Vorläufig Aufgenommene9 Fragen zu Sommarugas Eritrea-Kehrtwende
Tausende Eritreer müssen damit rechnen, dass sie die Schweiz verlassen müssen. Die drängendsten Fragen zur Eritrea-Politik des Bundes.
- von
- daw/dk/saw
Wie viele Eritreer müssen die Schweiz verlassen?
Das ist noch offen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) will 3200 der insgesamt 9400 vorläufig aufgenommenen Eritreer wegweisen, prüft aber jeden Einzelfall. Überprüft werden unter anderem Dossiers von Personen, die ihre Dienstpflicht bereits geleistet haben und erst danach aus Eritrea ausgereist sind.
Was bedeutet der Verlust der vorläufigen Aufnahme?
Wird die vorläufige Aufnahme aufgehoben und ist die Wegweisung rechtskräftig, muss ein Betroffener die Schweiz verlassen. Das hat Folgen: Statt Sozialhilfe gibt es nur noch Nothilfe. Nur jeder fünfte vorläufig aufgenommene Eritreer ist in irgendeiner Form erwerbstätig.
Wie viel Nothilfe wird ausgerichtet?
Für die Nothilfe sind die Kantone zuständig. Einige geben Gutscheine und Naturalien ab. Verbreitet sind 8 Franken pro Tag für eine Person.
Gibt es Ausschaffungsflüge?
Nein, Eritrea akzeptiert keine Ausschaffungsflüge ins Land. Weil die Schweiz kein Rücknahmeabkommen mit Eritrea hat, sind Zwangsausschaffungen ins Land nicht möglich. Wird ein Gesuch also definitiv abgelehnt, wird auf die freiwillige Ausreise der betroffenen Person gesetzt. Daher scheitern Ausschaffungen von kriminellen Eritreern immer wieder daran, dass sie nicht vollzogen werden können.
Wie gross ist die Gefahr, dass Betroffene nach einem Ende der vorläufigen Aufnahme untertauchen?
«Das Phänomen, dass Personen unkontrolliert abreisen, besteht im Asylbereich seit jeher, nicht nur in der Schweiz», heisst es beim SEM. Eine Prognose über die Zahl unkontrollierter Abreisen könne man nicht abgeben.
Noch im vergangenen Sommer sagte SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, es sei undenkbar, Leute in den Unrechtsstaat Eritrea zurückzuschicken. Warum die Kehrtwende?
Die neue Praxis ist die Folge eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom Sommer 2017. Im Leiturteil befassten sich die St. Galler Richter mit dem Fall eines Eritreers, der den Nationaldienst bereits geleistet hatte und erst danach in die Schweiz kam. Solche Personen hätten, so die Begründung der Richter, bei einer Rückkehr ins Heimatland nicht generell mit einer erneuten Einberufung in den Nationaldienst oder mit einer Bestrafung rechnen müssen.
Erhalten abgewiesene Asylbewerber eine Rückkehrhilfe?
Grundsätzlich kann eine Rückkehrhilfe in Anspruch genommen werden. Diese beträgt bis zu 1000 Franken für eine erwachsene Person und 500 Franken für ein Kind. Bis zu 3000 Franken erhält man für die Realisierung eines beruflich oder gesellschaftlich ausgerichteteten Eingliederungsprojekts. Zur Deckung der Reisekosten kann ausserdem ein Betrag von bis zu 500 Franken pro Einzelperson in Anspruch genommen werden.
Was sagt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH)?
Sie kritisiert die «neue Härte» der Regierung. Laut der SFH begeht der eritreische Staat nach wie vor massive Menschenrechtsverletzungen und bestraft Rückkehrende schwer. Der jetzige Entscheid des Bundes müsse revidiert werden, schreibt die SFH: «Die Politik des Bundes ist äusserst gefährlich, weil sie Vorurteile und Wut schürt.»
Was sagen Bürgerliche?
Sie begrüssen den Entscheid mehrheitlich: «Das ist ein Paradigmenwechsel, ein Meilenstein. Bis heute hat man immer gesagt, man könne niemanden zurückschicken», sagte CVP-Chef Gerhard Pfister gegenüber SRF. FDP-Vize Christian Wasserfallen sagt: «Man hat die Situation in Eritrea besser beurteilt, differenzierter beurteilt und es ist Zeit geworden, dass man die vorläufige Aufnahme richtig anschaut.»