Asow-Sommercamps9-Jährige üben Schiessen und Messerkampf
In Sommerlagern schwören Kämpfer des rechtsnationalen Asow-Bataillons Kinder auf Patriotismus ein – und lehren sie den Krieg.
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- sut
Anton bezeichnet sich selbst als Slacker. Er lebe nach eigenen Regeln, sagt der 16-jährige Jugendliche aus Kiew. Doch das will er jetzt ändern. «Ich will gehorsam sein», sagt er, bevor er ins Sommerlager der rechtsnationalistischen Asow-Miliz aufbricht.
Der Teenager ist die Hauptfigur einer neuen Videoreportage des britischen «Guardian» (Video unten). Sie beschreibt, wie in dem Lager ausserhalb der ukrainischen Hauptstadt etwa 60 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren einem täglichen Kampftraining unterzogen werden. Laut «Guardian» sind schon vier solcher Lager in Betrieb; weitere würden für nächstes Jahr gebaut.
Boxen und Messerkampf
Die Kinder im Lager richten hölzerne oder echte Gewehre auf imaginäre Feinde, kriechen unter Drahtverhauen hindurch und hüpfen auf Hindernisläufen durch Lastwagenpneus. Die Kids marschieren in Formation. Sie lernen boxen und mit Messern zu kämpfen.
Lob und Strafe werden kollektiv verteilt. Einmal müssen die Kinder in unbequemer Stellung Kniebeugen machen, während sie im Chor rufen: «Ich werde nie rauchen.» Grund der Tortur: Im Gepäck eines Jungen ist ein Päckchen Zigaretten gefunden worden.
Die Ukraine über alles
Durch gemeinsamen Gesang am Lagerfeuer wird den jungen Ukrainern Patriotismus eingeimpft. «Ich realisiere, dass die Ukraine wichtiger ist als mein Skateboard», sagt Anton. Für den Lagerleiter ist patriotisches Denken das wichtigste Lernziel: «Aus der Ukraine wandert die Intelligenz aus», beklagt der Asow-Kämpfer. «Nur Nationalisten können diesem Land etwas bringen.»
Das patriotische Element wird auch in einer Reportage des US-Senders NBC über ein Asow-Camp unterstrichen. In ihr kommt der neunjährige Smolny vor, der über alle Schlachten der ukrainischen Geschichte genau Bescheid weiss und inbrünstig patriotische Lieder singt.
Neonazis und Rechtsnationalisten
Zusammen mit anderen Milizen wurde das Asow-Bataillon 2014 gegründet. Es spielte eine wichtige Rolle bei der Verteidigung des Landes gegen separatistische, von Russland unterstützte Kämpfer im Osten des Landes. International gerieten die Asow-Milizen unter scharfe Kritik, weil sich unter ihnen zahlreiche Neonazis und Rechtsnationale befanden.
Der Lagerleiter behauptet, von den Trainern der Kinder im Sommercamp trage niemand Tattoos mit Emblemen von Rechtsradikalen. Doch Videobilder widersprechen ihm: Zu sehen sind ein Hakenkreuz auf einem Ellenbogen, eine SS-Rune am Hals und die Worte «White Pride» am Oberschenkel.
Die Lagerleitung weist den Vorwurf zurück, die Kinder würden nur für den Krieg ausgebildet. «Daran denken wir nicht», sagt der Lagerleiter. «Unser Lager ist militärisch und patriotisch.» Antons Vater, ein Ex-Soldat, gibt aber offen zu, dass ihm das martialische Element zusagt: «Ich will einen Kämpfer grossziehen.»
Kein Frieden in der Ostukraine
Es wäre verständlich, wenn das Asow-Bataillon mit einem künftigen Bedarf an Kämpfern rechnete. Nach einer Reportage der amerikanischen Website «The Daily Signal» befinden sich die Milizionäre seit Monaten im Osten der Ukraine in Abwartestellung. Von der eigentlichen Front, wo reguläre Truppen in Schützengräben den Separatisten gegenüberstehen, seien die Asow-Kämpfer entfernt, schreibt die zur konservativen Heritage-Stiftung gehörende Website. Doch womöglich werde der geltende Waffenstillstand nicht lange halten. «Wir sind entschlossen, diesen Befreiungskrieg zu führen», sagt ein Asow-Kämpfer.
Im Lager bei Kiew findet Anton die täglichen Übungen hart. «Ich hatte es mir ein bisschen einfacher vorgestellt», sagt er. «Am Anfang war es aufregend, doch mit der Zeit wurde es monoton», klagt er. Wird er nächstes Jahr zurückkommen? «Ich glaube nicht. Aber ich bin mir nicht sicher – vielleicht doch.»
Videoreportage des «Guardian»:
(Quelle: Youtube/The Guardian)