Geraubte Freizeit1. Mai am Sonntag – Schweiz soll den verpassten Feiertag nachholen können
Schon wieder fällt der 1. Mai auf ein Wochenende – und damit für viele ein freier Tag ins Wasser. Nun gibt es Forderungen, dass wir ihn nachholen können. Doch der Bundesrat winkt ab.
- von
- Marcel Urech
Darum gehts
Da der 1. Mai dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, profitieren viele nicht vom zusätzlichen freien Tag.
Nun fordern Gewerkschaften, dass man Feiertage, die auf einen Samstag oder Sonntag fallen, nachholen darf.
Zwei Politikerinnen wollen zudem, dass der 1. Mai in der ganzen Schweiz zum gesetzlichen Feiertag wird.
Der Bundesrat und die SVP winken allerdings ab.
Die Arbeit ruhen lassen, abschalten und Freunde treffen: So geniessen viele Schweizerinnen und Schweizer die Feiertage. Fallen diese allerdings auf ein Wochenende, profitieren viele nicht, da sie eh schon frei haben. Wäre es da nicht sinnvoll, in diesem Fall zusätzliche freie Tage als Kompensation zu erhalten?
So machen es weltweit 85 Länder, darunter Belgien, Luxemburg und England. Auch in Irland, Spanien, Australien und Thailand kriegt man zusätzliche freie Tage, wenn Feiertage auf das Wochenende fallen. In der Schweiz ist das 2022 gleich mehrmals der Fall: An Weihnachten, Neujahr und am 1. Mai, dem Tag der Arbeit.
Forderung nach Kompensationstagen
«Wir fordern, dass Feiertage, die auf einen arbeitsfreien Samstag oder Sonntag fallen, nachgewährt werden müssen», sagt Mandy Zeckra, die Vizepräsidentin der Gewerkschaft Syna. Fällt der 1. Januar, der 1. August oder der Weihnachtstag bei Syna auf ein Wochenende, erhalten die Mitarbeitenden darum eine Zeitgutschrift.
Auch Luca Cirigliano vom Schweizerischer Gewerkschaftsbund fände das sinnvoll. Denn die Arbeitstage seien anstrengend und die freien Tage dienten auch der Erholung und dem Zusammensein. Die Gewerkschaft Unia sagt, dass sie sich in Gesamtarbeitsverträgen für eine Mindestanzahl an arbeitsfreien Freitagen einsetze – «damit auch in Jahren, in denen die Feiertage auf Sonntage fallen, die üblichen zusätzlichen freien Tage bezogen werden können.»
Bundesrat winkt ab
Auch Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) befasst sich mit dem Thema. Sie fragte Bundesrat Guy Parmelin im März 2021 im Nationalrat, ob die Schweiz die Feiertage nicht kompensieren solle – und biss auf Granit. Nein, antwortete der Wirtschaftsminister: Der Bundesrat werde das Arbeitsgesetz deswegen nicht ändern.
Nun doppelt Arslan nach: Wenigstens der 1. Mai (siehe Box) soll in der ganzen Schweiz ein gesetzlicher Feiertag sein, fordert sie auf Anfrage. Denn der Tag der Arbeit erinnere daran, dass die Wirtschaft ohne die Arbeitnehmenden nicht funktioniere, und dass es keine gute Idee sei, diese «blind ins Hamsterrad zu werfen».
Darum haben am 1. Mai nicht alle frei
Der 1. Mai ist in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Zürich ein offizieller Feiertag. Im Aargau und Solothurn arbeitet man oft nur bis zum Mittag. Diese Kantone hatten schon früh eine starke Industrie und Gewerkschaften, die für den Feiertag kämpften. Sie fordern am 1. Mai unter anderem Vollbeschäftigung, bessere Löhne und eine sozialere Altersvorsorge.
Und den Arbeitgebenden tue es gut, sich mit der Rolle der Arbeitnehmenden auseinanderzusetzen und diese wertzuschätzen, sagt Arslan. Auch Katharina Prelicz-Huber (Grüne) sagt im Gespräch mit der Redaktion, dass sie sich wünsche, dass der 1. Mai zum nationalen Feiertag für alle wird.
«Wir haben gerade andere Probleme»
Barbara Steinemann von der SVP hält nichts von dieser Idee. Das sei ein Luxusproblem, sagt die Nationalrätin auf Anfrage. Dass die Forderung aus der «linken Ecke» komme, überrasche nicht: «Es gibt Leute, die immer einen Grund suchen, um nicht zu arbeiten.» Stattdessen sollte sich die Schweiz überlegen, den freien Tag gleich ganz abzuschaffen, sagt Steinemann. Der Tag heisse ja schliesslich auch Tag der Arbeit.
SVP-Nationalrat Thomas Aeschi sieht das auf Anfrage ähnlich: «Im Kanton Zug arbeiten wir am 1. Mai, weil es hier gar kein Feiertag ist.» Und Elisabeth Schneider-Schneiter von Die Mitte sagt: «Wir haben gerade andere Probleme.» Etwa den Ukraine-Krieg, der auch die Schweiz vor Herausforderungen stelle. Ihr Parteikollege Leo Müller will den 1. Mai ebenfalls nicht kompensieren – weil man es dann für alle Feiertage so machen müsste.