Betroffene erzählt 15-Jährige mutmasslich vergewaltigt – «die Bilder lassen mich nicht los»
Ein eigentlich enger Freund soll eine damals 15-Jährige vergewaltigt haben. Jetzt spricht die Betroffene, um das Thema zu enttabuisieren.
- von
- Michelle Ineichen
Darum gehts
Die heute 16-jährige L.* dachte eigentlich, er sei ein enger Freund von ihr. Doch vor über einem Jahr soll er sie vergewaltigt haben. «Ich lernte ihn in einer Klinik kennen, in der wir beide aufgrund von psychischen Erkrankungen in Behandlung waren», erzählt sie.
L. leide seit ihrer Kindheit an Depressionen, der damals 19-jährige mutmassliche Vergewaltiger soll aufgrund einer psychotischen Störung in der Klinik gewesen sein. «Wir wurden schnell enge Freunde, gaben einander Halt», so L.
Im Sommer 2021 sei die damals 15-jährige L. nach einem sechsmonatigen Aufenthalt aus der Klinik entlassen worden. Kurz darauf habe sie ihren engen Freund zum ersten Mal ausserhalb der medizinischen Einrichtung gesehen. Die beiden hätten sich an einem Bahnhof getroffen, wo er ihr Benzodiazepine, ein verschreibungspflichtiges Medikament, das als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt wird, anbot. «Ich nahm die Tabletten, von Sex war jedoch nicht Rede», sagt L.
«Ich brauchte Zeit, um offen darüber reden zu können»
Im Anschluss habe er sie zusammen mit zwei von seinen Freunden spontan in eine Wohnung eingeladen. Sie habe sich nicht viel dabei gedacht und habe sich gefreut, neue Leute kennen zu lernen. «Das nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, dass er mich in einem Schlafzimmer vergewaltigte», erzählt die 16-Jährige.
L. habe sich zunächst in einer Schockstarre befunden. «Als ich mich aus der Starre lösen konnte, bewegte ich mich jedoch weiterhin nicht, da ich Angst hatte, dass er mir dann noch Schlimmeres antut.» Kurz darauf soll sie aufgrund der Drogen wieder das Bewusstsein verloren haben. Ob die zwei Freunde von ihm den sexuellen Übergriff bemerkten, wisse L. nicht.
Ihren Freunden habe sie die Einzelheiten der mutmasslichen Vergewaltigung erst Monate später erzählt. «Ich brauchte Zeit, um offen darüber reden zu können», sagt L. Als sie den mutmasslichen Täter im Nachhinein konfrontierte, habe er ihr gesagt, dass sie überreagiere. Danach habe L. den Kontakt zu ihm abgebrochen.
«Die Bilder lassen mich nicht los»
Die 16-Jährige befinde sich nun in Therapie: «Ich leide unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung», sagt L. Mit der Zeit seien immer mehr Erinnerungen des sexuellen Übergriffs zurückgekehrt. «Die Bilder lassen mich nicht los.»
Im Januar 2023 reichte sie schliesslich eine Anzeige ein: «Es kann nicht sein, dass er straffrei davonkommt.» Mit ihrer Geschichte will L. weiteren Betroffenen Mut machen: «Über Vergewaltigungen zu reden, muss enttabuisiert werden, damit sich Betroffene nicht alleine fühlen und Hilfe holen.»
Bei der zuständigen Kantonspolizei bestätigt man den Eingang einer Anzeige.
*Name der Redaktion bekannt
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen