Gipfeltreffen im Dolder: Abgesang auf das Steuerabkommen

Aktualisiert

Gipfeltreffen im DolderAbgesang auf das Steuerabkommen

Druck, Erpressung und verpasste Chancen: Peer Steinbrück, Oswald Grübel und Thomas Borer hätten über die Eurokrise debattieren sollen, sprachen aber vor allem über den Steuerstreit.

Sandro Spaeth
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Sandro Spaeth
Peer Steinbrück (links), Thomas Borer (mitte) und Oswald Grübel (rechts)

Peer Steinbrück (links), Thomas Borer (mitte) und Oswald Grübel (rechts)

Es war die Champions League der Redner, die sich am Mittwochabend hoch über Zürich traf. Zu Hunderten waren Anwälte, Banker und Unternehmensberater in teuren Autos oder Taxis ins Nobelhotel Dolder gepilgert, um zu hören, wie der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, Ex-UBS-Chef Oswald Grübel, Ex-Botschafter Thomas Borer und Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne über die Konsequenzen der europäischen Wirtschaftskrise debattierten.

«Ich werde keine Ausflüge in meine Westernfilm-Erfahrung machen», sagt ein gutgelaunter Steinbrück zu Beginn und spielte auf sein berühmtes Kavallerie-Zitat an, das 2009 ein ganzes Land in Aufregung versetzt hatte. Eloquent führt Peitschen-Peer in seinem Referat an der Veranstaltung des Efficiency Clubs Zürich aus, weshalb wir es derzeit nicht mit einer Euro-Krise zu tun hätten, sondern mit einer Refinanzierungskrise in gewissen Staaten.

«Man kann mich nicht mit der goldenen Mohrrübe fangen»

Er respektiere die Schweizer Haltung, das Steuerabkommen mit der Bundesrepublik nicht erneut verhandeln zu wollen, so Steinbrück. Aus deutscher Sicht habe der Vertrag mit der Schweiz aber grosse Defizite, weshalb die Vorlage im deutschen Bundesrat durchfallen werde. Der SPD-Politiker stört sich unter anderem daran, dass die Schweiz den USA mehr Informationen zugesteht als Deutschland. Peitschen-Peer scheint nun bei einem seiner Lieblingsthemen angekommen zu sein. Er debattiert leidenschaftlich, macht Kunstpausen und lässt seine Worte wirken. Immer wieder verzieht er seine Lippen zu seinem Zwanzig-nach-acht-Mund.

Aber Deutschland könnte über die Abgeltungssteuer Milliarden einnehmen, stellte Moderator Reto Brennwald in den Raum: «Man kann mich nicht mit der goldenen Mohrrübe fangen», protestierte Steinbrück. Damit würde er politische Grundsätze und Werte aufgeben.

Grübels düstere Vorahnungen

An die Adresse der Schweiz und die versammelte Banker- und Juristengemeinde sagte der potenzielle Kanzlerkandidat: «Täuschen Sie sich nicht. Der Druck wird aufrechterhalten.» Das Problem der Schweizer sei aber nicht Deutschland. Den grössten Druck entfachen laut Steinbrück die forsch auftretenden USA. Der Politiker erinnerte an längst nach Washington erfolgte Lieferungen von Daten über US-Bürger mit Konten in der Schweiz und sagte zum Publikum: «Entschuldigen Sie: Faktisch ist das Schweizer Steuergeheimnis längst gefallen.» Nach einer Kunstpause schiebt er nach: Sollte das Steuerabkommen scheitern, werde es in einigen Jahren Übereinkünfte geben, die sehr viel weitergehen würden als die heutigen.

Ex-Banker Oswald Grübel rät der Schweiz, sich mit Luxemburg und Österreich – die in Steuerfragen ebenfalls eine eigene Strategie fahren – an einen Tisch zu setzten, um mit der EU zu verhandeln. Trotzdem rechnet Grübel auf längere Sicht mit nichts Gutem für seine Branche: «Die bilateralen Abkommen führen sowieso zu einer Art Informationsaustausch.» Die Schweiz werde erpresst und lasse sich erpressen. Dann kommt Grübels Kritik am Modell der Abgeltungssteuer: «Es wäre schlecht, wenn die Schweiz am Ende ein souveräner Staat wird, der Steuern einsammelt für Deutschland, England und Frankreich.» Er sei nicht sicher, ob die Schweiz diese Rolle wirklich wolle. Die Banker applaudieren.

Steinbrück immer durch den Vorderausgang hinaus

«Die Schweiz hat es vor zehn Jahren verpasst, Abgeltungssteuerabkommen abzuschliessen», sagte Thomas Borer, ehemaliger Schweizer Botschafter in Berlin. Bern könne dem aktuellen Druck nicht standhalten. Laut Borer ist es illusorisch zu glauben, man könne den USA Daten über amerikanische Steuerpflichtige liefern, dasselbe für Deutschland aber verweigern.

Ob er sich jetzt zu fest zum Fenster hinausgelehnt habe, fragt Moderator Brennwald Steinbrück, der zu Beginn angekündigt hatte, nicht über den Steuerstreit sprechen zu wollen. Die schlagfertige Schlussantwort des SPD-Mannes: «Ich bin nicht dafür bekannt, dass ich Fragen ausweiche und gehe auch immer durch den Vorderausgang hinaus.»

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