Schweizer in Kiew«100'000 sind friedlich und nur wenige radikal»
Viele Ukrainer sind empört und fordern den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch. Der Exil-Schweizer Peter Bütler glaubt aber nicht, dass es so weit kommen wird.
- von
- vro
In der ukrainischen Hauptstadt herrscht Ausnahmezustand: Hunderttausende Demonstranten bekunden ihren Unmut über die Regierung, Oppositionelle belagern den Regierungssitz. Laut dem Schweizer Peter Bütler (58), der seit acht Jahren in Kiew lebt und eine eigene Firma betreibt, sind die meisten Demonstranten aber friedlich.
Herr Bütler, sind sie auch auf die Strasse gegangen?
Peter Bütler: Nein, ich bleibe neutral, beobachte die Situation aber sehr genau. Aktiv bin ich nicht, dies ist Sache der Ukrainer. Hier in meinem Quartier ist auch alles friedlich und ruhig. Die Demonstranten sind ja im Zentrum der Stadt. Aber ich habe ukrainische Freunde, die an den Demonstrationen teilgenommen haben.
Laut jüngsten Berichten gab es am Sonntag bei Ausschreitungen 160 Verletzte...
Das kann schon sein. Bei den Demonstranten handelt es sich aber nicht um 100'000 Radikale. Das ist wie beim «Tanz dich frei» in Bern, wo die Mehrheit friedlich protestiert und ein paar wenige Gewalt anwenden. Es reisen immer noch Tausende aus dem ganzen Land in die Stadt, ihre Absichten sind aber grösstenteils friedlich. Sie feiern eigentlich ein grosses Volksfest.
Was fordern die Leute?
Vor allem die Jungen wollen einen Umbruch, mehr Demokratie, einen Weg nach Europa. Die Zick-Zack-Führung der Regierung macht die Leute wütend. Das ukrainische Volk wird nicht wahrgenommen. Die Leute gehen auf die Strasse, um sich zu zeigen.
Wird Janukowitsch seinen Rücktritt bekannt geben?
Ich glaube nicht, dass er zurücktreten wird. Meiner Meinung nach ist er sehr gut vernetzt und hat sich ein Imperium aufgebaut, das nicht so einfach zu kippen ist. Ich persönlich denke, dass die Sache bald versanden wird. 2015 gibt es dann neue Wahlen.
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Getragen von Massenprotesten will die Opposition in der Ukraine mit einem Misstrauensvotum die pro-russische Regierung stürzen.
Vor der Parlamentsabstimmung am Dienstag rief Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko zu einem Machtwechsel auf.
Zehntausende Anhänger der westlich orientierten Bewegung erhöhten mit Strassenblockaden in Kiew den Druck auf die Führung um Präsident Viktor Janukowitsch.
«Wir wollen nicht nur irgendwelche Minister auswechseln, sondern das politische System ändern», sagte Klitschko. Besonders Regierungschef Nikolai Asarow steht in der Kritik.
Dem Vertrauten von Präsident Janukowitsch droht am Dienstag bei einer Vertrauensabstimmung im Parlament die Abwahl. Derzeit sind die Machtverhältnisse im Parlament unklar. Die Opposition war bislang zersplittert. Entscheidend dürfte sein, wie die Fraktion der Kommunisten abstimmt.
Ein Ausschuss des Parlaments empfahl den Abgeordneten, für Asarows Ablösung zu stimmen. Die regierende Partei der Regionen zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Opposition nicht genügend Stimmen dafür sammeln werde. (SDA)