Breel Embolo«Alle sorgen sich um mich, das hört nicht einfach auf»
Nati-Stürmer Breel Embolo (20) ist bestrebt, seine Verletzung aus den Köpfen der Leute zu tilgen. Und aus dem eigenen.
- von
- A. Stäuble
Im September 2015 wurden Sie von Transfermarkt.de als wertvollster U19-Spieler der Welt taxiert. Erinnern Sie sich?
Nein.
Sie haben nie davon gehört oder gelesen? Das ist fast unvorstellbar.
Doch, so ist es aber. Aber der Fakt ist nicht schlecht. (lacht)
Zwei Spieler, die Sie damals hinter sich gelassen haben, sind Anthony Martial und Timo Werner.
Das sind zwei gute Spieler, die bei zwei grossen Clubs sind. Das kommt nicht von nichts.
Anhand welcher Kriterien würden Sie einen Marktwert bestimmen lassen?
Das ist schwierig. Ein Fussballer macht sich nicht gross Gedanken darüber, weil es im Grunde genommen nichts mit ihm als Spieler zu tun hat. Der Marktwert wird erst zum Thema, wenn es um einen Wechsel geht. Ich kann an dieser Stelle meine Erfahrung preisgeben: Es war für mich nicht massgebend, ob sich die Vereine bei 1, 20 oder 100 Millionen gefunden haben. Ich will dorthin, wo ich will.
Und dort sind Sie jetzt?
Ja.
Wissen Sie, wie hoch Ihr aktueller Marktwert ist?
Auch das weiss ich nicht.
20 Millionen Euro.
(lacht) Das ist viel Geld.
Einer, der vor zwei Jahren nicht Teil der Bestenliste war, seit Monaten aber alle verzaubert, ist Kylian Mbappé. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an ihn denken?
Er ist ein sehr guter Spieler, fast zwei Jahre jünger als ich und sein Beispiel zeigt, dass es im Fussball rasant geht.
Bleiben wir beim Alter. Sie sind 20. Überrascht es Sie, was er als 18-Jähriger zu leisten vermag?
Im Fussball ist es so: Entweder du bist gut oder du bist es nicht. Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Und megajung ist Mbappé nicht. Du wirst für die Leistung beurteilt, die du ablieferst. Wir Spieler können nichts dafür, dass der Markt in den letzten Jahren derart explodiert ist. Es zeigt, wie viel der Fussball den Menschen bedeutet. Als Spieler merkst du, wie viele Leute du damit berührst und glücklich machst.
Etwas, was Sie tagtäglich auf Schalke in einer stark ausgeprägten Form erleben ...
… die Emotionen der Leute.
Wie kommen Sie damit klar?
Der Verein ist Emotionen pur. Als ich aus Basel wegging, habe ich mir einen solchen Club gewünscht. Wenn man jung ist, träumt man davon, vor derart vielen Fans spielen zu dürfen. Ich wähnte mich schon im Joggeli im siebten Himmel, als ich vor 36'000 Zuschauern spielen durfte. Und dann bist du auf Schalke und erlebst fast das Doppelte – und das bei jedem Spiel. Das ist nicht selbstverständlich und wunderschön. Es motiviert dich und gibt dir Kraft.
Und sorgt für mehr Druck?
Nein. Druck spürst du überall. Ich kann nur für mich sprechen: Ich habe mich auch nicht gut gefühlt, als ich während meiner Lehre etwas schlecht gemacht habe. Auf dem Platz ist es dasselbe. Ich bin alt genug und brauche keine Menschen, die mir das sagen. Zudem habe ich ein Trainerteam und einen Staff, die den Fussball verstehen und über viel Wissen verfügen. Sie geben mir Aufgaben und verlangen Feuer auf dem Platz. Wenn du das alles erledigst, dann weisst du das selbst. Und wenn nicht, dann auch. Das alles bespreche ich mit dem Coachingteam. Nach einem guten Spiel oder wenn du ein Tor erzielt hast, ist auch nicht alles perfekt.
Zuletzt wurde viel über Sie geschrieben. Auch über Dinge, die Sie nicht gut gemacht haben sollen. Gibt es etwas, das Sie nicht mehr lesen oder hören können?
Nichts. Ich bin in den letzten Monaten nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten, weshalb mir auch keine Fragen gestellt wurden. Wie bereits erwähnt: Es gibt auf Schalke sehr viele Leute, die wissen, was ich kann. Dazu gehört auch das Trainerteam. Deshalb muss ich mir keine Gedanken darüber machen, wenn einmal etwas geschrieben wird oder jemand das Gefühl hat, dass es nicht läuft.
Sie verletzten sich im Oktober 2016 gegen Augsburg schwer und mussten elf Monate pausieren. Wie weit sind Sie heute?
Das ist schwierig zu sagen. Nach einer Verletzung stehst du nicht von Beginn weg auf dem Platz, kriegst keine 90 Minuten, verfügst nicht über das gleiche Selbstvertrauen, hast den Kopf nicht frei. Kurz: Die Verletzung ist Teil von dir. Ich sehe mich viel, viel weiter als vor zwei Jahren. Während meiner Verletzungszeit habe ich einen riesigen Schritt nach vorn gemacht, nicht nur körperlich, was genauso wichtig ist. Im Fussball braucht es einen starken Kopf, und während diesen elf Monaten habe ich auch in dieser Hinsicht enorme Fortschritte erzielt. Es war eine lange Zeit, aber so gesehen vielleicht nicht einmal eine so schlechte.
Was haben Sie für Pläne bis im Sommer 2018?
Bis zur Rückrunde will ich noch so viele Minuten sammeln und so viele positive Momente auf und neben dem Platz erleben wie möglich. Es geht für mich jetzt darum, die Verletzung aus den Köpfen der Leute – und auch aus meinem – zu kriegen. Wenn ich auf dem Platz bin, versuche ich, wieder Spass zu haben. Ich will das tun, was ich immer gemacht habe. Ich will nicht viel überlegen müssen, sondern rausgehen und spielen. Vielleicht braucht es noch etwas Zeit. Ungeduld kann aufkommen, aber ich spüre, dass es wieder gut kommt, deshalb bin ich zuversichtlich und ganz, ganz ruhig.
Welche Köpfe von welchen Leuten meinen Sie?
Einige. Es ist natürlich ein riesiges Thema. Die Fans, das Trainerteam, der Sportchef, die Mitspieler: Es machen sich alle Sorgen und das hört nicht einfach so auf. Jeder nimmt Rücksicht auf mich.
Braucht es das?
Ich behaupte nicht, aber ich weiss, dass es gut gemeint ist, und so erachte ich es als etwas Schönes, als eine Art Wertschätzung. Es zeigt mir, dass man an mich glaubt und man mich weiterbringen will. Ich bin nun einmal erst 20 und hoffe, noch lange Fussball spielen zu können. Vielleicht versteht man manche Dinge nicht, wenn man erst 20 ist und im Fussball manchmal halt eben doch nur der Moment zählt. Im Nachhinein sieht das Ganze dann aber wieder total anders aus.
Apropos Momentaufnahme. Ihr Marktwert vor zwei Jahren als begehrtester Fussball-Teenager lag bei 16 Millionen.
Oh, wow, dann bin ich sogar aufgestiegen! (lacht)