Königin Nofretete3400 Jahre alt und noch immer wunderschön
Vor 100 Jahren machte der Ägyptologe Ludwig Borchardt den Fund seines Lebens: Er entdeckte das nach Tutanchamuns Totenmaske berühmteste Artefakt der Pharaonenzeit: die Büste der Nofretete.
Neben der Mona Lisa ist sie die wohl berühmteste Frau der Kunstgeschichte: Nofretete, die schöne Hauptgemahlin des Pharao Echnaton. Ihre weltberühmte Büste wurde am 6. Dezember 1912 im mittelägyptischen Tell el-Amarna am Ostufer des Nils in den Überresten einer antiken Werkstatt gefunden. Der Archäologe Ludwig Borchardt leitete damals die Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft, bei denen insgesamt 14'000 Fundstücke geborgen wurden.
Im Rahmen einer damals üblichen Fundteilung zwischen Ägypten und den Ausgräbern gelangten 5500 Objekte ins kaiserliche Berlin. Der Kaufmann James Simon, der die Grabungen finanziert hatte, schenkte die Nofretete-Büste und weitere Funde der Amarna-Grabungen im Jahre 1920 dem Ägyptischen Museum in Berlin. Die Büste wurde erstmals 1923 dem Publikum gezeigt.
Seit 2009 ist die Büste aus Kalkstein und Gips im Neuen Museum im Nordkuppelsaal des Stüler-Baus auf der Berliner Museumsinsel zu sehen. Seitdem hatte das Museum etwa drei Millionen Besucher. Hauptanziehungspunkt für viele ist der alles überstrahlende Frauenkopf mit den mandelförmigen Augen, der geraden Nase und den geschwungenen, vollen Lippen.
Für den derzeitigen Vorsitzenden der Deutschen Orient-Gesellschaft, Markus Hilgert, ist die Büste ein Faszinosum. Es sei unglaublich, dass ein Kunstwerk, das rund 3400 Jahre alt sei, «uns immer noch so sehr» anziehe.
«Moderne» Schönheit
Nofretete schlage damit eine Brücke zwischen dem alten Ägypten und heute. «Sie ist uns in ihrer Schönheit vertrauter als andere Kunstwerke aus ihrer Zeit», sagt Hilgert, der Altorientalist und Professor an der Universität Heidelberg ist.
Ihre Gesichtszüge näherten sich unserer Ästhetik an. «Ist es Ägypten, ist es Hollywood oder Südamerika?», könnte ein Betrachter mutmassen, der nur die Büste sieht und nicht den Kontext, in dem sie steht, sagt Hilgert.
Dieser Kontext ist Gegenstand der grossen Ausstellung «Im Licht von Amarna - 100 Jahre Fund der Nofretete», die das Neue Museum ab Freitag bis zum 13. April nächsten Jahres zeigt. Nicht nur Theologie und Kunst jener Zeit stehen im Mittelpunkt, erklärt das Museum zur Ausstellung. Auch der Alltag der Menschen in der damaligen Metropole Amarna soll widergespiegelt werden.
Diskussion um Eigentümer
Zum einen werden Varianten der Nofretete-Büste gezeigt: ein unvollendeter Modellkopf, eine Standfigur und der Kopf einer einstigen Doppelsitzstatue - alle mit den sofort wiedererkennbaren Gesichtszügen.
Auch eine Büste des Pharao Echnaton wurde eigens für die Schau rekonstriert. Daneben zeigt das Museum zahlreiche bisher noch nicht ausgestellte Fundstücke: Fragmente von Fliesen, von Gefässen, ausserdem Fotos der Grabung, bei der Nofretete gefunden wurde.
Besonders letztere dürften wieder Fragen nach der Rechtmässigkeit von Nofretetes Aufenthalt in Berlin aufwerfen. Der ehemalige Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, Sahi Hawass, hatte sich in den vergangenen Jahren energisch dafür eingesetzt, die Pharaonen-Gattin an den Nil zurückzubringen.
Mehrfach unternahm der prominente Ägyptologe diplomatische Vorstösse und forderte das Kunstwerk zurück. Unter anderem kündigte er 2011 an, eine offizielle Eingabe beim Auswärtigen Amt einreichen zu wollen. Doch Hawass geriet in den Strudel der politischen Umwälzungen, der ihn das Amt des Ministers für Altertumsgüter kostete.

War Nofretete die Mutter Tutanchamuns?
Nofrete lebte im 14. Jahrhundert v. Chr. Sie war die Hauptgemahlin von Pharao Amenophis IV., der sich später Echnaton nannte. In den meisten Sprachen ist sie unter dem Namen Nefertiti bekannt, was «Die Schöne ist gekommen» bedeutet. Es gilt als gesichert, dass sie sechs Töchter gebar, von Söhnen ist dagegen nichts bekannt. Es gibt aber Wissenschaftler, die in ihr die Mutter Tutanchamuns sehen.
So will der Ägyptologe Hermann Schlögl zusammen mit zwei Dresdener Genetikern zweifelsfrei erwiesen haben, dass Tutanchamun Nofretetes Sohn ist. Er stützte sich dabei neben historischen Quellen und anthropologischen Informationen auf DNA, die 2010 von einem Team um den damaligen ägyptischen Altertümerverwalter Sahi Hawass, extrahiert worden war.
Hawass identifizierte Echnaton als Vater Tutanchamuns, schloss aber Nofretete als Mutter aus. Stattdessen wurde eine bisher namenlose Mumie als Nebenfrau Echnatons und Mutter Tutanchamuns genannt. Die als «Younger Lady» (jüngere Dame) bezeichnete Frau war demnach eine Schwester Echnatons Inzest war unter den damaligen Royals nicht unüblich. (jcg)

TV-Doku über Mäzen James Simon
Das Jubiläum des spektakulären Fundes wird ausser in der Sonderschau in Berlin auch im Fernsehen gewürdigt. 3sat zeigt am Samstag (8. Dezember, 20.15 Uhr) eine Dokumentation über den Kaufmann Simon mit dem Titel «Der Mann, der die Nofretete verschenkte - James Simon, der vergessene Mäzen».