«Unfreundliches und nicht haltbares Vorgehen»Aktivisten wollten Coop übernehmen
Coop hat eine Protestaktion gestoppt, die sich für mehr Klima und Soziales einsetzt. Die Genossenschaft spricht von «radikalen Forderungen».
- von
- Fabian Pöschl
Darum gehts
- Aktivisten haben Unterschriften gesammelt, um den Coop-Regionalrat zu ersetzen.
- Sie wollten sich für mehr Klimaschutz, bessere Arbeitsbedingungen und fairere Preise einsetzen.
- Sie flogen auf, und Coop änderte die Wahlbedingungen.
Es klingt wie ein Thriller: Rund 1000 Aktivisten haben sich in den vergangenen zehn Monaten im Geheimen getroffen, um sich bei Coop für mehr Klimaschutz, bessere Arbeitsbedingungen und fairere Preise einzusetzen. Sie wollten mithilfe von Sympathisanten die Mehrheit in den Regionalräten der Coop-Genossenschaft übernehmen, wie das Magazin «Republik» berichtet.
Hinter der Aktion steht der Berner Oberländer Raffael Wüthrich, der Teil der Gruppe Wirtschaftsdemokratie innerhalb der SP ist und den Verein Detailwandel.ch gründete. Gegenüber dem Magazin sagt er: «28 Prozent unserer Umweltbelastung sind auf die Ernährung zurückzuführen. Da hat Coop einen riesigen Einfluss.» Doch das Unternehmen setze lieber auf Marketing als auf tatsächliche Veränderungen.
Die Genossenschaft
Coop ist wie auch die Migros eine Genossenschaft mit demokratischen Strukturen. Ihre Besitzer sind nicht Aktionäre, sondern Genossenschafter. Beide haben rund 2,5 Millionen Mitglieder. Wer Genossenschafter bei Coop werden will, muss lediglich die kostenlose «Coopzeitung» abonnieren. Coop teilt sich in sechs Regionen auf. Die Regionalräte sind das oberste Organ der Coop-Genossenschaft. Sie nehmen Einfluss auf die Statuten und wählen den Verwaltungsrat, dem auch Alt-Bundesrätin Doris Leuthard angehört.
Unterschriften sammeln für den Sturm des Regionalrats
Deshalb machte sich Wüthrich über die Besetzung der Coop-Regionalräte schlau: Alle vier Jahre findet eine stille Wahl für die rund 100 Sitze pro Region statt, sofern sich nicht zusätzliche Kandidaten anmelden. Wer bisher aufgenommen werden wollte, brauchte laut Wüthrich Kontakte. Das wollte er ändern und hoffte auf die «erste richtige Wahl des Regionalrats».
Wüthrich holte Aktivisten der Klimastreikbewegung an Bord und sammelte Unterschriften und Kandidaten. Mindestens 2 Prozent der Genossenschaftsmitglieder pro Region musste er überzeugen, in der Region Zentralschweiz/Zürich sind das 12’000. Weil er Hunderte Kandidaten einsetzen wollte, brauchte er 55’000 Unterschriften.
Die Aktivisten hätten ihre Protestaktion «Projekt C» an dem Tag starten wollen, an dem Coop in der Hauszeitung die Wahlliste bekannt gibt. Flyer, Sticker und ein Online-Unterschriften-Tool wären bereit gewesen.
Coop bekommt Wind von der Aktion und stoppt Übernahmeversuch
Doch all die Vertraulichkeit nützte nichts. Denn der Coop-Verwaltungsrat bekam wenige Tage vorher Wind von der Protestaktion und passte das Wahlreglement laut Wüthrich unbemerkt von der Öffentlichkeit in einer «Nacht-und-Nebel-Aktion» an. Unter anderem hätte Wüthrichs Verein Detailwandel.ch nun 6 statt 2 Prozent der Stimmen in einem Wahlkreis sammeln müssen und weniger Zeit dafür gehabt.
Die Coop-Medienstelle begründet die Änderung in dem Beitrag unter anderem damit, dass sich die Zahl der Mitglieder in den letzten 20 Jahren beinahe verdoppelt habe. Das Unternehmen räumt aber auch ein, von der Protestaktion erfahren zu haben. «Die radikalen Forderungen und der Versuch, Kontrolle über Coop zu gewinnen, wertet Coop als ein unfreundliches und nicht haltbares Vorgehen», heisst es von Coop.
Detailwandel.ch gibt sich aber noch nicht geschlagen. In einem offenen Brief fordert der Verein den Coop-Verwaltungsrat einerseits auf, die beschlossenen Veränderungen des Wahlreglements zurückzunehmen. Andererseits sollen ein demokratischer Wandel bei Coop eingeläutet und die Regionalratssitze zu je einem Drittel an die eigenen Mitarbeitenden, Produzenten/Lieferanten sowie Konsumenten in freien Wahlen vergeben werden.
Auch bei der Migros gab es schon ähnliche Versuche. Zuletzt scheiterte Pierre Rappazzo, der während 15 Jahren die Migros demokratisieren wollte. Er scheiterte aber letztlich ebenfalls an einem geänderten Wahlreglement. Es sind die gleichen Änderungen wie bei Coop.