und enormen Mengen an Futtermitteln heute stark vom Ausland abhängig sei. «Da ohne den Einsatz von Pestiziden mehr Handarbeit anfällt, gibt es zudem mehr Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.»
Bauernpräsident warnt vor höheren Preisen
Unvorstellbar sind die Szenarien für Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbands. «Die Annahme beider Initiativen hätte ein grosses Bauernsterben, massiv zunehmende Lebensmittelimporte und 20 bis 40 Prozent höhere Konsumentenpreise zur Folge», sagt er. Der Anbau vieler Kulturen ohne Pflanzenschutzmittel sei illusorisch. «Wichtig ist, dass wir die die Aktionspläne des Bundes konsequent umsetzen und uns die Forschung beim Anbau von resistenten Sorten unterstützt.»
Ritter verweist darauf, dass mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundes die Mengen und Risiken von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert würden. Im Rahmen der Agrarpolitik ab 2022 ist ein zusätzliches Massnahmenpaket in diesem Bereich vorgesehen.
Ausland
Kürzlich kam in der ARD ein Beitrag über den Obst- und Gemüseanbau in Spanien und Italien. Es ist schrecklich zusehen wie diese Arbeiter ausgenommen werden, wie sie ohne Schutzkleider Pestizide spritzen. Und diese Lebensmittel kommen dann zu uns. Wollt ihr das wirklich Essen? Denkt ihr das dort keine giftigen Rückstände vorhanden sind? Aber wo und wie produziert wird ist den Leuten egal solange es nicht in der Schweiz ist. Und die SBB spritzt seit Jahrzehnten das Unkraut mit Glyphosat. Wieviele Tonnen das im ganzen Streckennetz das wohl sind...? Aber okay gebt nur den Bauern die Schuld.
Die Verantwortung der Konsumenten
Ich möchte daran erinnern, dass vor nicht langer Zeit die Schweizer Bevölkerung 2 Initiativen bachab geschickt hat, die einen Umbau zu einer wirklich ökologischen Landwirtschaft erwirkt hätten. Auch kann es nicht sein, dass immer die Bauern für alles verantwortlich gemacht werden; die Konsumenten haben ihren Teil Schuld an der Misere, da viele nicht bereit sind, den Preis für die Mehrkosten des "Bio" zu bezahlen.
Wie bitte?
Welche 2 Iniativen für wirklich ökologische Landwirtschaft wurde bachab geschickt?! Bitte aufklären. Dass die "Bauern immer für alles verantwortlich gemacht werden" ist jedoch grossartige Ironie. Es gibt keine einzige Berufsgruppe in der Schweiz, welche so wenig Eigenverantwortung zeigt. Die Biodiversität ist auf dem Land mittlerweile kleiner als in der Stadt! Weil die Bauern die Natur so miserabel behandeln. Das ist ein undiskutabler Fakt. Ich sehe also nicht annähernd Verantwortung seitens der Bauern, obwohl wir mit bis zu 20 Milliarden pro Jahr alles sehr, sehr, sehr teuer subventionieren!
Egoistisch bis zum abwinken
Wers glaubt. Erst wird die Produktionsmenge sinken, dann wird entsprechend aus dem Auslang importiert und dort widerum ist Gift im Einsatz. Unter dem Strich wirds also kaum besser. Hier natürlich schon, nur nicht anderswo.
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Macht einfach mal vorwärts WENN es was gutes ist! nicht wie die EUturbos zb".
Leider
heißt Agrowirtschaft produzieren und Normrüebli, Einheitsgurken und pausbackige Glanzprospektfrüchte produzieren, weil sonst die Einkäufer wieder Angst haben, dass die Kunden die angebliche Ware 2. Klasse nicht kaufen würden. Das Problem sind nicht die Landwirte und Produzenten, sondern die Gesellschaft die das so will.
Weg mit den Normen, Natur ist gefragt
@Analyst Die Gesellschaft muss nehmen was ihr angeboten wird. Die Normen und Richtlinien kommen nicht von der Gesellschaft es heisst einfach immer nur "der Kunde will es so". Billigere Ausreden gibt es nicht.
@Eveline
In meiner Ausbildung auf einem Bio Betrieb der auf dem Markt Obst verkauft, gab es immer wieder Szenen wo der Kunde den Preis feilschte... Da der nicht so schön ist wie im Coop, Micros ect...