Geschichten vom GotthardAls die Russen in der Schöllenen Krieg führten
Der Gotthard stellte nicht nur die Bahnbauer vor Herausforderungen, sondern war auch Schauplatz für eine der legendärsten Schlachten auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft.
- von
- Jean-Claude Gerber

Zeitgenössische Darstellungen der Schlacht an der Teufelsbrücke prägten das kollektive Gedächtnis von Generationen von Schweizern. (Bild: wikipedia.org)
Wir schreiben das Jahr 1799 und die Schweiz ist ein Satellitenstaat des postrevolutionären Frankreichs. 1798 hatten die französischen Revolutionäre im Namen der Freiheit und der Menschenrechte die alte Eidgenossenschaft vom Ancien Régime «befreit». Doch Frankreich hatte mächtige Feinde: England, Russland und Österreich. Diese hatten sich verbündet, um Frankreich in seine Grenzen zurückzudrängen und die Herrschaft der Aristokratie wiederherzustellen. Um ihre Ziel zu erreichen, schmiedete die Koalition einen für die Schweiz fatalen Plan: Die französischen Truppen sollten von Süddeutschland und Norditalien aus angegriffen und zerrieben werden. So wurde die zentral gelegene Schweiz mit ihren wichtigen Alpenübergängen zum zentralen Schlachtfeld Europas.
Im Frühling 1799 schlugen die Verbündeten im Zweiten Koalitionskrieg los und fügten den Franzosen in Deutschland und Italien vernichtende Niederlagen zu. Auch auf dem Gebiet der Schweiz gelangen den Österreichern schnelle Erfolge. Doch bereits im Juli eroberte Frankreich weite Teile der Helvetischen Republik zurück, darunter Zürich, Schwyz, Uri und den Gotthard. Jetzt sollte es der angesehene General Alexander Suworow richten, der den Franzosen die Lombardei abgetrotzt hatte. Der Plan der Koalition sah vor, dass sein Heer von Oberitalien über den Gotthard nach Schwyz vorstösst, um sich dort mit weiteren russischen und österreichischen Truppen zu vereinigen. So verstärkt wollten die Verbündeten am 26. September 1799 Zürich von den Franzosen befreien.
Die Schlacht auf dem Gotthard
Suworow und seine rund 21 000 Soldaten erreichten am 15. September 1799 Taverne nördlich von Lugano. Dort sollten bereits 2000 Maultiere auf sie warten, die sie dringend benötigten, um den Nachschub und die schweren Geschütze über die Alpen zu transportieren. Doch statt den Maultieren gab es in Taverne nur Dauerregen, der während der sechstägigen Zwangspause die Biwaks und den Proviant der Russen durchnässte. Der ambitiöse Plan, Zürich am 26. September mit vereinten Kräften einzunehmen, erlitt bereits im Tessin eine entscheidende Verzögerung. Dennoch marschierten Suworows Soldaten nach Eintreffen der Lasttiere am 21. September endlich gen Norden los.
Drei Tage später erreichen sie frühmorgens den Gotthard, wo sich 3800 Franzosen beim Hospiz verschanzt hatten. Sie liefern den numerisch überlegenen Russen erbitterten Widerstand. Mit einem kühnen Umgehungsmanöver gelingt es einer russischen Abteilung den Franzosen in den Rücken zu fallen. Der Gotthardpass war erobert, doch bezahlten den Sieg 1200 Russen mit ihrem Leben. Die Franzosen hatten sich derweil nach Hospental zurückgezogen, wo sie sich erneut heftig wehrten. Diesen Widerstand brach die Ankunft von General Rosenberg, der vom Tessin herkommend mit 6000 Mann die französische Gotthardstellung via Lukmanier- und Oberalppass umgangen hatte. Die verbliebenen Franzosen flüchteten in die Schöllenenschlucht, wo sie sich hinter der Teufelsbrücke verbarrikadierten.
Schlacht an der Teufelsbrücke
So war die Ausgangslage geschaffen für eine Schlacht, die den Mythos Gotthard für immer mitprägen sollte. Im Morgengrauen des 25. September blies General Suworow zum Sturm auf die Teufelsbrücke. Um die Russen aufzuhalten, hatten die Franzosen einen Bogen am Zugang zur Brücke zerstört. Dennoch stürmte eine russische Welle um die andere auf die schmale Brücke in der engen Schlucht zu. Die Franzosen wehrten sich nach Kräften und feuerten Schuss um Schuss auf den wild entschlossenen Gegner. Wohl hunderte Soldaten starben auf beiden Seiten durch Gewehrkugeln, verbluteten an Bajonettstössen oder ertranken in der tobenden Reuss. Zeitgenössische Gemälde zeigen das legendäre Gemetzel in eindrücklicher Dramatik und trugen dazu bei, die Schlacht an der Teufelsbrücke ins kollektive Gedächtnis der Schweiz zu brennen. Seit 1898 erinnert zudem das 28 Meter hohe Suworow-Denkmal an die Schlacht. Aufgestellt hatte es der russische Staat zu Ehren «der heldenhaften Mitstreiter von Generalissimus Feldmarschall Graf Suworow Rimnikski, Prinz von Italien, die beim Zug über die Alpen im Jahre 1799 ihr Leben verloren».
Die Schlacht an der Teufelsbrücke konnten die Russen schliesslich für sich entscheiden. Die Franzosen vor sich hintreibend erreichte Suworows Heer am 26. September völlig erschöpft Altdorf. Doch am Ufer des Urnersees war den Soldaten eine direkte Passage Richtung Schwyz verwehrt. Zu seiner Verwunderung musste Suworow feststellen, dass es dem Vierwaldstättersee entlang keine Strasse gab. Auch Boote gab es weit und breit keine. Dafür hatten die flüchtenden Franzosen gesorgt. So blieb dem Generalissimus nur die beschwerliche Route über den Kinzigpass und das Muotathal zum Treffpunkt in Schwyz. Doch dort sollte er nie ankommen. In Muotathal erfährt er von der Niederlage der russisch-österreichischen Truppen in der Zweiten Schlacht von Zürich am 25. und 26. September. Jetzt ging es für das von den Strapazen gezeichnete und bereits stark dezimierte russische Heer nur noch um Schadensbegrenzung. Über den Pragel- und Panixerpass erreichen am 7. Oktober noch 15 000 von ursprünglich 21 000 Soldaten Chur. Über das Rheintal verliessen sie die Schweiz und kehrten nach Russland zurück.
Zurück in seiner Heimat wird Suworow von Zar Paul I. seines Kommandos als Oberbefehlshaber aller russischen Streitkräfte enthoben. Der Generalissimus, dessen Name für immer untrennbar mit dem Gotthard und der Schöllenen verbunden bleibt, stirbt schliesslich am 18. Mai 1800 verbittert und vom Hof geächtet.