Petri UnheilAngelkönig will den Wels nur «besuchen»
Jakub Vagner hat in seinem Leben mehr Fische als Frauen geküsst. Jetzt will er im beschaulichen Bettlach in der Aare dem Riesenwels nachjagen – und hat damit einen Riesenwirbel ausgelöst. Dabei glaubt niemand wirklich, dass es den Fisch gibt.
- von
- Marius Egger
Bei Frau Steininger läuft der Draht heiss. Ein Reporter aus Frankfurt habe sich angemeldet, das Schweizer Fernsehen wolle für eine Nachrichtensendung dabei sein, ebenso die People-Sendung «Glanz & Gloria». Und das tschechische Fernsehen kommt sowieso. Denn aus Tschechien stammt der Protagonist, der in seinem Heimatland so bekannt ist wie ein bunter Wels: Jakub Vagner, geboren 1981, Sportangler und gemäss Steininger ein Aushängeschild der Szene, das in seinem Leben «mehr Fische geküsst hat als Frauen». Jetzt will er dem Riesenwels aus dem Bettlerank nachjagen (20 Minuten Online berichtete) und hat damit in der Region Solothurn einen Riesenwirbel ausgelöst.
Drohmails gegen den Fischer
Der Rummel ist längst nicht mehr zu stoppen. Der Grenchner Tierschutz hat Anfang Woche das «Komitee pro Wels» gegründet und setzt sich unter anderem dafür ein, dass «der Wels im Bettlerank nicht zum Showobjekt degradiert und als Trophäe missbraucht wird». Bei Frau Steininger hingegen läuft nicht nur der Draht heiss, sondern auch die Mailbox voll. «In den letzten Tagen sind rund 20 Drohmails eingegangen», sagt Renata Steininger vom Reiseunternehmen First-Class-Fishing. Sie kennt Vagners Eltern seit über 30 Jahren und unterstützt den Sportfischer bei seinem Unterfangen in der Schweiz. «Die Absender würden uns am liebsten einsperren, in die Psychiatrie stecken oder davonjagen.»
«Ich werde einen Wels fangen, ja»
«Herr Vagner will beweisen, dass es den Fisch nicht gibt», sagt Renata Steininger. Unklar ist derzeit, wie er das machen will. Vagner selbst hatte in einem Interview mit dem «Sonntag» verkündet, er «werde einen Wels fangen, ja. Aber keinen, der drei Meter gross ist». Mehrfach betonte Vagner zudem, er werde den Wels wieder freilassen. Doch genau dies ist nach Schweizerischem Fischereigesetz verboten. Nicht nur der angekündigte Gesetzesbruch hat die Fischer und den Tierschutz in Rage versetzt. Der Welsfang sei eine reine Show, der den Fisch unnötig unter Stress setze, finden sie. Renata Steininger wehrt sich heute mit Vehemenz gegen diese Darstellung. Vagner habe gar nie gesagt, dass er den Fisch wirklich fangen wolle, «er will ihn besuchen kommen». Wie der Besuch vonstatten gehen soll, weiss offenbar auch Steininger nicht. Und der Protagonist selber, Jakub Vagner, weilt derzeit in Thailand. Geht Vagner mit der Unterwasserkamera beim Wels zu Besuch? Oder sucht er den Fisch vom Boot aus? Die ganz grosse Frage aber lautet:: Welchen Wels will der Weltrekordfischer überhaupt besuchen kommen oder aus dem Wasser ziehen?
Höchstens 2,4 Meter gross
Anton Zaugg, Präsident des Solothurner Fischereiverbands, spricht von einem «Riesen-Gstürm», das ausgebrochen sei. «Und das wegen einem Phantomfisch.» Tatsächlich glaubt niemand ernsthaft daran, dass es in der Aare einen Wels gibt, der drei Meter lang ist. «Es würde mich wundern, wenn es diesen Fisch geben sollte», zweifelte Patrick Steinmann, Präsident der Biologiekommission des Schweizer Unterwasserverbandes SUSV an einer Podiumsveranstaltung. Auch Sportfischer Vagner liess verlauten, der Fisch sei «höchstens 2,4 Meter gross». Nur der Riesenwels-Entdecker Alain Bauermeister verteidigte sich: Der Fisch sei gleich lang gewesen, wie die Distanz von der Spitze seiner Taucherflossen bis zu den ausgestreckten Armen, und das seien «etwa drei Meter», sagte Bauermeister an einer Diskussionsrunde.
Wann und wo der Wels an den Haken gehen soll, weiss in der Region Bettlach sowieso niemand. Und geht es nach Steininger, soll das Rätsel auch nicht gelüftet werden. «Wir überlegen uns, Ort und Zeitpunkt der Aktion geheim zu halten. Gut möglich, dass Herr Vagner anonym in die Schweiz kommt». Den Entscheid werde man in einem Communiqué mitteilen, sagt Steininger. Die Region wird deswegen nicht zur Ruhe kommen – im Gegenteil.
Das Geschäft mit dem Phantomfisch
«Für den Fisch», sagt Anton Zaugg, «ist der ganze Rummel schlecht, die Region aber profitiert.» Bereits jetzt habe er gegen 1900 Fischereikarten verkauft, 100 mehr als im Vorjahr. Von einem Ansturm auf das «Bettlerank» könne man noch nicht sprechen. «Messbar wird das erst, wenn die Tages- und Kurzzeitpatente im Sommer verkauft werden.» Zaugg ist sich ziemlich sicher, dass der Absatz zunimmt. Bereits jetzt melden sich Fischerkollegen aus Deutschland und Österreich, die sich für Fischerferien in der Schweiz interessieren. «Die Anbieter von Fischereiartikeln werden das in diesem Sommer schon noch spüren», ist sich Zaugg ziemlich sicher. Der Umsatz werde zunehmen. Aber Zaugg bleibt dabei: «Die ganze Publizität ist nicht gerechtfertigt. Das ist ein Riesen-Gstürm um einen Phantomfisch».
Jakub Vagner fischt (Quelle: Youtube)