Kriminelle Teenager224 Junge wegen Pornografie verurteilt
Porno-Urteile gegen Jugendliche nehmen massiv zu. Letztes Jahr waren es fünfmal so viele wie 2011. Experten fordern nun bessere Aufklärung an Schulen.
- von
- jen
Ein Elfjähriger wollte einen Porno an seinen Kollegen verschicken. Aus Versehen landete das Material aber im Gruppenchat seiner Klasse. Das hatte Folgen für den Jungen: Er musste vor den Jugendstaatsanwalt.
Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, nehmen Fälle wie dieser zu. Im letzten Jahr wurden 224 Minderjährige wegen Pornografie verurteilt. Das sind fünfmal so viele wie noch 2011. Auch die Zahl der Anzeigen gegen Minderjährige wegen Pornografie stieg von 61 auf 286 pro Jahr.
43 Prozent erhielten «erotische oder aufreizende Bilder»
Laut der Jugendanwaltschaften sei der Anstieg der Urteile damit zu begründen, dass heute fast jeder Jugendliche Zugang zu pornografischem Material habe. Einen Beleg dafür liefert die James-Studie: 99 Prozent aller Jugendlichen in der Schweiz besitzen ein Smartphone. 43 Prozent erhielten schon «erotische oder aufreizende Videos und Bilder».
Patrik Killer, leitender Jugendanwalt der Stadt Zürich, sagt zur «Sonntagszeitung»: «Sehr oft handelt es sich um Jugendliche, die pornografische Videos und Bilder aus dem Internet in Klassenchats untereinander verschicken.» Die Kinder würden das Material dann den Eltern zeigen oder diese entdecken es selber. Killer: «Sie melden das der Schule, die dann Anzeige erstattet.»
Schutzbestimmung zur milderen Bestrafung
Das Gesetz schreibt vor, dass Kinder unter 16 Jahren keine Sexfilme oder -bilder verschicken dürfen. «Damit will die Justiz Kinder schützen — sie sollen nicht so früh mit Pornografie in Kontakt kommen», sagt Killer zur Zeitung. Man könne sich aber fragen, ob Jugendliche damit nicht selbst kriminalisiert werden.
Niklaus Ruckstuhl, Leiter der Fachgruppe Strafrecht beim Schweizerischen Anwaltsverband, sagt dazu: «Man müsste Schutzbestimmungen einführen, dass Jugendliche massiv milder bestraft werden, die ‹normale› Pornografie unter Gleichaltrigen teilen.» So erachte er etwa erzieherische Massnahmen wie Kurse als sinnvoll. Verbote oder Strafen machen aber laut Ruckstuhl wenig Sinn.
Ähnlich sieht das das Forensische Institut Ostschweiz, das Sexualtäter therapiert: Geschäftsführerin Monika Egli-Alge sagt: «Die Jugendlichen sind oft unbedarft im Umgang mit den sozialen Medien und werden in diesen Dingen viel zu hart bestraft für eine Dummheit»
«Das Thema wird an den Schulen vernachlässigt»
Denn nur den wenigsten ist bewusst, dass das Teilen von Pornografie illegal ist. Esther Elisabeth Schütz, Leiterin des Instituts für Sexualpädagogik in Uster, sagt: «Leider wird das Thema an den Schulen vernachlässigt.» Zudem würde vielen Lehrern das fachliche Wissen fehlen.
Auch Eva Burri von «Achtung Liebe», ein Verein von Studenten mit sexualpädagogischer Ausbildung, der Schulen beim Sexualunterricht unterstützt, findet: «Es braucht unbedingt mehr Aufklärung an den Schulen.»
Keine vorgeschriebene Aufklärung an Unter- und Mittelstufe
Marion Heidelberger, Vizepräsidentin des Schweizer Lehrerverbands, sagt: «Das Thema Pornografie wird im Rahmen des Faches Medienpädagogik in der Oberstufe explizit behandelt.» Dazu würden auch die rechtlichen Aspekte gehören.
Für Mittel- und Unterstufe sei der Umgang mit Pornografie aber nicht vorgeschrieben. Heidelberg: «Ich beantworte im persönlichen Gespräch mit Schülern aber selbstverständlich auch auf der Primarstufe viele Fragen zum Thema Sexualität. Ohne dass das im Lehrplan so geschrieben steht.»