Bundesbern1500 Franken pro Tag – im Bundeshaus patrouillieren neu zwei Sanitäter
Während der Session des National- und Ständerates sind neu permanent zwei Sanitäter vor Ort. Auslöser dafür waren zwei Zusammenbrüche von Ratsmitgliedern vergangenes Jahr – aber nicht nur.
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Darum gehts
29. September 2022. Am zweitletzten Tag der Session bricht SVP-Nationalrat Lukas Reimann mitten im Nationalratssaal zusammen. Kurz herrscht Aufregung, dann bringt ihn eine Ambulanz ins Spital. 8. Dezember 2022. Am Tag nach den Bundesratswahlen trifft es auch die Basler SP-Nationalrätin Sarah Wyss: Zusammenbruch im Ratscafé. Die Ersthelfer bei beiden Fällen: Angelo Barrile und Marina Carobbio. Beide sind SP-Ratsmitglieder und Ärzte.
Barrile und Carobbio bildeten zusammen den Kern des inoffiziellen und freiwilligen Sanitätsdienstes des Bundeshauses. Neben den echten Notfällen verteilen sie in Grippezeiten auch mal ein Neocitran und wenn einem Besucher schwindelig wird, messen sie den Blutdruck.
Doch es gibt ein Problem: Der Zürcher SP-Nationalrat Angelo Barrile tritt bei den Wahlen 2023 nicht mehr an und seine Ständeratskollegin Marina Carobbio wurde diesen Frühling für die SP in die Tessiner Regierung gewählt und ist seither nicht mehr in Bern tätig.
Sitzung unterbrochen – hier klappt Lukas Reimann zusammen.
Freiwilligenarbeit wird teuer ersetzt
Dass der Abgang von Barrile und Carobbio ein Problem für die medizinische Notfallversorgung im Bundeshaus ist, hat auch die Verwaltung erkannt. «Bisher haben sich die Parlamentsdienste für eine notwendige medizinische Erstversorgung auf die Ärztinnen und Ärzte unter den Ratsmitgliedern gestützt.» Das habe sich bisher bewährt, schreiben die Parlamentsdienste auf Anfrage von 20 Minuten.
Nun wurde der Freiwilligendienst testweise durch einen professionellen Sanitätsdienst ersetzt. Seit Beginn der Sommersession patrouillieren zwei Sanitäterinnen eines privaten Bieler Unternehmens durch die Gänge des Bundeshauses. Kostenpunkt: 18’000 Franken pro Session. Bei zwölf Sessionstagen macht das also 1500 Franken pro Tag.
Der Test läuft laut den Parlamentsdiensten noch bis Ende Jahr. Bis dahin wird der Sanitätsdienst 54’000 Franken gekostet haben. Danach werde analysiert, ob sich die Massnahme bewährt hat.
«Parlamentarier brauchen keine Vorzugsbehandlung!»
An den ständig anwesenden Sanitäterinnen und Sanitätern gibt es laute Kritik. Ausgerechnet SVP-Mann Lukas Reimann findet es «total übertrieben». Bei ihm entstehe der Eindruck, dass Parlamentariern eine Vorzugsbehandlung gewährt werde, sagt er auf Anfrage.
Und auch Sarah Wyss ist nicht so recht wohl, wie sie sagt. «Es ist mir etwas unangenehm, dass, unter anderem wegen meines Vorfalles, nun Sanitäter da sind. Zusammenbrüche können ja überall passieren.» Sie habe sich damals von Barrile, Carobbio und den anderen Ersthelferinnen hervorragend betreut gefühlt. Eine Sonderbehandlung für Parlamentsmitglieder finde auch sie «heikel».
Sanitäter sind nicht nur für Ratsmitglieder da
Die Parlamentsdienste bringen noch einen anderen Punkt ins Spiel: Die Notfallsanitäter seien nämlich keineswegs nur für Politikerinnen und Politiker da. «Pro Tag können sich bis zu mehrere Hundert Personen im Gebäude aufhalten. Jede andere Grossveranstaltung muss ebenfalls einen Sanitätsdienst organisieren», schreiben sie.
Sind die Sanitäter im Bundeshaus notwendig?
Dies bestätigt Arzt und Nationalrat Angelo Barrile. Die meisten Einsätze habe er wegen Schwächeanfällen oder medizinischen Bagatellen von Besuchenden, nicht von anderen Politikern. Dafür brauche es nicht jedes Mal eine Ambulanz, aber es brauche geschultes Personal, welches die Lücke zwischen den medizinischen Möglichkeiten eines Bundespolizisten und einer Ärztin fülle.
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