Sänger Lugati bricht im Kosovo mit seinem Auftreten Tabus

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Anstössiges Auftreten«Ich war der erste Mann in Latex» – Sänger Lugati bricht im Kosovo Tabus

Mit seiner extravaganten und sexuell anstössigen Musik sorgt Lugati im Kosovo für Empörung. Über seinen Kampf für Akzeptanz und Sexualität erzählt er im Gespräch mit 20 Minuten.

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Gjon Karrica ist in seinem Heimatland Kosovo ein gefeierter Popstar.

Gjon Karrica ist in seinem Heimatland Kosovo ein gefeierter Popstar.

Gerti Ibra
Mit seiner Teilnahme bei der kosovarischen Version von «Big Brother VIP» hat sich der 38-Jährige zum Liebling der Nation gemausert.

Mit seiner Teilnahme bei der kosovarischen Version von «Big Brother VIP» hat sich der 38-Jährige zum Liebling der Nation gemausert.

Gerti Ibra
Doch das war nicht immer so. Wegen seiner sexuell anstössigen Musik eckte Lugati bei seinen Landsleuten an. «Vor zehn Jahren war ich der erste Mann in Latex. Die Leute waren empört.»

Doch das war nicht immer so. Wegen seiner sexuell anstössigen Musik eckte Lugati bei seinen Landsleuten an. «Vor zehn Jahren war ich der erste Mann in Latex. Die Leute waren empört.»

Gerti Ibra

Darum gehts

  • Lugati lebt seit seinem 13. Lebensjahr in der Schweiz und ist im Kosovo ein gefeierter Popstar.

  • Als einer der ersten Musiker thematisiert er Sexualität und Akzeptanz in seinem Heimatland.

  • 20 Minuten traf den Sänger und sprach mit ihm über sein Leben in der Schweiz, Schicksalsschläge und die Fortschritte in Sachen Akzeptanz im Kosovo.

In einem roten Leder-Outfit sitzt Gjon Karrica alias Lugati auf seinem Sessel. Seine neongelben kurzen Haare sind nicht zu übersehen. Auf die Frage, ob die rote Lederhose nicht zwicke, lacht er und meint: «Das ist egal. Es sieht einfach geil aus und ich liebe es aufzufallen.» Und genau das tut der 38-Jährige bei jeder Gelegenheit.

In seiner Heimat, dem Kosovo, hat sich Lugati spätestens nach seiner Teilnahme bei der aktuellen Staffel der dortigen Ausgabe von «Big Brother VIP» zum Liebling der Nation gemausert. «Täglich sind 40 Kameras auf dich gerichtet. Das Publikum lacht und weint mit dir mit. Ich war stets ich selbst und die Leute haben es geliebt», erzählt er stolz. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn aber, das Haus zu verlassen. «Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich einen epileptischen Anfall. Daraufhin wurde ich ins Spital gebracht und lag für 24 Stunden im Koma.» Es folgte ein unangenehmes Erwachen. «Ärzte sagten mir da, dass ich an einer starken Lungenentzündung leide.» Während einer Kontrolle in der Schweiz stellten dann die Mediziner eine Vergrösserung seines Herzens fest. «Was das konkret für mich bedeutet, lasse ich noch untersuchen. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die Lungenentzündung mit meinem Anfall etwas zu tun hat. Ich bin aber guter Dinge, dass alles gut kommt.»

Ein Neuanfang in einem fremden Land

Schreckmomente sind für Lugati nichts Neues. Bereits in jungen Jahren musste er während eines Überfalls von serbischen Soldaten während des Kosovokrieges lernen, mit Angst umzugehen. «Sie schlugen in einem Moment meine Grossmutter zur Seite und haben das Haus nach Waffen durchsucht. Ich habe mich stundenlang in einem Kleiderschrank versteckt und angefangen, ganz leise Lieder zu singen.» Die Musik gab ihm Kraft und er fing an, erste Lieder selbst zu schreiben.

Die Situation im Kosovo schien aussichtslos und zwang seine Familie schliesslich, in die Schweiz zu flüchten. Nicht zuletzt für Gjon und seine Geschwister. «Wir hatten im Kosovo kein wirkliches Schulsystem. Als der Krieg ausbrach, mussten wir in die Wälder fliehen, um zu überleben.» In seiner neuen Heimat sah sich der damals 13-Jährige schnell mit den ersten Hürden konfrontiert. «Ich musste sofort einen Deutschkurs belegen und nur wenig später eine Berufslehre beginnen. Das Mithalten mit Gleichaltrigen war hart», erinnert er sich. Trotz der schwierigen Umstände gelang es ihm, seine Lehre im Detailhandel erfolgreich abzuschliessen.

Magst du sexuelle und anstössige Musik?

Mittlerweile konnte sich Lugati ein eigenes Leben aufbauen. Das widerfahrene Grauen konnte er hinter sich lassen. Es hat ihn gelehrt, seinen eigenen Weg zu verfolgen und sich in dem, was er liebt, zu entfalten. Seine sexuell anstössige Musik eckte bei seinen konservativen Landsleuten häufig an – doch das ist ihm egal. «Vor zehn Jahren war ich der erste Mann in Latex. Die Leute waren empört», erzählt er und schmunzelt. Besonders sein Song «Sextoy» sorgte für eine Kontroverse. «Die Menschen waren beleidigt, weil ich über Sex-Spielzeug singe», erklärt Lugati und betont: «Bis anhin hat niemand offen über Sexualität gesprochen.»

Als Pionier des sexuellen Dialogs im Kosovo trifft der Künstler irgendwann auf Gehör und Akzeptanz. Seine Bekanntheit macht er sich nun zunutze, um sich für Minderheiten einzusetzen. «Jede und jeder soll so leben, wie er oder sie will – Hauptsache, es herrscht Frieden und Liebe.» Im Kosovo seien grosse Fortschritte zu spüren: «Wir haben mittlerweile trans Menschen, die offen über ihr Leben sprechen. Im Sommer findet sogar eine Gay Week statt. In anderen Balkanstaaten ist so was noch undenkbar», sagt er stolz.

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