Vor laufender KameraAnschlag auf Türken-Chef vereitelt
Schrecksekunde in Sofia: Mit gezogener Pistole stürmte ein 25-Jähriger auf den Chef der Türkenpartei zu, als dieser gerade eine Rede hielt. Bevor er abdrücken konnte, wurde der Mann überwältigt.
- von
- jcg
In Bulgarien ist ein mutmasslicher Anschlag auf den Chef der Türkenpartei DPS, Ahmed Dogan, vereitelt worden. Ein mit einer Pistole bewaffneter Mann kam an Dogan heran, als dieser am Samstag eine Rede vor einem Kongress seiner Partei DPS hielt.
Der Mann wurde festgenommen, bevor er schiessen konnte, wie bulgarische Medien übereinstimmend berichteten. Ersten Angaben zufolge bedrohte der Mann den Türken-Chef mit einer Gaspistole. Die Polizei habe ausserdem zwei Messer sichergestellt.
Der Mann mit türkischer Abstammung soll als Delegierter auf der Parteikonferenz im Kulturpalast der Hauptstadt Sofia registriert worden sein. Die Konferenz wurde sofort unterbrochen. Dogan sei nicht verletzt und ihm gehe es gut, hiess es nach seiner Untersuchung im Regierungsspital.
Die Türkenpartei DPS erklärte nach dem Vorfall, sie wisse nicht, wer der «Auftraggeber» sei. Doch dies sei «die Sprache des Hasses, der Konfrontation und der Aggression gegen die DPS in Bulgariens Gesellschaft», sagte Vize-Chef Lütwi Mestan.
Alles nur inszeniert?
Auch die oppositionellen Sozialisten kritisierten die politischen Zustände in dem EU-Land. «Dies ist das Ergebnis der Hass-Politik der bulgarischen Regierung», meinte der sozialistische Ex-Innenminister Rumen Petkow.
Doch es wurden auch Stimmen laut, die hinter dem Attentat eine Inszenierung vermuten. Anton Kutew, ein Abgeordneter der Sozialisten, erklärte gegenüber dem Staatsradio: «Offensichtlich wurden wir Zeugen von einem Schauspiel. Die Frage ist, wer das Drehbuch dazu geschrieben hat». Er glaubt, dass der Anschlag von der Spitze der DPS selbst geplant worden war. «Das Ziel war ganz eindeutig, grosses Aufsehen zu erregen.»
Ebenfalls Zweifel an der Echtheit meldete der Sicherheitsexperte der oppositionellen bürgerlichen Parlamentspartei «Demokraten für ein starkes Bulgarien» (DSB), Atanas Atanassow, an. «Es ist sehr merkwürdig, wie der Täter vor laufenden Kameras auf die Bühne gelangen konnte, und dazu noch mit einer Pistole mit Ladehemmung», erklärte er im privaten Fernsehsender bTV, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtete.
Die Bewegung der türkischen Minderheit DPS ist seit 1989 im Parlament in Sofia und seit 2007 im EU-Parlament vertreten. Die DPS war bis Mitte 2009 an einer sozialliberalen Koalitionsregierung in Sofia beteiligt. Allerdings ist die Untersützung für Dogan in den letzten Monaten deutlich geschrumpft. Rund zehn Prozent von Bulgariens Bevölkerung von 7,3 Millionen Menschen sind ethnische Türken. Nachdem Dogan für die Minderheit lange Zeit als Hoffnungsträger galt, werfen sie Dogan und seinem Umfeld nun vor, in den Jahren nach der Wende nur sich selbst bereichert zu haben.
Der mutmassliche Anschlag im Bewegtbild. (Video: YouTube/fitnesche) (jcg/sda)