15 Jahre Dr. Sex«Manche meinten, ich lande in der Hölle – andere bedankten sich»
15 Jahre lang hat Bruno Wermuth als Doktor Sex die Leserinnen und Leser von 20 Minuten beraten, aufgeklärt und unterstützt. Heute erscheint seine letzte Beratung.
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Darum gehts
Bruno Wermuth hat 15 Jahre lang als Doktor Sex die Fragen der Leserschaft beantwortet.
Nun ist seine letzte Beratung erschienen.
Bruno Wermuth verlässt 20 Minuten, um sich stärker seiner Tätigkeit als Einzel-, Paar- und Sexualberater zu widmen.
Im Interview spricht der Paartherapeut darüber, was sich in dieser Zeit verändert hat.
Als «Doktor Sex» beantwortete Paar- und Sexualtherapeut Bruno Wermuth die letzten 15 Jahre Fragen zu den Themen Beziehung, Liebe und Sexualität und prägte damit eine ganze Generation. Im grossen Abschiedsinterview spricht er darüber, wie sich die Themen die letzten Jahre verändert haben, ob er denkt, dass junge Menschen heute besser aufgeklärt sind, und welche Anfragen ihm besonders in Erinnerung geblieben sind.
Bruno, du hast 15 Jahre lang die Fragen der Leserschaft beantwortet. Was hat sich in dieser Zeit am meisten verändert?
Am Anfang erhielt ich vor allem Aufklärungsfragen: Wie kann ich eine Schwangerschaft verhindern, was passiert beim ersten Mal oder wie geht Sex. Im Gegensatz zu heute waren HIV und sexuell übertragbare Krankheiten ein grösseres Thema. Aber ich bekam auch immer wieder Anfragen von Eltern, die wissen wollten, wie sie ihre Kinder am besten aufklären. Das ist heute weniger der Fall. Heute erhalte ich viel mehr Fragen zu Beziehung und sexueller Praxis.
Ist die Community heute besser aufgeklärt als früher?
Ich denke, der Zugang zu Daten und Informationen hat sich verbessert. Aber die Jungen sind meiner Meinung nach weniger mit Erwachsenen vernetzt, die sie begleiten und helfen einzuordnen.
Du hast ja teilweise Fragen beantwortet, bei denen man denken könnte, sie seien erfunden. Wie konntest du feststellen, ob eine Frage ernst gemeint oder als Witz eingereicht wurde?
Ich habe lange als Sexualpädagoge die Fragen von Jugendlichen, vor allem von Jungs, im Aufklärungsunterricht beantwortet. Und viele der Fragen, die mir als Doktor Sex gestellt wurden, kamen auch im Unterricht auf. Auch durch meine jetzige Tätigkeit als Paar-, Einzel- und Sexualberater merke ich immer wieder, welche Fragen meine Klienten beschäftigen.
Gibt es Antworten, die du heute so nicht mehr geben würdest?
Nein, es gibt kaum Themen, bei denen ich meine Meinung geändert habe. Einzig was den Pornokonsum anbelangt: Früher war ich diesbezüglich sehr liberal unterwegs, ich fand, dass es ganz normal sei, Pornos zu konsumieren. Heute mahne ich eher zur Vorsicht. Auch weil ich in der Paartherapie immer wieder sehe, dass das Sexualleben darunter leidet und Beziehungsprobleme entstehen.
Hast du auch Kritik für deine Beratungen bekommen?
Ja, das gab es immer wieder. Vor allem am Anfang bekam ich noch viele Leserbriefe per Post. Es gab einen Kreis christlicher Personen, die mir mehrmals schrieben, dass ich in der Hölle landen werde (lacht). Aber viel häufiger bekam ich Zuschriften von Menschen, die sich bedankten.
Was möchtest du deiner Leserschaft zum Abschluss noch sagen?
Ich möchte mich für die letzten 15 Jahre bedanken. Ohne die Leserinnen und Leser wäre das Format gar nicht möglich gewesen. Ausserdem habe ich in dieser Zeit durch die Fragen und Geschichten extrem viel gelernt.
Doktor Sex
«Unfallgefahr beim Küssen mit Spange?»
Bruno Wermuth führt in eigener Praxis in Bern und Zürich Paar- und Sexualberatung durch. Als «Doktor Sex» beantwortete er 15 Jahre lang Fragen zu den Themen Beziehung, Liebe und Sexualität. Hier sind zwei Fragen, die illustrierend sind für seine Beratungen.
Bruno Wermuth: «Die folgende Frage zeigt, mit welchen Unsicherheiten man als junger Mensch konfrontiert werden kann, aber auch, wie assoziativ man in diesem Alter noch ist. Aber Sexualberatung muss meiner Meinung nach unbedingt auch lustig sein.»
Ich (14) habe ein Mädchen kennen gelernt und mich in sie verliebt. Aber leider tragen wir beide eine Zahnspange und ich befürchte deshalb, dass wir uns beim Küssen damit ineinander verheddern könnten. Passiert das oft?
Lieber Andrew. Nach Rücksprache mit meinem Zahnarzt des Vertrauens kann ich Entwarnung geben und dir versichern, dass du dem ersten leidenschaftlichen Kuss mit der Angebeteten entspannt und vorfreudig gelassen entgegensehen darfst. Eine solch unglückliche Liaison zwischen zwei Zahnspangen sei aufgrund von deren technischer Beschaffenheit rein theoretisch zwar möglich, jedoch sei ihm bisher kein einziger solcher Fall begegnet. Hingegen komme es relativ häufig vor, dass jemand zu ihm komme, weil er oder sie durch Beissen auf ein Zungen- oder Lippenpiercing Teile eines gesunden Zahnes verloren habe. Küssen bleibt also ungefährlich – auch mit einer Apparatur zur Korrektur der Kiefer- oder Zahnstellung. Vom Beissen auf stahlharten Lippen- und Zungenschmuck hingegen muss ich dringend abraten.
Bruno Wermuth: «Fragen wie die nachfolgenden kamen in den 15 Jahren immer wieder:»
Patrick J. (42): Alles, was ich hier lese, ist alter Wein in einem neuen Schlauch. Ihre Kolumne erinnert an die «Bravo»-Doktor-Sommer-Serie und ich frage mich, ob es das in gleicher Form auch in 20 Minuten braucht. Die Jungen dürften das doch bereits zigmal gelesen haben? Gibt es tatsächlich Junge, die solche, teils wirklich naiven Fragen stellen?
Guten Tag Herr J. Ihr Zweifel ist berechtigt in einer Zeit, in der Sexualität von den Medien oft aus reiner Sensationslust ans Licht gezerrt wird. Die Fragen werden uns in der Tat so gestellt. Studien haben gezeigt, dass das Wissen von Jugendlichen zu Sexualität, trotz «Bravo» und Internet, lückenhaft ist. Nicht zuletzt, weil es den Erwachsenen, die sie ja eigentlich aufklären sollten, oft selbst fehlt. Aber auch, weil Moral, Scham oder Sprachlosigkeit für Eltern und Lehrpersonen Gründe sind, dem Thema Sexualität auszuweichen. Hier versuchen wir, eine Lücke zu schliessen und Eltern zu unterstützen. Im Wissen, dass gut informierte Jugendliche verantwortungsbewusster mit Sexualität umgehen.
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