Ägypten beschliesst Wahlreform
Zum ersten Mal in der Geschichte Ägyptens dürfen zur Präsidentschaftswahl im September mehrere Bewerber für das höchste Amt im Staat kandidieren.
Das Unterhaus in Kairo verabschiedete am Dienstag eine entsprechende Verfassungsänderung.
Demnach dürfen sich mehrere Kandidaten der geheimen und direkten Wahl stellen. 405 von 454 Abgeordneten des von Präsident Husni Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP) beherrschten Parlaments stimmten dafür.
Erneute Kandidatur Mubaraks?
Mubarak befürwortet die Reform, liess bislang aber offen, ob er für eine fünfte Amtszeit von sechs Jahren antreten wird. Bisher wurde der künftige Präsident vom Parlament designiert, bevor er vom Volk in direkter Wahl bestätigt wurde.
Gemäss der Verfassungsänderung benötigt ein unabhängiger Präsidentschaftskandidat künftig die Unterstützung von mindestens 250 Parlamentariern auf nationaler oder lokaler Ebene.
Das Parlament in Kairo, aber auch die Lokalparlamente sind jedoch von NDP-Abgeordneten beherrscht, welche eine Kandidatur Mubaraks unterstützen müssen. Jeder einzelne Abgeordnete darf zudem nur einen Präsidentschaftskandidaten unterstützen.
Opposition stimmte dagegen
Die Oppositionsparteien stimmten im Unterhaus in Kairo gegen die Verfassungsänderung, da sie unabhängigen Bewerbern de facto eine Kandidatur unmöglich mache.
Kritisiert wurde ausserdem, dass das Komitee, das die Wahlen überwachen soll, aus fünf Richtern und fünf «neutralen bekannten Persönlichkeiten» bestehen soll. Sie fordern, es sollten ausschliesslich Richter ausgewählt werden, da diese unabhängiger seien.
Die Bewerber zugelassener politischer Parteien müssen die Auflagen unabhängiger Kandidaten nicht erfüllen. Die sie aufstellenden Parteien müssen aber ab der Präsidentschaftswahl 2011 mindestens fünf Prozent der Abgeordneten stellen und fünf Jahre ununterbrochen vertreten sein.
50 Muslimbrüder festgenommen
Kurz vor der Verabschiedung der Verfassungsreform wurden mehr als 50 Mitglieder der in Ägypten verbotenen Moslembruderschaft festgenommen. Laut Polizei erfolgten die Festnahmen im Anschluss an eine Kundgebung mit etwa 4000 Teilnehmern in der oberägyptischen Stadt Assiut.
Die Moslembruderschaft veranstaltet landesweit Proteste gegen Mubarak, um ihrer Forderung nach politischen Reformen, der Aufhebung des seit 24 Jahren geltenden Ausnahmezustands, der Abschaffung von Sondergerichten und der Freilassung politischer Gefangnener Nachdruck zu verleihen.
Der 77-jährige Mubarak regiert Ägypten seit 1981. Die in den 20er Jahren gegründete Moslembruderschaft ist offiziell seit 1954 verboten, wird aber geduldet. Sie gilt als die grösste und am besten organisierte Oppositionsbewegung in Ägypten. Im Gegensatz zu radikalislamischen Gruppen in dem Land lehnt sie Anschläge ab. (sda)