Untersuchung gefordertJurist kritisiert Luzerner Behörden wegen «unverhältnismässigem Gewalteinsatz»
In Handschellen wurde ein Mann von der Luzerner Polizei transportiert, nachdem er online eine Ärztin beschimpft hatte. Das war unverhältnismässig, kritisieren Experten – und es sei kein Einzelfall.

- von
- Gianni Walther
Darum gehts
Nach einer Hausdurchsuchung wurde ein Luzerner in Handschellen zu einem Polizeiposten gebracht.
Durchgeführt wurde der Einsatz nach einem Strafantrag durch eine Ärztin.
In einer Google-Rezension hatte der Mann die Ärztin zuvor beschimpft.
Ein Luzerner Jurist kritisiert nun die Polizei: Der Einsatz sei unverhältnismässig gewesen. Auch in weiteren Fällen wirft er der Polizei Unverhältnismässigkeit vor. Er fordert eine externe Untersuchung.
Rechtsexperten beurteilen den Polizeieinsatz kritisch.
Unter falschem Namen hat ein Mann aus dem Kanton Luzern 2018 in einer Google-Rezension eine Ärztin beschimpft. Die Frau stellte einen Strafantrag, die Staatsanwaltschaft eröffnete eine Untersuchung. 2019 führte die Luzerner Polizei eine Hausdurchsuchung durch. In Handschellen wurde der Mann zur Befragung zum Polizeiposten gebracht, berichtet die «Luzerner Zeitung».
Der Mann legte Beschwerde ein. Das Kantonsgericht wies diese aber ab. Per Strafbefehl wurde er bereits zu einer Busse von 600 Franken verurteilt. Hinzu kam im rechtskräftigen Urteil unter anderem eine bedingte Geldstrafe von 2500 Franken.
Jurist fordert externe Untersuchung
Erledigt ist die Sache damit noch nicht: «Wenn die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden nach all den problematischen Vorfällen nicht bereit sind, sich einem externen Audit zu stellen, wird es unumgänglich sein, im vorliegenden Fall eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch und Freiheitsberaubung einzureichen», sagt der Jurist Loris Fabrizio Mainardi zur «LZ».
«Es sind keine Einzelfälle mehr. Vorfälle mit unverhältnismässigem Gewalteinsatz durch die Polizei kommen in Luzern immer wieder vor», sagt Mainardi auf Anfrage. Er verweist etwa auf den Fall der ehemaligen Kantonsrätin Heidi Joos, die 2020 bei einer unbewilligten Corona-Mahnwache in Luzern festgenommen wurde und sich unter anderem einer Leibesvisitation unterziehen musste. Joos reichte Strafanzeige ein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, das Kantonsgericht bestätigte dies. Das Bundesgericht jedoch hiess eine Beschwerde von Joos teilweise gut. Bei einem anderen Fall 2022 kam es ebenfalls zu einer Leibesvisitation bei einer älteren Frau. Die Beschwerde der Frau diesbezüglich wurde vom Kantonsgericht gutgeheissen. «Die Führung der Polizei muss über die Bücher. Es gibt hier ein Problem, das untersucht werden muss», so Mainardi. Die Forderung nach einer Untersuchung werde er bei den entsprechenden Stellen deponieren.
Fragezeichen bei Rechtsexperten
Die Hausdurchsuchung war laut Mainardi unverhältnismässig, ebenso der Transport des Mannes in Handschellen. Zwar heisst es im Luzerner Polizeigesetz, dass bei Transporten «die Fesselung immer erlaubt» ist. Gleichzeitig schreibt aber die Bundesverfassung vor, dass der Staat verhältnismässig handeln muss. «Schon diese Formulierung ist verfassungskritisch», da damit das Verhältnismässigkeitsprinzip ausgeblendet werde, findet auch Polizeirechts-Spezialist Markus Mohler. Unter anderem bei Rechtsexperte Mohler, ehemaliger Basler Polizeikommandant, hatte Mainardi Einschätzungen zum Fall eingeholt. Auch weitere Experten beäugen den Fall kritisch.
Die Luzerner Polizei nahm zum konkreten Vorfall gegenüber der «LZ» keine Stellung. Polizeiangehörige würden jedoch jeweils eine «Fesselung der Lage entsprechend» vornehmen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft verwies auf das Kantonsgericht. Dieses habe das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als korrekt beurteilt.
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