Mehr Privatsphäre : Apple will still und heimlich das ganze Internet verändern

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Mehr Privatsphäre Apple will still und heimlich das ganze Internet verändern

Der Tech-Gigant hat angekündigt, die Art und Weise, wie Werbung im Internet geschaltet wird, verändern zu wollen. Das sind die wichtigsten Fragen dazu.

von
Dominique Zeier
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Künftig sollen Apple-Nutzer selbst entscheiden können, welche Apps sie im Internet tracken dürfen. 

Künftig sollen Apple-Nutzer selbst entscheiden können, welche Apps sie im Internet tracken dürfen.

KEYSTONE
Dies hat zur Folge, dass es keine gezielte Werbung mehr geben kann. 

Dies hat zur Folge, dass es keine gezielte Werbung mehr geben kann.

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So soll die Privatsphäre der Nutzer besser geschützt werden, findet Apple. 

So soll die Privatsphäre der Nutzer besser geschützt werden, findet Apple.

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Darum gehts

  • Apple will die Art und Weise verändern, wie Apps ihre User im Internet verfolgen dürfen.
  • Künftig sollen die Nutzer selbst entscheiden können, wer sie tracken darf und wer nicht.
  • Dies kritisieren Unternehmen wie beispielsweise Facebook scharf.
  • Eine solche Regelung würde den Online-Werbemarkt zerstören, heisst es.

Worum geht es?

Im Internet ist man daran gewöhnt, immer wieder verschiedensten Geschäftsbedingungen oder Datenschutz-Formularen zuzustimmen, um auf die Inhalte einer Website oder App zugreifen zu können. In naher Zukunft sollen Apple-Kunden aber noch eine weitere Frage zu Gesicht bekommen, der sie sich immer wieder stellen müssen: Darf eine bestimmte App den Nutzer überall im Internet verfolgen und Informationen über sein Verhalten und seine Interessen speichern? Bis anhin lag diese Entscheidung jeweils bei den App-Entwicklern selbst.

Diese Änderung hat Apple im Juni angekündigt. Nun ist klar: Umgesetzt wird der Plan voraussichtlich Anfang 2021, wie Vox.com schreibt.

Wieso ist das bemerkenswert?

Was wie eine relativ harmlose Frage erscheint, kann weitreichende Konsequenzen haben. Denn was Apple hierbei eigentlich angekündigt hat, ist das Vorhaben, den gesamten Werbemarkt im Internet auf den Kopf zu stellen. Dies betrifft also nicht nur Apple selbst und dessen Kunden, sondern jeden Werbeanbieter, der gezielte Werbung auf seine Nutzer bezogen einsetzt.

Denn kann der Nutzer plötzlich selbst entscheiden, welche Anwendungen ihm durch das Internet und andere Apps folgen dürfen und welche nicht, verlieren die Werber plötzlich einen Haufen an Informationen über ihre Zielgruppen und den Endnutzer.

Wie funktioniert «targeted advertisement»?

Um die Auswirkungen, die diese Ankündigung von Apple hat, zu verstehen, muss zuerst einmal dargelegt werden, wie gezielte Werbung oder «targeted advertisement» eigentlich funktioniert. So verfügt jedes iPhone über einen einzigartigen Identifikations-Code, mit welchem das Gerät eindeutig wiedererkannt werden kann. Dieser Code macht es möglich, nachzuverfolgen, welche Websites mit einem Handy besucht werden, welche Apps heruntergeladen sind und welche Vorlieben der Besitzer des Smartphones zeigt.

Somit lässt sich beispielsweise erklären, wieso ein Nutzer, der auf Amazon nach einem Halloween-Kostüm sucht, plötzlich auch innerhalb von Facebook Werbungen zu Halloween-Kostümen angezeigt bekommt. Denn Facebook hat den Nutzer auch ausserhalb der Plattform beobachtet und weiss, wonach er gesucht hat.

Unter der neuen Regelung wäre es einem iPhone-Besitzer möglich, einer Anwendung den Zugriff auf diese Identifikationsnummer zu verweigern. Dies soll mittels Pop-up-Fenster geschehen. Entscheidet sich ein Nutzer dazu, weiterhin getrackt werden zu können, ändert sich für ihn im Vergleich zu vorher nichts. App-Firmen und Werber können weiterhin auf Informationen über sein Verhalten und seine Vorlieben zugreifen und auf ihn zugeschnittene Werbung anzeigen lassen.

Die meisten Herausgeber gehen allerdings davon aus, dass eine Mehrzahl der Nutzer die Freigabe ihrer Identifikationsnummer verweigern würde. Dies hätte zur Folge, dass Werber viel weniger über ihre Zielgruppe wissen.

Ist es nicht positiv, wenn ich meine Identität verstecken kann?

Wer sich grosse Sorgen um seine Privatsphäre macht, den wird diese Ankündigung wohl freuen. Tatsache ist allerdings, dass unter dieser Regelung die Werbepreise künftig tiefer sein werden. Denn da die Werbefirmen weniger über ihre Kunden wissen, ist die Werbung, die angezeigt wird, viel weniger wirksam und wird weniger häufig angeklickt.

