BasisbewegungAmerikas «Capuccino-Linke» macht mobil
In den USA formieren sich die Gegner der rechten Tea-Party-Bewegung: Sie nennen sich Coffee Party und mobilisieren via Facebook. Gemeinsam ist beiden Basisgruppen der Frust über die politische Blockade in Washington.
- von
- Peter Blunschi
Seit Monaten sorgt die Tea-Party-Bewegung (siehe Infobox) für Lärm am rechten Rand. Sie poltert gegen die Regierung, hohe Steuern, die explodierende Staatsverschuldung und vor allem gegen Präsident Barack Obama, den sie als anti-amerikanisch und sozialistisch bezeichnet. Bisheriger Höhepunkt war ein nationaler Kongress Anfang Februar in Nashville, samt Auftritt von Sarah Palin – die ehemalige republikanische Vizepräsidentschafts-Kandidatin ist das Aushängeschild der rechtskonservativen Basisbewegung.
Nun hat der Hype um die Tea Party eine Gegenreaktion ausgelöst. Annabel Park, eine Filmemacherin koreanischer Abstammung, lancierte im Januar eine Facebook-Seite unter dem Namen «Coffee Party» – eine augenzwinkernde Anspielung auf die oft als «Capuccino-Linke» verspotteten linksliberalen Eliten: «Lasst uns zusammenkommen, Capuccino trinken und einen echten politischen Dialog führen mit Substanz und Mitgefühl», hielt Park fest und grenzte sich damit von den oft rüpelhaften und geschmacklosen Tea-Party-Auftritten ab.
Für die Coffee-Party-Bewegung ist die Regierung «nicht der Feind des Volkes, sondern Ausdruck des gemeinsamen Willens». Man wolle politische Führer unterstützen, «die sich für positive Lösungen einsetzen, und jene zur Verantwortung ziehen, die sie verhindern». Inhaltlich liegt die Coffee Party weitgehend auf der Linie von Präsident Obama – eine Umfrage auf der Website der Bewegung zeigt, dass die Gesundheitsreform als derzeit wichtigstes Politthema betrachtet wird – das Kernanliegen von Obama.
Grabenkämpfe in Washington
Gegenüber der «New York Times» betonte Annabel Park, dass es Gemeinsamkeiten mit der Tea Party gebe, etwa der Wunsch nach einer vernünftigen Finanzpolitik oder die Frustration über den Kongress, wo sich Demokraten und Republikaner in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten unversöhnliche Grabenkämpfe liefern: «Wir müssen den Leuten in Washington die Botschaft übermitteln, dass sie zusammenarbeiten und sich nicht wie an einer Kampfsport-Veranstaltung benehmen sollen.»
Jüngstes Beispiel ist eine Debatte im Senat über die Freigabe von zehn Milliarden Dollar, um Arbeitslosenhilfe und Strassenbauprojekte zu finanzieren. Ohne die Bewilligung hätten alleine in dieser Woche 200 000 Arbeitslose keine öffentliche Unterstützung mehr erhalten. Zudem hätten 2000 Arbeiter auf öffentlichen Baustellen nicht länger bezahlt werden können. Dennoch hatte der republikanische Senator Jim Bunning die Abstimmung mehrere Tage blockiert, weil er die Demokraten zur Gegenfinanzierung der Massnahmen zwingen wollte.
Unzufriedenheit als idealer Nährboden
Umfragen belegen, dass die Unzufriedenheit über die Blockade in Washington im Volk weit verbreitet ist. Laut «Washington Post» sind zwei Drittel der Amerikaner unzufrieden oder verärgert über die Arbeit der Regierung. Gegen 40 Prozent bezeichnen sich als «unabhängig» und rücken damit von den beiden grossen Parteien ab. Dieses Klima bildet einen idealen Nährboden für Basisbewegungen wie die Tea oder Coffee Party.
Seit grosse Medien über Annabel Parks Bewegung berichten, explodiert das Interesse. Bereits haben sich über 60 000 Fans auf der Facebook-Seite eingetragen. In mehr als 30 Bundesstaaten wurden Coffee-Party-Ableger gegründet, und am 13. März soll der Schritt aus der virtuellen in die reale Welt vollzogen werden. An diesem Tag sollen im ganzen Land «Kaffeehäuser» eingerichtet werden, wo sich Interessierte versammeln können. Und im Sommer ist ein nationaler Kongress geplant – mit Kaffee statt Tee.
Die Tea-Party-Bewegung
Der Name der Bewegung geht zurück auf die Boston Tea Party. Am 16. Dezember 1773 warfen als Indianer verkleidete Siedler Teeladungen ins Hafenbecken. Sie lehnten sich damit gegen Steuerpläne ihrer britischen Kolonialherren auf. Ihr Slogan lautete «No Taxation without Representation» - keine Besteuerung ohne Mitbestimmung. Die Boston Tea Party gilt als wichtige Vorstufe zur amerikanischen Unabhängigkeit, die drei Jahre später erklärt wurde.