Reselling-Boom: Amazon-Wiederverkäufer verdienen 400’000 Franken in der Pandemie

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Reselling-BoomAmazon-Wiederverkäufer verdienen 400’000 Franken in der Pandemie

Händler kaufen Produkte billig ein und machen beim Wiederverkauf auf Amazon kräftig Gewinn. Das sogenannte Reselling boomt – auch wegen der Coronavirus-Krise.

von
Raphael Knecht
Was ist Reselling?

Thomas Brandon Kovacs alias Sparkojote erklärt das Reselling-Prinzip und erzählt, wie er selbst damit angefangen hat.

Thomas Brandon Kovacs

Darum gehts

  • In wenigen Monaten machen Wiederverkäufer auf Amazon Hunderttausende Franken Gewinn.

  • In der Pandemie heiss begehrte Produkte haben die Verkäufe besonders angetrieben.

  • Auch in der Schweiz floriert das Reselling-Geschäft.

Ware zu kaufen, nur um sie dann gleich ungenutzt weiterzuverkaufen, kann sich lohnen: So hat etwa ein ehemaliger Versicherungskaufmann innert vier Monaten umgerechnet rund 40’000 Franken Gewinn gemacht, indem er Produkte zu günstigen Preisen einkauft und sie dann auf Amazon anbietet. Laut «Business Insider» gehört der Amerikaner zu einer Gruppe von Wiederverkäufern namens Arbitrage Ops.

Das Prinzip des sogenannten Reselling ist simpel: Produkte, die gerade besonders gefragt und in den Läden bald ausverkauft sind, werden im Onlinehandel zu höheren Preisen angeboten. Arbitrage Ops schult Mitglieder über den Messaging-Dienst Discord und bietet Hilfsmittel, um Produkte ausfindig zu machen, die sich für den Wiederverkauf besonders lohnen könnten. Mitglieder zahlen rund 70 Franken für den Beitritt plus 45 Franken pro Monat.

400’000 Franken seit Mai

Die Gruppe gibt es seit Mai, und das Geschäft boomt: Die rund 500 Mitglieder sollen bis jetzt bereits 400’000 Franken erwirtschaftet haben. Bestimmte Artikel wie etwa Kinderbädli, die wegen der Pandemie diesen Sommer besonders gefragt waren, haben laut dem Bericht das Geschäft angeheizt. Manche Händler würden gar ihre Jobs kündigen, um Vollzeit-Wiederverkäufer zu werden.

Verknappung wegen Reselling?

Bei knappen Produkten steigen die Preise – Wiederverkäufer sind also darauf bedacht, früh diese Produkte zu horten. Sind sie somit mitschuldig an der Verknappung der Produkte? Wenn die Produktnische sehr klein sei, sei das denkbar, sagt Sammelkarten-Wiederverkäufer Thomas Brandon Kovacs. In grossen Märkten wie etwa bei den Sammelkarten machten Einzelunternehmer hingegen keinen grossen Unterschied, ist er überzeugt: «Im Vergleich zu Unternehmen, die im grossen Stil weltweit Sammelkarten wiederverkaufen, ist mein Umsatz Peanuts.»

Auch in der Schweiz gibt es ein grosses Reselling-Geschäft, sagt Influencer Thomas Brandon Kovacs, der auf den sozialen Medien als Sparkojote bekannt ist. Er hat 2013 begonnen, «Pokémon»- und «Yu-Gi-Oh!»-Sammelkarten wiederzuverkaufen. Einen grossen Unterschied gibt es aber zu den Händlern in den USA oder Europa: «In der Schweiz spielt Amazon für Wiederverkäufer keine Rolle.» Er habe seine Karten ursprünglich auf Ricardo angeboten. Die Plattform gehört wie 20 Minuten zur TX Group.

Dass viele Wiederverkäufer ihre alte Stelle kündigen, kann Kovacs nachvollziehen. Er selbst hat 2018 einen Webshop für Sammelkarten lanciert und zum gleichen Zeitpunkt auch seinen IT-Job bei der UBS aufgegeben. «Die Leute unterschätzen, wie viel Zeit ein eigener Webshop kostet», so der Jungunternehmer.

Einkauf zum halben Preis

Heute macht sein Shop im Schnitt 15’000 Franken Umsatz im Monat. Die Karten kauft er jeweils zu circa 30 bis 50 Prozent des Verkaufspreises ein. Ein schnelles Geschäft ist es für ihn aber nicht: «Manchmal bleibe ich bis zu 5 Jahre auf einer Karte sitzen.» Als Wiederverkäufer brauche man darum viel Geduld.

Grundsätzlich könne aber jeder Wiederverkäufer werden, meint Kovacs: «Vermögen ist keine Einstiegsbarriere – man kann auch etwas für 1 Franken kaufen und für 3 Franken weiterverkaufen.» Erst wenn man nicht mehr auf Plattformen wie Ricardo oder Amazon angewiesen sein möchte, brauche man etwas Kapital für einen eigenen Webshop.

Wichtig sei hingegen, dass man sich mit den gehandelten Produkten etwas auskennt – damit man etwa die Qualität der Angebote und die Entwicklung der Marktpreise besser einschätzen kann. «Ich würde zum Beispiel nie Kleider handeln, weil ich davon absolut keine Ahnung habe», sagt Kovacs.

Reselling und Steuern

Muss ein Wiederverkäufer seine Gewinne versteuern? Das komme darauf an, ob er nur gelegentlich oder wiederholt Produkte mit Gewinn weiterverkaufe, sagt Steuerberater und ZHAW-Steuerrechtsexperte Jens Hanebrink. Wer etwa einmalig ein iPhone zum halben Preis kauft und es zum Marktpreis weiterverkauft, macht einen steuerfreien, privaten Kapitalgewinn. Die Grenzen sind jedoch fliessend. Regelmässiges iPhone-Reselling läuft Gefahr, als gewerbsmässige Tätigkeit gewertet zu werden. In diesem Fall wären sämtliche Gewinne steuerpflichtig, einen Freibetrag gibt es nicht. Und ab einem Umsatz von 100’000 Franken pro Jahr käme dann noch die Mehrwertsteuerpflicht dazu.

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