Dies ist besonders für Unternehmen, die auf solche Werbeeinnahmen angewiesen sind, schädlich. Das zeigte sich bereits im Jahr 2017, als Apple erstmals ähnliche Regelungen für seinen Internet-Browser Safari festlegte. Die Preise für Werbung in diesem Internet-Browser entwickelten sich viel tiefer als jene von konkurrenzierenden Browser-Anbietern.

Wer ist dagegen?

Die grössten Gegner dieser neuen Regelung sind grosse Werbeanbieter wie Facebook oder Google. Diese Unternehmen machen mit den Daten ihrer Nutzer Milliardengeschäfte und für sie ist es äusserst wichtig, deren Verhaltensmuster und Interessen genaustens nachvollziehen zu können. Laut einer Studie, die Facebook durchführen liess, könnten seine Werbeeinnahmen auf die Hälfte schrumpfen, falls das Unternehmen die Nutzer nicht mehr wie gewohnt tracken kann. Selbst Facebooks CFO, Dave Wehner, meldete sich zu diesem Thema zu Wort und sagte: «Es handelt sich hierbei um etwas, was die Leute wirklich ernst nehmen müssen. Es löst grosse Bedenken aus.»

Aber auch weniger grosse Unternehmen wären von diesen Änderungen betroffen, wie Martin Clarke von DMG Media, zu denen beispielsweise die «Daily Mail» gehört, darlegt: «Nicht gezielte Werbung ist beinahe wertlos.» Er befürchtet, dass die Werbeeinnahmen seiner Unternehmen bei iOS-Kunden um 75 Prozent einbrechen könnten.

Auch Julia Beizer von Bloomberg Media zeigt sich besorgt. «Der Instinkt von Apple ist schon richtig. Wir sind alle für ein sicheres und privateres Internet. Aber so etwas zu lancieren, ohne es vorher mit der Industrie abzusprechen, legt eine grosse Last auf die Schultern der Verleger.»

Gibt es auch Pro-Stimmen?

Die gibt es tatsächlich. So freuen sich beispielsweise kleinere Unternehmen, da einer der grössten Vorteile, die Tech-Giganten wie Google oder Facebook geniessen, wegfallen würde. Andere Firmen wie beispielsweise die «New York Times» haben bereits seit längerem angekündigt, darauf verzichten zu wollen, Informationen über ihre Leser zu sammeln. Wie eine Sprecherin der «Times» mitteilt, würde die Änderung von Apple für sie nur minimale Einbussen der Werbeeinnahmen bedeuten.

Wieso macht Apple das eigentlich?

Apple hat immer schon viel Wert auf die Privatsphäre seiner Nutzer gelegt. Dies ist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. So müssen Apps auf iOS beispielsweise jetzt bereits um Erlaubnis fragen, ob sie auf die GPS-Daten eines Nutzers zugreifen dürfen. Ausserdem hat Apple «targeted advertising» in seinem Internet-Browser Safari abgeschafft.

Der Schritt von Apple zeigt laut Vox.com darüber hinaus, dass die grossen Tech-Firmen nach wie vor im Konkurrenzkampf zueinander stehen und gern ihre Macht demonstrieren. So hat Facebook beispielsweise gleich im Anschluss an die Ankündigung Apples klargemacht, dass man die Geräte-Identifikation von Apple schlicht nicht nutzen werde. Dies hat zur Folge, dass iOS-Nutzer das Pop-up-Fenster mit der Frage, ob Facebook sie im Internet verfolgen darf, schon gar nicht zu Gesicht bekommen werden.

Wen trifft es am stärksten?

Facebook hat klargemacht, dass die neue Regelung dem Unternehmen zwar einen Schaden zufügen könnte, wirklich betroffen wären allerdings vor allem kleineren Firmen, die Facebooks Werbe-Netzwerk nutzen. Komme es zum Schlimmsten, müsste Facebook das Netzwerk schliessen, heisst es in einer Mitteilung. Damit will Facebook demonstrieren: Nicht Facebook schadet dem Werbe-Business, sondern Apple habe diese Entscheidung getroffen.

«Wir arbeiten mit mehr als 19’000 Entwicklern und Verlegern aus aller Welt zusammen», heisst es in einem Blog-Beitrag von Facebook. «Wir haben ihnen im Jahr 2019 Milliarden von Dollar bezahlt. Diese Unternehmen sind auf diese Werbegelder für ihr tägliches Brot angewiesen.»

Das Fazit?

Ob Apples neue Strategie etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer hohen Wert auf Privatsphäre legt und nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen ist, wird mit Apple übereinstimmen. Jason Kint von Digital Content Next, dem mehr als 75 Medienunternehmen angehören, sagt: «Wenn wir uns auf einem ebenen Spielfeld bewegen, auf dem niemand Daten nachverfolgen kann, ist das schlecht für die Werbebranche. Aber es ist einfach die Richtung, in die sich die Welt entwickelt.»

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