Angestellte erzählen: «Am schlimmsten ist ein Meeting, wenn man ein Projekt zu Ende bringen muss»

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Angestellte erzählen«Am schlimmsten ist ein Meeting, wenn man ein Projekt zu Ende bringen muss»

Mitarbeiter beklagen sich über zu viele Meetings in Firmen. Experten erklären, wie sich die Meeting-Flut auf die Mitarbeitenden auswirken kann. 

Michelle Ineichen
Thomas Obrecht
Janina Schenker
von
Michelle Ineichen
,
Thomas Obrecht
,
Janina Schenker

20 Minuten hat Passantinnen und Passanten in Zürich gefragt, was sie von Meetings halten.

Video: 20min/Janina Schenker

Darum gehts

  • Angestellte beklagen sich über zu viele Meetings in Firmen.

  • Experten erklären, wie sich die Meeting-Flut auf die Mitarbeitenden auswirken kann. 

Sie werden als «sinnlos» und «unnötig» bezeichnet: Meetings in Firmen. Mittlerweile gibt es in Unternehmen so viele Sitzungen, dass sich immer mehr Angestellte beklagen. «Wegen der Meeting-Flut bleibt die Arbeit liegen und ich muss Überstunden machen. Ich fühle mich gestresst und bin frustriert», sagt A.* (32) aus Zürich. 

L.* (40) hat mehrere Meetings pro Tag: «Ein Teil der Anwesenden hört sich gerne selbst reden und schwafelt unnützes Zeug.» Obwohl die Arbeit liegen bleibe, fühle sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin gezwungen, daran teilzunehmen: «Wenn man nicht präsent ist, wird man von anderen Projekten ausgeschlossen», so L. 

«Für jeden Scheiss wird ein Meeting organisiert. Ich muss an Sitzungen teilnehmen, auch wenn ich gar nichts mit dem Thema zu tun habe», sagt Marketing-Mitarbeiter S.L.* (27). Darunter leide insbesondere die Qualität seiner Arbeit: «Aufgrund der Flut an Meetings kann ich sie nicht immer mit der gleichen Sorgfalt ausführen.»

Auch L.J. * (25), Kundenberater bei einer Bank, sagt: «Durch die vielen Sitzungen fehlt mir häufig die Zeit, mich auf meine eigentliche Arbeit zu konzentrieren.» Oftmals müsse er Überstunden leisten, um sich auf die Kundentermine vorzubereiten: «Ich stehe unter enormen Druck, um den Kundinnen und Kunden gerecht zu werden und will nicht, dass die Qualität leidet.» V.* (50) aus Biel glaubt, den Grund für die vielen Meetings zu kennen: «Ansonsten hätten doch die Leiter und ihre Stellvertreter zu viel Zeit und wären nicht beschäftigt.» 

20 Minuten hat auch Passantinnen und Passanten in Zürich gefragt, was sie von Meetings halten (siehe Video).

«Der Stress kann die Betroffenen krank machen»

Die Problematik ist Experten bekannt. «Viele Angestellte haben das Gefühl, dass gewisse Meetings sie nur von der Arbeit abhalten», sagt Hansjörg Schmid, Sprecher beim Verband Angestellte Schweiz. Sie seien dann gestresst, dass sie in ein Meeting müssen und mit der Arbeit nicht vorankommen: «Dadurch leisten sie am Meeting kaum einen konstruktiven Beitrag.»

Auch die Motivation sinke: «Der Stress kann die Betroffenen krank machen», sagt Schmid. Dass man Meetings jetzt auch online durchführen kann, habe sicher nicht dazu geführt, dass weniger davon stattfinden. «Das Gegenteil dürfte der Fall sein.»

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«Am schlimmsten ist ein Meeting, wenn man ein Projekt zu Ende bringen muss», sagt Leila (30), Innenarchitektin und Yoga-Lehrerin. 

«Am schlimmsten ist ein Meeting, wenn man ein Projekt zu Ende bringen muss», sagt Leila (30), Innenarchitektin und Yoga-Lehrerin. 

20min/Janina Schenker
«Bei uns gibt es Fokustage, an denen man keine Meetings ansetzt oder nicht ansetzen sollte», erzählt Luca. 

«Bei uns gibt es Fokustage, an denen man keine Meetings ansetzt oder nicht ansetzen sollte», erzählt Luca. 

20min/Janina Schenker 
Immer mehr Mitarbeiter beklagen sich über zu viele Meetings in Firmen. (Symbolbild)

Immer mehr Mitarbeiter beklagen sich über zu viele Meetings in Firmen. (Symbolbild)

Getty Images

Vor allem virtuelle Meetings haben zugenommen

Laut Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik bei Travailsuisse, hat die Pandemie das Problem verschärft: «Insbesondere die virtuellen Meetings haben während Corona stark zugenommen. Viele Unternehmen haben diese beibehalten.» Mittlerweile werden Meetings für Kleinigkeiten einberufen und Personen hinzugeholt, die eigentlich nur am Rande mit dem Thema etwas zu tun hätten: «Durch die virtuellen Meetings ist man nicht nur schneller erreichbar, auch die Hemmschwelle sinkt, da für die Sitzung niemand extra ins Büro zitiert werden muss», so Fischer.  

Durch die steigende Anzahl an Meetings fühlten sich immer mehr Mitarbeitende gestresst. Einerseits sei der Druck, daran teilnehmen zu müssen, enorm. Hinzu kommen die Unterbrechungen im Arbeitsfluss, die die Angestellten an ihrer Produktivität hindern. «Alleine zwei bis drei Meetings pro Woche nehmen schnell fünf Stunden ein, die dann als reine Arbeitszeit fehlen», so Fischer. Die Meeting-Flut führe dazu, dass die tägliche Arbeit liegen bleibe: «Um diese trotzdem bewältigen zu können, wird sie dann entweder hingemurkst, was der Qualität schadet, oder es müssen Überstunden geleistet werden.» 

In Deutschland haben einige Firmen bereits sitzungsfreie Tage eingeführt. Auch in der Schweiz ziehen vereinzelte Unternehmen nach. 20 Minuten hat mit den Firmen gesprochen. 

*Name der Redaktion bekannt

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