VerkaufsboomAngst vor Gepäckverlust – jetzt packen Schweizer GPS-Tracker in ihre Koffer
Die Menschen in der Schweiz sind wieder im Reisefieber, doch das Chaos an den Flughäfen macht ihnen Sorgen. Nun kaufen sie GPS-Tracker, um jederzeit zu wissen, wo ihre Koffer sind.
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Darum gehts
Die Schweizerinnen und Schweizer sind wieder im Reisefieber: Im Juli und August verreisen viele in den Sommerurlaub. Luxus-Ferien liegen trotz rekordhoher Flugpreise im Trend, aber das Chaos an den Flughäfen und Check-in-Schaltern bereitet den Reisefans Kopfzerbrechen.
Das spürt auch Digitec Galaxus. Der Onlinehändler hat in den letzten Wochen massiv mehr Koffer und Rucksäcke verkauft als normal. Doch nicht nur das: Auch der Absatz von GPS-Trackern boomt.
Ein GPS im Koffer für den Notfall
Digitec Galaxus geht davon aus, dass die gestiegenen Absatzzahlen von GPS-Trackern eine direkte Folge der chaotischen Zustände an den Flughäfen sind. Die Vermutung liegt nahe: Wer auf Reise geht, sorgt sich um sein Hab und Gut und packt darum nicht nur Kleider in seinen Koffer, sondern auch einen GPS-Tracker.
Die Idee dahinter ist, dass ein Tracker im Notfall ermöglicht, einen verloren gegangenen Koffer per App zu lokalisieren. Die Angst, sein Gepäck zu verlieren, könnte ein Grund dafür sein, dass GPS-Tracker nun besonders häufig im Warenkorb landen. Ihr Absatz stieg laut Digitec Galaxus in einem Jahr um 163 Prozent.
Sicherheit statt Ungewissheit
Gleichzeitig stieg der Absatz von Reisegepäck um 120 Prozent. Vergleiche man das erste Halbjahr mit den ersten sechs Monaten im Jahr 2021, betrage das Plus sogar 158 Prozent. Die Absatzzahlen seien höher als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie (siehe Box).
Pandemie und Krieg verändern Konsumverhalten
Gibt es zwischen dem gestiegenen Absatz der Koffer und den GPS-Trackern also einen Zusammenhang? 20 Minuten hat die Wirtschaftspsychologin Dorothea Schaffner von der Fachhochschule Nordwestschweiz gefragt, was sie von der Theorie von Digitec Galaxus hält. Sie sagt, dass die Daten des Onlinehändlers nicht eindeutig belegen, dass die gekauften GPS-Tracker auch wirklich in den Koffern landen.
Menschen hätten aber eine starke Motivation, möglichst viel Kontrolle über ihr Leben und den Verlauf der Welt zu haben. Ein GPS-Tracker könne ihnen darum ein gutes Gefühl und eine gewisse Sicherheit geben. Und die Geräte seien generell hilfreich, um gestohlene oder verlorene Habseligkeiten zu finden, so Schaffner.
Darum tracken Menschen ihr Gepäck
Der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter sagt auf Anfrage, dass es sehr gut möglich sei, dass nun viele Leute GPS-Tracker in ihre Koffer packen. «Dass man bei einem Diebstahl oder bei Verlust eines Gepäckstücks meist nicht viel machen kann, ist für Menschen viel weniger schlimm, als nicht mal zu wissen, wo ihr Koffer ist», erklärt der Forschungsleiter der Kalaidos-Fachhochschule.
In den Koffern sei zudem meist «eine Sammlung persönlicher Ressourcen» für das Überleben: «Wenn ein Backpacker seinen Rucksack verliert, steckt er schnell mal in der Pampa fest.» Auch darum sei es naheliegend, dass Menschen versuchen, ihre Gepäckstücke abzusichern.
GPS-Tracker sind wie Versicherungen
Oft sei es für die Konsumentinnen und Konsumenten sinnvoll, auf ihre Ängste zu hören. Nur weil bei solchen Kaufentscheidungen Emotionen im Spiel seien, heisse das nicht, dass sie schlecht seien. «Ein GPS-Tracker ist wie eine Versicherung», sagt Fichter. Aus ökonomischer Sicht seien zwar beide oft nicht sinnvoll, aber es gehe hier um Seelenfrieden und Sorgenfreiheit. «Die Verlustangst wiegt grösser als die Kosten», sagt Fichter.
Hast du auch Angst, dass beim Reisen dein Koffer verloren geht?
Der Verkaufsboom von GPS-Trackern habe aber wohl auch mit dem Erfolg von Apples Airtags zu tun, sagt Fichter. Dank ihnen verkaufe sich nun die ganze Produktekategorie besser. Das Bedürfnis dahinter habe schon immer in den Menschen gesteckt, aber die Geräte seien technisch lange viel zu limitiert gewesen.