#NotAllMen«Alle Männer in den gleichen Topf zu werfen, ist primitiv»
Posts mit feministischem Inhalt fachen auf Social Media hitzige Debatten an. Männer wollen mit #notallmen zeigen, dass nicht alle gleich sind – doch das sei kontraproduktiv, sagen Experten.
- von
- Georgia Chatzoudis
«Man soll nicht alle in den gleichen Topf werfen»: In der Strassenumfrage erzählen Männer, was sie über den Hashtag #NotAllMen denken.
Darum gehts
Parallel zur Diskussion um Gewalt an Frauen kursiert zurzeit auf Social Media der Hashtag #NotAllMen.
Männer wollen damit eine Generalisierung verhindern. In einer Strassenumfrage befürworten die meisten Männer den Hashtag.
Anna-Béatrice Schmaltz von der feministischen Friedensorganisation CFD findet das Nutzen des Hashtags jedoch nicht zielführend: «Es lenkt vom Thema ab.»
Geht es im Netz um Gewalt an Frauen, fühlen sich teils Männer unter Generalverdacht – so entstand der Hashtag #notallmen. «Nicht alle Männer sollten in den gleichen Hut gesteckt werden», sagt Stephan W. zu 20 Minuten, der den Hashtag auf Twitter nutzt. «Denn nicht alle Männer verhalten sich gegenüber Frauen schlecht.»
Wichtig sei eine offene Diskussionskultur, sagt Anthony (34) im Rahmen einer Strassenumfrage zu 20 Minuten: «Ich finde den Hashtag wichtig, man darf in allen Bereichen, auch zum Thema Gewalt gegenüber Frauen, nicht alle Menschen in die gleiche Schublade stecken». Man müsse in allen Bereichen einander zuhören. «Ich habe keine Mühe damit, wenn man für Gleichberechtigung kämpft, sondern erst, wenn sie radikal, ohne jegliche Diskussion gefordert wird», so der 34-jährige. Diese Meinung vertritt auch Giovanni (17): «Männer alle in den gleichen Topf zu werfen, finde ich primitiv. Natürlich werden mehr Frauen in der Öffentlichkeit belästigt. Aber ich kenne auch Männer, die Gewalt und Belästigung erfahren. Ich finde nicht, dass man hier zwischen den Geschlechtern einen Unterschied machen kann.»
«Männer fühlen sich in der Diskussion um Feminismus unsicher»
Männer fühlten sich in der Diskussion um Feminismus unsicher: «Die Männer haben ihre Emanzipation verschlafen: Sie haben es verpasst, darüber nachzudenken, was Mann-Sein heute bedeutet», sagt Beat Rüst, Verantwortlicher von maennergruppen-schweiz.ch. Männer hätten kaum Freunde, mit denen sie sich über diese Themen austauschen können. «Das Handeln von Männern wird von der Gesellschaft anders beurteilt als das Handeln von Frauen», sagt Rüst.
Dies zeichne sich bereits im Kindesalter ab: «Buben werden in eine Rolle gedrängt.» Männliche Vorbilder würden auch gerade in der Schule laufend wegfallen. Für die Entwicklung vom Jungen zum Mann sei dies irritierend: «Wie sollen sich da Jungen zu Männern entwickeln?»
«Männer sind strukturell betrachtet das Problem»
Es sei verständlich, dass Männer eine Abwehrhaltung entwickeln, wenn es um feministische Themen geht, sagt auch Valentin Kilchmann, Leiter Betrieb und Organisation von männer.ch, dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Diese Reaktion führe aber letzten Endes zu einer Ablenkungsdiskussion vom eigentlichen Thema und ist laut Kilchmann nicht sehr produktiv.
«Natürlich sind nicht alle Männer Täter, aber die meisten Täter sind Männer und das kann kein Zufall sein», so Kilchmann. «Es ist ein wichtiger Balanceakt, zu verstehen, dass dominante Vorstellungen von Männlichkeit strukturell betrachtet das Problem sind, individuelle Männer aber meistens nicht. Jedoch ist das ein Gedankengang, der häufig schwierig zu erfassen ist.» Zuzuhören wäre laut Kilchmann besser, als gleich eine Abwehrhaltung einzunehmen: «Männer sollen sich über Zusammenhänge informieren und versuchen, sie zu verstehen.»
«Gewalt an Frauen ist ein grosses Problem»
Es sei klar, dass sich nicht jeder Mann gegenüber Frauen falsch verhalte, sagt Anna-Béatrice Schmaltz, von der feministischen Friedensorganisation CFD. Die Diskussion um #notallmen sei deshalb fehl am Platz: «Dadurch lenkt man vom Thema ab und an der Situation verändert sich nichts.» Ziel sei ein offener Umgang mit der Problematik und eine konstruktive Umsetzung von Lösungen, sagt Schmaltz. «Männer müssen anerkennen, dass Gewalt an Frauen ein grosses Problem ist. Es braucht ein Umdenken über unsere Geschlechterrollen.»
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