Studie: Schweizer Ärzte verschreiben viel zu häufig Opioide

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Schweiz Ärzte verschreiben selbst bei Bagatellfällen riskante Opioide

Eine Studie des Kantonsspitals Baden liefert erschreckende Ergebnisse. Innert zehn Jahren hat sich der Einsatz von Opioiden fast verdoppelt. 

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Opioide haben zahlreiche Nebenwirkungen und sind daher mit Vorsicht zu geniessen. 

Opioide haben zahlreiche Nebenwirkungen und sind daher mit Vorsicht zu geniessen. 

imago images/ZUMA Wire
Chefärztin Prof. Maria Wertli leitete die Studie zum Opioid-Einsatz. 

Chefärztin Prof. Maria Wertli leitete die Studie zum Opioid-Einsatz. 

Kantonsspital Baden 
Das Team um Wertli vom Kantonsspital Baden wertete fast zwei Millionen Unfalldokumentationen aus. 

Das Team um Wertli vom Kantonsspital Baden wertete fast zwei Millionen Unfalldokumentationen aus. 

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Darum gehts 

  • Der Einsatz von Opioiden zur Schmerztherapie nach Unfällen hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt.

  • Das ergab eine Studie des Kantonsspitals Baden.

  • Oft ist der Einsatz nicht sinnvoll und hat zahlreiche Nebenwirkungen zur Folge. 

Opioide gehören zu den stärksten Schmerzmitteln und werden beispielsweise bei Krebspatienten vermehrt eingesetzt. Offenbar scheint die Verschreibungspraxis der Mittel bei Schweizer Ärztinnen und Ärzten in den letzten Jahren aber deutlich lockerer geworden zu sein.

So bekommen mittlerweile auch viele Patienten mit muskuloskelettalen Verletzungen, das heisst mit Brüchen, Prellungen oder Verstauchungen die Substanzen. Das ergab eine Studie des Kantonsspitals Baden (KSB) unter der Leitung von Professor Maria Wertli. 

«Überproportionaler Anstieg auch bei leichten Verletzungen»

Wertli, Chefärztin für Innere Medizin am KSB, wertete zusammen mit ihrem Team Daten von rund zwei Millionen Unfällen aus, die bei der Schweizer Unfallversicherungsanstalt (Suva) gemeldet worden sind. «Wir beobachteten zwischen 2008 und 2018 selbst bei leichten Verletzungen einen überproportionalen Anstieg bei der Verschreibung von Metamizol, starken Opioiden und Coxiben», schreiben die Autoren der Studie. Bei schweren Verletzungen stieg die Verschreibungs-Häufigkeit innerhalb von zehn Jahren um 88,3 Prozentpunkte, bei leichten sogar um 91,4 Prozentpunkte.  

Laut den Autoren der Studie seien Opioide bei muskuloskelettalen Verletzungen nicht wirksamer als andere Schmerzmittel, zögen aber mehr Nebenwirkungen auf sich. Diese reichen von kognitiven Beeinträchtigungen über Übelkeit bis zu Hyperalgesie (Schmerzüberempfindlichkeit). Eine besonders bekannte Nebenwirkung, die umso gefährlicher ist: die Opioid-Abhängigkeit. In den USA kam es 2017 zu einer wahren Opioid-Krise – allein 2016 starben dort 60’000 Menschen als Folge von Medikamentenmissbrauch. 

Zunahme vor allem in der Deutschschweiz 

Eben aus genau diesen Gründen sollten Opioide nur in wirklich notwendigen Fällen verschrieben werden. Das  KSB setzt daher auf zusätzliche Aufklärung der Ärzteschaft: In Weiterbildungskursen werden sie konsequent auf die Praxisempfehlungen respektive auf die Opioid-Problematik aufmerksam gemacht. Auch die Patienten werden darüber aufgeklärt, wie sie die Dosierung reduzieren und das Medikament schliesslich absetzen können. 

Bemerkenswert ist, dass starke Opioide und Metamizol vor allem in der Deutschschweiz und
weniger stark in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz verwendet werden. Das liegt laut Studienautoren an der «liberaleren Verschreibungspraxis», die dort herrscht. 

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