SexualkundeAn Holz-Penissen scheiden sich die Geister
Die Volksinitiative gegen zu frühe Sexualkunde in der Schule ist umstritten. Gegner und Befürworter kreuzen für 20 Minuten Online ihre Klingen.
- von
- Lorenz Hanselmann
Die Sexualkunde soll freiwillig sein, so ein überparteiliches Komitee, dem Nationalräte aus SVP, FDP und CVP angehören. Seit Dienstag sammelt es Unterschriften für die Initiative. Die Eltern im Komitee stören sich primär an den Sex-Koffern, mit der Basler Lehrer ihre Schüler aufklären sollen. Diese enthalten ein Buch mit Bildern von Geschlechtsteilen sowie Holz-Penisse und eine Plüsch-Vagina.
PRO (Pro Initiative bwz. Contra Sexkoffer)
Benjamin Spühler, Co-Präsident des Initiativkomitees:
Der obligatorische Sexualkundeunterricht muss abgeschafft werden! Wir haben mit Fachleuten wie dem renommierten Kinderarzt Remo Largo gesprochen. Sie sind mit uns einig, dass ein obligatorischer Sexualkundeunterricht für Unter-9-Jährige völlig verfehlt ist. Ausserdem sagt der Tiefenpsychologe Sigmund Freud: Kinder, die sexuell stimuliert werden, sind nicht mehr erziehbar. Sicher werden Kinder heute schon früh durch Fernsehen und Internet mit Sex konfrontiert. Aber sollen wir deshalb das Feuer mit Benzin löschen? Mit dem Sexualunterricht würden die Kinder belästigt und unnötig früh sexualisiert. Das zeigt auch die Reaktion der Post, als wir Bilder aus der Basler Sexbox für Kindergärtler der ganzen Bevölkerung von Basel-Stadt bekannt machen wollten.
Sie weigerte sich, diese Bilder zu verteilen. Sie seien pornografisch und anstössig. Dann hat Erziehungsdirektor Christoph Eymann wegen unseres Protests die Sexboxen revidieren müssen. Doch das reicht uns nicht! Es geht hier um unsere Grundrechte wie persönliche Freiheit und Schutz der Integrität des Kindes. Sexualerziehung ist Sache der Eltern. Für jene, die ihre Kinder nicht selbst aufklären wollen, haben wir in der Volksinitiative freiwilligen Sexualkundeunterricht ab neun Jahren vorgesehen.
CONTRA (Contra Initiative bzw. Pro Sexkoffer)
Titus Bürgisser, Leiter Zentrum Gesundheitsförderung, PHZ Luzern:
Die Initiative ist klar abzulehnen. Sie gibt vor, die Kinder schützen zu wollen – sie erreicht aber das Gegenteil. Schulische Sexualerziehung ist eine der Grundlagen, dass Kinder und Jugendliche in der Schweiz gut informiert sind, sich schützen und dass wir eine tiefe Rate von Teenagerschwangerschaften haben. Schüler haben im Alltag doch einfach Fragen zu ihrem Körper, zu Beziehungen und zur Sexualität. Wenn Lehrpersonen auf diese Fragen keine Antworten mehr geben dürfen, fördert dies die Tabuisierung und damit die Gefährdung für Missbrauch und Übergriffe. Eine Reduktion der Sexualerziehung auf Informationsvermittlung zu biologischen Vorgängen allein ist von Jugendlichen unerwünscht und befähigt sie nur ungenügend zum verantwortungsvollen und selbstbewussten Handeln.
Die Initiative gefährdet auch die bisherige Zusammenarbeit von Schule und Eltern in der Sexualerziehung. Dabei ist dies eine Aufgabe, die Eltern und Schule gemeinsam wahrnehmen müssen. Zudem zeichnet sie ein verzerrtes Bild schulischer Sexualerziehung und Sexualkunde und desavouiert die Arbeit der Lehrpersonen. Sie unterstellt ihnen und der Schule unprofessionelles Handeln und untergräbt damit ihre Autorität, statt sie zu stärken und zu unterstützen. So wird auch der Beizug von Fachleuten verunmöglicht, der sich in den meisten Kantonen etabliert hat.