Befehl Omikron«50 Mann in zwei Zimmern – zum Weinen!»
Mehr Disziplin soll in seiner Armee herrschen, verlangt Ueli Maurer. Das Zwangsübernachten in der Kaserne ist aber ein Schuss nach hinten, finden die Direktbetroffenen.
- von
- Simon Hehli

VBS-Chef Ueli Maurer macht sich mit seinen Disziplinierungsmassnahmen wenige Freunde unter den WK-Soldaten.
Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) will, dass in seiner Armee wieder Zucht und Ordnung herrscht, vor allem bei den Betriebssoldaten. Deshalb hat sein Armeechef André Blattmann den Befehl Omikron erlassen (20 Minuten Online berichtete). 60 Prozent der Leser sind zwar der Meinung, es brauche wieder mehr Disziplin in der Truppe. Doch die Direktbetroffenen können nur den Kopf schütteln, wie mehrere Feedbacks zeigen.
Oliver Blaser berichtet, wie in seiner WK-Einheit der Befehl Omikron umgesetzt wurde. Ohne Vorwarnung hätte der Oberleutnant zu Beginn des Kurses den Soldaten mitgeteilt, sie dürften nicht mehr nach Hause gehen zum Übernachten. Blaser traf das besonders hart: Er hat eine Nahrungsmittel-Intoleranz gegen Milchprodukte und Eier. Als untauglich wollte er sich aber nicht aus der Armee verabschieden. Deshalb habe er sich als Büroordonanz einteilen lassen mit der Option, am Abend nach Hause gehen zu können.
Das habe er alles schriftlich. «Nun kommt aber der Oberleutnant und verkündet, dass ich in der Kaserne schlafen und somit hungern soll.» Dass der Befehl vor dem WK nicht schriftlich kommuniziert worden sei, habe den Vorgesetzten nicht interessiert. «Er sagte stur: Befehl ist Befehl.» Blaser hofft nun, dass die Armee abgeschafft wird. «Also ihr wollt Respekt von mir? Dann respektiert gefälligst auch mich als Schweizer Bürger!», schreibt er wütend.
«Erbärmliche Unterkunft!»
Ein Leser meldet sich direkt aus einem WK, der unter dem Befehl Omikron stehe. Neu seien drei Zeitmilitärs für die Truppe zuständig, die mindestens 70 000 Franken verdienten, rechnet er vor. Zudem gebe es jetzt drei Mahlzeiten pro Tag statt einer wie früher, als alle zuhause frühstückten und zu Abend assen. Fazit: «Reine Geldverschwendung. Wir haben nicht mehr Arbeit als zuvor, dafür mehr Langeweile am Abend.» Ein anderer Betriebssoldat berichtet, dass die Umsetzung von Omikron schlecht geplant sei. Weil in der Kaserne Bern keine Unterkünfte zur Verfügung stünden, müssten die Soldaten in die Zivilschutzanlage an der Morgartenstrasse. «Bis zu 50 Personen in zwei Zimmern, die erbärmlich aussehen - zum Weinen!»
Ein Informatiker zeigt auf, wieso bei Omikron der Schuss nach hinten losgehen kann. Er war bis vor kurzem in einer Spezialfunktion eingeteilt. Als Spezialist habe er mit einem Computersystem umgehen können, das nur sehr wenige kennen. Die Funktion habe er bekommen, weil er trotz medizinischem Leiden Dienst leisten wollte. «Das ‹Durchgreifen› habe ich selbst erfahren müssen, irgendein Ahnungsloser hat den Starken rausgehängt.» Da habe er sich medizinisch aus der Armee freistellen lassen und müsse nie mehr gehen. «Und die Schweiz hat einen Spezialisten weniger, von denen es nur eine Handvoll gibt. Meinen Arbeitgeber freuts.»
Elfstündiger Olympia-TV-Marathon
Andere müssen künftig 100 Meter neben ihrem Haus in einer Armeeanlage übernachten. «Kost und Logis zahlt nun das Militär. Ich würde das liebend gerne selber übernehmen und wäre erst noch motivierter.» Für Asylsuchende habe die Armee hingegen nicht genug Unterkünfte – ein «Riesenwitz», findet der Leser. Ein 33-Jähriger freut sich darauf, in seinem letzten WK «mit 20-Jährigen Zimmer und Playstation teilen zu müssen - super».
«Auch wenn wir nicht mehr nach Hause und in den Zirkus Knie dürfen: Etwas zu tun haben wir trotzdem nicht», schreibt ein anderer Betriebssoldat. Sein persönliches WK-Highlight sei ein elfstündiger Olympia-TV-Marathon gewesen. Mehrere Tage sei er gar nicht erst in der Kaserne aufgetaucht. Das habe niemand gemerkt, weil es eh nichts zu tun gegeben habe. «Dafür wurde die ganze Truppe im Game Ski-Challenge unglaublich gut.»
Ein Kamerad erzählt davon, dass sein Betriebsdetachement jedes Jahr in drei Wochen rund 25 000 Liter Diesel für nichts verpuffe. «Aber das Zeugs muss weg, auf Biegen und Brechen. Ansonsten bekämen wir nächstes Jahr weniger Diesel.» Sie seien etwa 30 Mann, die im 24-Stunden-Betrieb drei grüne Lämpchen bewachen. Falls eines auf Rot schalte, müsse ein Telefon bedient werden. «Wenn man sich vorrechnet, wie viele Arbeitsstunden flöten gehen, die auch bezahlt werden müssen - nur dass wir zu dreissigst dieses Lämpchen bewachen!»
Brauchts mehr Disziplin oder mehr Sinn?
Wer mit höheren Offizieren der Armee spricht, kriegt zwar stets zu hören, es gebe keine sinnlosen WK. Doch das scheint sich nicht mit der Stimmung an der Basis zu decken – auch ausserhalb der kritisierten Betriebsdetachements. Kaum ein dienstleistender Leser berichtet von erfüllenden militärischen Aufgaben. Dafür vom Sonnenbrand in der Badi, Spritztouren mit dem Lastwagen oder Besäufnissen.
Manche Leser ziehen daraus den Schluss, dass mehr Disziplin bestimmt nicht schaden kann. Andere glauben, dass die Armee zuerst wieder einen klaren Auftrag brauche. Viele wittern auch ein Führungsproblem: Die Offiziere der Armee XXI seien häufig zu jung und zu schlecht ausgebildet, als dass sie die WK-Truppen sinnvoll beschäftigen und notfalls auch bändigen könnten.