Basel«500 Meter und anderthalb Minuten, die unser Leben veränderten»
Taxichauffeur Alican S. wurde am 18. November 2022 in Basel scheinbar grundlos getötet. Für seine Witwe ist das Leben seither stehen geblieben.
Darum gehts
Am 18. November wurde in Basel Taxichauffeur Alican S. von einem Mann mit einem Messer angegriffen und tödlich verletzt.
Der Täter konnte wenige Tage später verhaftet werden und befindet sich in Untersuchungshaft.
Alican hinterlässt eine Frau und zwei Söhne. «Für uns ist das Leben an jenem Abend stehen geblieben», sagt seine Witwe.
Am 29. April wird entlang der Route von Alicans letzter Fahrt ein stiller Gedenkmarsch stattfinden.
«Warum ist der Mörder nicht in das erste Auto gestiegen?», fragt sie sich bis heute. Alican stand an jenem Freitagabend am 18. November vergangenes Jahr mit seinem Taxi am Standplatz am Aeschenplatz. Als kurz vor 18.30 Uhr ein dunkel gekleideter, mittelgrosser Mann in den Fond der Mercedes Limousine stieg. Wenige Minuten später rang Alican um sein Leben.
In der Peter Merian-Strasse, nur 500 Meter vom Aeschenplatz entfernt, griff der Mann den Taxifahrer von hinten mit einem Messer an und fügte ihm tödliche Verletzungen zu. Alican starb noch am Tatort. «500 Meter und anderthalb Minuten, die unser Leben veränderten», sagt seine Witwe. Alican war 49 Jahre alt, er hinterlässt zwei Buben im Teenager-Alter und seine Witwe. «Für uns ist an jenem Abend das Leben stehen geblieben», sagt die 41-Jährige.
Sie erfuhr früh, dass ihr Mann scheinbar in einen Unfall verwickelt war. Ihr Neffe, der ebenfalls Taxichauffeur ist, hatte sie angerufen, scheinbar habe ihr Mann einen Velofahrer angefahren. Danach waren aber ihr Mann und ihr Neffe nicht mehr erreichbar. Um 20 Uhr meldete sich der Neffe wieder: «Du musst kommen.»
«Ich wollte ihn umarmen, aber ich durfte ihn nicht berühren»
Etwa um 20.30 Uhr war sie mit einer Freundin vor Ort, ihre Nichte und ihr Neffe waren ebenfalls schon da. Und die Polizei sagte ihr nichts. Sie sah das weisse Zelt und hoffte, dass dem Velofahrer nichts Schlimmes zugestossen war. «Die Polizei war sehr abweisend und hat uns zwei Stunden lang im Regen warten lassen.» Dann wurde sie laut und verlangte, einen Verantwortlichen zu sprechen.
Ein Polizist zeigte ihr schliesslich ein Foto ihres Mannes. Wenige Meter daneben stand eine 20-Minuten-Reporterin, als der herzzerreissende Schrei die Stille durchbrach. Als man sie schliesslich ins Zelt brachte, hatte die Leichenstarre schon eingesetzt. «Ich wollte ihn umarmen, aber durfte ihn nicht berühren», erzählt sie. «Eine Polizistin hat sich danach sehr gut um mich gekümmert.»
Jeden Tag sieht sie die Bilder dieses Abends wieder. Der Täter, ein 51-jähriger Schweizer, wurde wenige Tage nach der Tat gefasst. Bei der Verhaftung soll er Stichwaffen auf sich getragen haben. «In meinen Augen ist er ein Mörder, er hat diese Tat geplant. Er ist mit dem Vorsatz, zu töten, ins Taxi meines Mannes gestiegen», sagt sie.
«Ich empfand nur Hass, als ich die Einvernahme-Protokolle las»
In die Augen blicken konnte sie dem Mann noch nicht. Als sie die Einvernahme-Protokolle gelesen habe, habe sie nur Hass empfunden. Scheinbar kann sich der Täter nicht erinnern. «Er weint wegen seiner Kinder. Er trinkt, arbeitet nicht, er hatte nichts zu verlieren in seinem Leben, wir dagegen alles.»
Alican arbeitete seit rund 17 Jahren als Taxichauffeur. Und arbeitete viel – abends, an Wochenenden. «Er liebte seine Arbeit», sagt seine Witwe. Und doch habe ihr Mann nie ein Fussballmatch seiner Söhne verpasst, sei immer für seine Familie dagewesen. «Wir führten ein einfaches und glückliches Leben», sagt sie. 18 Jahre waren die beiden verheiratet, bis sein gewaltsamer Tod sie schied.
Seine Witwe kämpft sich seither zurück ins Leben. Ihre Arbeit im Kantonsspital Jura konnte die Krankenpflegerin noch nicht wieder aufnehmen, noch immer ist sie in Therapie. «Ich habe sehr viel Unterstützung von meinen Kollegen erhalten und das Spital bringt mir unglaublich viel Verständnis entgegen.»
Warum ausgerechnet er? Darauf gibt es bis heute keine Antwort. Der mutmassliche Täter sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft konnte noch keine Angaben zur Anklageerhebung und dem Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses machen.
Am 29. April wird in Gedenken an Alican um 18 Uhr ein stiller Trauermarsch stattfinden. Vom Aeschenplatz zur Peter Merian-Strasse.
Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?
Hier findest du Hilfe:
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Lifewith.ch, für betroffene Geschwister
Verein Familientrauerbegleitung.ch
Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen
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