Windisch AG«Als wir die Kündigung erhielten, begannen die Kinder zu weinen»
In Windisch AG müssen 49 Mieterinnen und Mieter einer Asylunterkunft weichen. 20 Minuten hat mit den Betroffenen gesprochen.



- von
- Erika Unternährer ,
- Monira Djurdjevic ,
- Lynn Sachs
Darum gehts
In Windisch soll eine Asylunterkunft für rund 100 Personen entstehen.
Der Gemeinderat ist darüber verärgert, dass dafür Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen verlassen müssen.
20 Minuten konnte mit den betroffenen Mieterinnen und Mietern sprechen.
Für eine geplante Asylunterkunft in Windisch AG müssen 49 Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen verlassen. Betroffen ist unter anderem der 32-jährige Björn Waltert. Wie er gegenüber 20 Minuten erzählt, wohnt er seit 1,5 Jahren dort: «Mir wird mein Zuhause weggenommen. Ich bin traurig und fühle mich unfair behandelt.» Er habe zuvor auf der Strasse gelebt und sei froh gewesen, eine Wohnung gefunden zu haben: «Für mich wird es nun sehr schwierig, etwas Neues zu finden. Ich lebe von Sozialhilfe und habe einen Hund.»
Betroffen von der Kündigung sind auch Julia (37) und ihre Familie. «Mein Mann und ich wohnen mit unseren drei Kindern seit acht Jahren hier. Wir fühlen uns sehr wohl und haben tollen Kontakt zu den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern», erzählt Julia. Umso schlimmer sei es, dass sie nun ausziehen müssen: «Als wir die Kündigung erhielten, begannen die Kinder zu weinen. Sie haben Angst, ihre Gspändli zu verlieren.»
Auch Nachbarin Arianne, die seit 1,5 Jahren mit ihrer Tochter (13) in dem Haus wohnt, ist traurig: «Wir fühlen uns gedemütigt. Es fühlt sich so an, als wär man hier nicht gewollt. Der Kanton entscheidet über unsere Köpfe und jene der Gemeinde hinweg», sagt die 46-Jährige. Und ein Mieter, der anonym bleiben möchte, sagt: «Ich wohne am längsten hier und fühle mich verarscht, dass ich wegen einer geplanten Asylunterkunft meine Wohnung räumen muss.»
Gemeinde kritisiert Regierungsrat
Der Gemeinderat kritisiert den Regierungsrat scharf. Wie es bei der Gemeinde Windisch auf Anfrage heisst, wird man sich beim Kanton dafür einsetzen, dass die Kündigungen rückgängig gemacht werden. «Wenn der Kanton die Liegenschaft nicht mietet, gibt es für die Vermieterin keinen Grund, die Kündigungen aufrechtzuerhalten», sagt Gemeindeschreiber Marco Wächter. Eine rechtliche Grundlage für eine Anfechtung der Kündigung vonseiten der Gemeinde gebe es nicht, weil die Mietverträge direkt zwischen Vermieter und Mieter abgeschlossen wurden.
Man werde die Mieterinnen und Mieter aber informieren, wie sie gegen die Kündigungen vorgehen können. Aufgrund der günstigen Mieten seien vor allem finanziell schwächere Personen betroffen, vereinzelt auch Familien mit Kindern. Die sozialen Dienste bieten Unterstützung an, wenn Mieterinnen und Mieter bei der Suche nach neuem Wohnraum diese benötigen. «Die Gemeinde Windisch hat zurzeit keinen eigenen leer stehenden Wohnraum, der den Betroffenen angeboten werden kann», sagt Wächter.
Mieter können Kündigung anfechten
Laut Rechtsanwalt Christian Lenz von der Kanzlei Lenz & Caduff haben Vermieterinnen und Vermieter grundsätzlich das Recht, Mietparteien zu kündigen, solange die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben verstösst und gewisse Formvorschriften eingehalten wurden. Mieterinnen und Mieter können nach dem Erhalt einer Kündigung diese aber während dreissig Tagen bei der Schlichtungsbehörde anfechten.
«Vor der Schlichtungsbehörde müssen sie dann geltend machen, dass die Kündigung missbräuchlich und deshalb ungültig ist oder dass es sich in ihrem Fall um einen Härtefall handelt, weshalb das Mietverhältnis verlängert werden muss», sagt Lenz. Härtefälle seien zum Beispiel Seniorinnen und Senioren, die wegen ihres Alters und der eingeschränkten Mobilität Mühe haben, eine passende Wohnung zu finden oder Mietende, die schulpflichtige Kinder haben, die wegen des Umzugs mitten im Schuljahr die Klasse wechseln müssten.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Fragen zu Miete oder Vermietung?
Hier findest du Hilfe:
Mietrecht.ch, Schlichtungsstellen nach Region
Rechtsauskunftsstellen nach Region
Mieterinnen- und Mieterverband, Tel. 0900 900800 (kostenpflichtig)
Casafair, Hauseigentümerverband
HEV Schweiz, Hauseigentümerverband
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