50 Prozent mehr FälleAngst vor härteren Strafen führt zu mehr Fahrerflucht
Der Anteil von Unfällen mit Fahrerflucht ist in der Schweiz deutlich gestiegen. Ein möglicher Grund ist laut Experten die Furcht der Autofahrer vor härteren Gesetzen.
- von
- lüs/saw

Bei diesem Unfall in Eggersriet SG ergriff ein Autofahrer (19) die Flucht, nachdem er einen Velofahrer tödlich verletzt hatte.
Den aktuellsten Fall vermeldet die Kantonspolizei Bern: In Walperswil streifte am Montagabend ein Auto beim Überholen ein anderes Fahrzeug – der Unbekannte fuhr einfach weiter. Solche Fälle nehmen zu, wie Zahlen des Bundesamts für Strassen zeigen.
Im Jahr 2012 entfernten sich bei 28 Prozent der 36'023 Unfälle ohne Personenschaden Beteiligte, ohne sich um den Schaden zu kümmern. 2004 lag der Anteil erst bei 26 Prozent. Eine weit deutlichere Zunahme zeigt sich bei Unfällen, bei denen Personen verletzt oder getötet wurden: In 6 Prozent der 18'148 Unfälle mit Personenschaden kam es zu Fahrerflucht – gegenüber 4 Prozent im Jahr 2004. Dies entspricht einem Anstieg um 50 Prozent. In absoluten Zahlen haben die Fälle nur abgenommen, weil die Gesamtzahl der Unfälle sank.
Angst vor Strafe oder Führerscheinverlust
Uwe Ewert, Verkehrspsychologe bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung, sagt: «Für Fahrerflucht kann es verschiedene Gründe geben: Panik, Alkohol, Angst vor Strafe oder Verlust des Fahrausweises.» Daten darüber, aus welchen Gründen Personen in der Schweiz Fahrerflucht begehen und aus welchen Altersgruppen sie mehrheitlich stammen, gebe es nicht. «Die internationale Forschung zeigt aber, dass es sich häufiger um Männer und eher nicht um ältere Personen handelt», so Ewert.
Stefan Krähenbühl, Sprecher der Stiftung Road Cross, glaubt, dass die harten Konsequenzen Lenker bei einem Unfall zur Flucht bewegen können. Gerade Junglenker, die den Führerschein erst auf Probe besitzen, hätten einiges zu befürchten, wenn sie in einen Unfall verwickelt werden: «Je nach Schwere des Verschuldens und des Unfalls sind sie den Führerschein schnell für mehrere Monate los, in schwereren Fällen müssen sie den Führerschein noch einmal erwerben, was für sie auch schmerzhafte finanzielle Folgen hat», so Krähenbühl.
Fahrerflucht verstärkt Leiden der Opfer
Zudem würden Junge tendenziell stärker als ältere Lenker zu irrationalem Verhalten neigen. «Das könnte dazu führen, dass sie auch eher Fahrerflucht begehen.»
Selbst wenn die Gesetzesverschärfungen dazu führen würden, dass es zu mehr Fällen von Fahrerflucht komme, seien diese dadurch aber nicht in Frage gestellt, findet Krähenbühl: «Wichtiger ist die abschreckende Wirkung, die verhindert, dass ein Unfall überhaupt passiert.» Aus Sicht der Opfer sei Fahrerflucht jedoch schlimm: «Sie erschwert es, das Geschehene zu verarbeiten und verstärkt dadurch das Leiden der Unfallopfer.»
Freiheits- oder Geldstrafe
Im Schweizer Gesetz wird der Begriff «Fahrerflucht» nur in Fällen angewandt, in denen der Lenker sich von einem Unfall entfernt hat, bei dem es Tote oder Verletzte gab. Bestraft wird dies mit einer Freiheits- oder einer Geldstrafe. Wer sich entfernt, nachdem er einen Unfall ohne Personenschaden verursacht hat, macht sich damit des «Nichtgenügens der Meldepflicht» schuldig. Dabei handelt es sich um eine Übertretung, die mit einer Busse geahndet wird. (lüs)