Tötungsdelikt im Seefeld: Anklageschrift zeigt wirre Lügengeschichte

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Tötungsdelikt im SeefeldAnklageschrift zeigt wirre Lügengeschichte

Tobias K. erstach 2016 einen zufällig ausgewählten Passanten im Zürcher Seefeld. Die Anklageschrift zeigt, wie sein Komplize ihm eine wirre Lügengeschichte auftischte.

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Das Fahndungsbild von Tobias K. Der damals 23-Jährige erstach im Juni 2016 einen zufällig ausgewählten Passanten im Zürcher Seefeld, als er im Hafturlaub war.

Das Fahndungsbild von Tobias K. Der damals 23-Jährige erstach im Juni 2016 einen zufällig ausgewählten Passanten im Zürcher Seefeld, als er im Hafturlaub war.

Kapo Zürich
Der entflohene Häftling Tobias K. wurde dann im Januar 2017 gefasst: Das sagte die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern an einer Medienkonferenz.

Der entflohene Häftling Tobias K. wurde dann im Januar 2017 gefasst: Das sagte die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern an einer Medienkonferenz.

Keystone/Ennio Leanza
Er war von der Berner Kantonspolizei am 18. Januar verhaftet worden – durch Zufall.

Er war von der Berner Kantonspolizei am 18. Januar verhaftet worden – durch Zufall.

Keystone/Ennio Leanza

Der damals 23-jährige Tobias K.* erstach am 30. Juni 2016 einen zufällig ausgewählten Passanten im Zürcher Seefeld, als er im Hafturlaub war. Danach tauchte er unter. Im Januar 2017 wollte K. eine Waffe im Darknet kaufen. Er fiel auf einen verdeckten Ermittler rein und wurde kurz darauf von der Polizei im Kanton Bern verhaftet.

Ende April teilte die Oberstaatsanwaltschaft mit, dass gegen den heute 26-jährigen K. und seinen Komplizen, einen heute 38-jährigen Litauer und ehemaligen Mitinsassen von K., Anklage wegen Mordes, strafbarer Vorbereitungshandlungen zu mehrfachem Mord, versuchter Befreiung von Gefangenen, Irreführung der Rechtspflege und mehrfachen versuchten Vergehens gegen das Waffengesetz erhoben wird.

DNA von Tobias K. auf Hut gefunden

Wie der «Blick» schreibt, waren die Ermittler K. schnell auf die Schliche gekommen. Am 30. Juni hatte man den beigebraunen Hut von K. am Tatort gefunden. Auf diesem fanden sich DNA-Spuren.

Ein Abgleich in der Täterdatenbank ergab einen Treffer – die DNA gehört K. Bei den Verhören gab K. schnell zu, den ihm unbekannten Mann getötet zu haben. Schuld sollen die Lügengeschichten seines Mithäftlings sein.

Im Mittelpunkt der Lügenstory steht der Schweizer Industrielle Thomas Schmidheiny. Der Komplize von K. war im Gefängnis, weil er die Stadt Zürich und Schmidheiny um 150 Millionen Franken erpressen wollte. K.s Mutter wiederum soll sich als Spitex-Mitarbeiterin um Asbest-Opfer, die im Eternitwerk der Schmidheinys gearbeitet hatten, gekümmert haben.

Zu Unrecht in Haft

Laut der Anklage habe das K. empfänglich für die Lügengeschichten seines Komplizen gemacht. Der Litauer habe ihm erzählt, dass er zu Unrecht in Haft wäre. Zudem sei er im Besitz von Daten, die Schmidheiny schwer belasten würden. Der Milliardär habe ihm für die Daten Millionen angeboten, so der Litauer.

Als er das Angebot ablehnte, habe ihm Schmidheiny gedroht, seine Familie zu entführen. Und auch die Kinder von K. wären laut dem Komplizen in Gefahr. Die Geschichte wurde noch wirrer, als der Litauer K. erzählte, dass er deswegen mit Simonetta Sommaruga Kontakt aufgenommen hätte.

Für K. soll damit der Fall klar gewesen sein. Er glaubte, zusammen mit seinem Komplizen so schnell wie möglich aus der Haft kommen zu müssen, um sich an Schmidheiny zu rächen. Zudem wollten die beiden noch mehr Geld von Schmidheiny erpressen.

Fleischmesser im Coop gekauft

Irgendwann fiel der Entschluss, dass K. im Hafturlaub dem Zürcher Kantonsrat ein Erpresserschreiben schicken sollte. Ein Kollege von K. half ihm dabei, ihn als gefesselten Gefangenen einer angeblichen litauischen Bande zu fotografieren. Diese, so heisst es in dem Brief, fordere die Freilassung ihres Landsmannes. Sollte diese nicht erfolgen, werde eine beliebige Person getötet. Die Fotos legte er dem Brief bei und warf diesen in den Briefkasten des Kantonsrats.

Als die Frist ablief und sein Komplize nicht freigelassen wurde, setzte K. sein Vorhaben um. Wie es in der Anklageschrift heisst, fuhr K. zum Coop Bahnhofbrücke und kaufte dort ein Fleischmesser. Am nächsten Tag entdeckte er sein Opfer auf einem Mäuerchen sitzend. Er lief auf den Mann zu und stach mehrmals auf ihn ein, das Opfer verblutete in der Nähe des Tatorts.

Der Staatsanwalt fordert für den heute 26-Jährigen und seinen Komplizen (38) eine lebenslange Strafe und Verwahrung wegen Mord und strafbarer Vorbereitungshandlungen zu mehrfachem Mord.

*Name der Redaktion bekannt

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