Ächtung überwundenAn einer Front hat die Hamas schon gewonnen
Der letzte Gazakrieg liegt erst vier Jahre zurück, doch nach dem Arabischen Frühling ist die Ausgangslage diesmal anders: Die einst isolierte Hamas hat mächtige neue Patrons im Rücken.
- von
- kri

Der Emir von Katar, Hamad bin Chalifa Al Thani, mit Hamas-Anführer Ismail Haniyya Ende Oktober im Gazastreifen.
Immer wieder diese Raketen aus dem Gazastreifen. Der Schaden hält sich in Grenzen, doch die Nadelstiche reizen den Nachbarn. Irgendwann ist genug und Israel entscheidet sich zurückzuschlagen. So kam es 2008 zur Militäroperation «gegossenes Blei». Ob die Konfrontation auch diesmal in eine Invasion münden wird, ist noch ungewiss. Klar ist hingegen, dass sich die Vorzeichen in den vergangenen vier Jahren radikal verändert haben.
Während des Gazakriegs 2008 war der Grenzübergang vom Gazstreifen nach Ägypten meistens geschlossen. Flüchtlinge mussten drin, Journalisten und Hilfsgüter draussen bleiben. Das war in der Ära Hosni Mubaraks, der in der Region die Interessen der USA wahrnahm. Heute wird Ägypten von einem Muslimbruder und damit natürlichen Verbündeten der Hamas regiert. Mohammed Mursi schickt seinen Premierminister nach Gaza und zwingt Israel so zu einer Feuerpause. Seinen Botschafter in Tel Aviv hat er aus Protest abberufen.
Teheran und Damaskus schweigen
Weiter fällt auf, wie wenig von den traditionellen Verbündeten der Hamas zu hören ist. 2008 war es die geächtete Achse Iran-Syrien-Hisbollah, welche Israel am lautesten wegen der Militäroperation anklagte. Dass Syrien und die Hisbollah derzeit innenpolitisch vereinnahmt sind, ist nur die Häfte der Wahrheit: Die Hamas hat mit Ägypten, Katar und der Türkei – alles Verbündete der USA – neue Fürsprecher gefunden. Für die Führung in Gaza ist das unabhängig vom Ausgang der Konfrontation ein politischer Sieg: Die neue Patronage illustriert, dass sich die einst geächtete Organisation aus ihrer Isolation gelöst hat.
Ganz überraschend kommt all dies nicht. Ende Oktober hatte der Emir von Katar als erster arabischer Staatschef seit der Machtübernahme der Hamas 2007 den Gazastreifen besucht. Dort kündigte er ein 254 Millionen Dollar schweres Investitionsprogramm an, mit dem neue Wohnungen und Strassen gebaut werden sollen. Das winzige aber schwerreiche Emirat am Persischen Golf spielt im Arabischen Frühling eine wichtige Rolle. Das Wort von Emir Hamad bin Chalifa Al Thani hat Gewicht. Er versorgte die libyschen Rebellen mit Waffen und unterstützt die syrische Opposition.
Schwäche der Palästinensischen Autonomiebehörde
Die neue Stärke der Hamas geht einher mit der Schwäche der rivalisierenden, säkular geprägten Palästinensischen Autonomiebehörde. Diese regiert Teile der Westbank und war bisher alleiniger Ansprechpartner im Friedensprozess mit Israel. Für die USA und Europa wird es zunehmend schwierig zu rechtfertigen, warum die Islamisten in Kairo und Tunis, nicht aber in Gaza akzeptable Gesprächspartner darstellen.