Vorschlag ArbeitgeberverbandArbeiten bis 70 wegen Fachkräftemangel? Experte zerreisst die Pläne
Mehr Zuwanderung, länger arbeiten und höhere Löhne seien nicht realistisch, sagt George Sheldon von der Uni Basel. Doch es gebe auch gute Lösungsvorschläge.
Darum gehts
Der Arbeitgeberverband schlägt im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel vor, länger zu arbeiten.
«Damit wäre die Allgemeinheit niemals einverstanden», sagt Arbeitsmarktexperte George Sheldon.
Doch auch höhere Löhne seien nicht hilfreich, sie könnten den Mangel noch verstärken.
Der Arbeitgeberverband warnt: Der Fachkräftemangel werde sich noch deutlich verschärfen. Nun schlug der Verband am Montag mehrere Lösungen vor. So sollen die Leute etwa mehr und länger arbeiten. Die neuen Modelle würden vorsehen, bis 70 Jahre oder noch länger zu arbeiten.
Die Vorschläge der Arbeitgeber bewegen die 20-Minuten-Community. Über 1200 Kommentare gab es unter dem Artikel, viele sind eindeutig gegen eine spätere Pensionierung. «Träumt weiter, wir arbeiten sicher nicht bis 70», schreibt User «Zwiggi» stellvertretend für viele.
Der Kommentar von «Uriel Berlinger» enthält Lösungsvorschläge gegen den Fachkräftemangel. Dafür gabs die meisten «Love it»-Klicks.
George Sheldon, Arbeitsmarktexperte der Universität Basel, sagt zu zwei Vorschlägen:
Vorschlag: Ansprechende Berufsausbildung
Das sagt der Experte: «Da habe ich Bedenken, ob man damit die Leute zur Lehre bringt. Die letzten 20 Jahre ist der Anteil an Lernenden stark zurückgefallen, während immer mehr ein Studium auf Stufe Phil 1 absolvieren. Das heisst, die Schweiz will ein Land der Dichter sein. Aber es braucht Techniker, die holen wir vor allem aus dem Ausland.»Vorschlag: Massiv höhere Löhne
Das sagt der Experte: «Das ist unrealistisch. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Leute umso weniger arbeiten, je höher das Einkommen ist. Das würde den Fachkräftemangel noch verstärken.»
Sheldon zerreisst auch Vorschläge des Arbeitgeberverbands:
Vorschlag: Länger arbeiten
Das sagt der Experte: «Das will die Politik zwar, Rentenalter 67 ist schon in der Pipeline. Aber damit wäre die Allgemeinheit niemals einverstanden.»Vorschlag: Angebot von Drittbetreungsplätzen ausbauen
Das sagt der Experte: «Wer soll das finanzieren? Sicher nicht der Bund, also die Allgemeinheit. Das müssten die Arbeitgeber selber anbieten.»Vorschlag: Mehr Zuwanderung für den Arbeitsmarkt
Das sagt der Experte: «Da wäre das Volk dagegen, dann wären Immobilien noch teurer und der ÖV und die Autobahnen noch voller.»
Ich will …
Folgende Lösungsvorschläge vom Arbeitgeberverband sind laut Sheldon aber realistisch:
Vorschlag: Finanzierung von Akademikern
Das sagt der Experte: «Das Studium sollte mehr kosten. Dann würden mehr Menschen wieder Techniker werden wollen.»Vorschlag: flexible Arbeitszeiten
Das sagt der Experte: «Dagegen spricht nichts, das würde das Arbeiten attraktiver machen»Vorschlag: Förderung von Menschen mit Beeinträchtigung
Das sagt der Experte: «Auch dagegen spricht nichts. Damit liessen sich mehr Menschen für den Arbeitsmarkt gewinnen.»
Billiglöhne unter Druck
Im Kampf gegen den Fachkräftemangel bieten manche Firmen ihren Angestellten nun mehr Ferien oder mehr Lohn. Billiglöhne um die 20 Franken kommen jetzt unter Druck, sagt Jörg Buckmann, HR-Experte, Buchautor und Ex-Personalchef der VBZ. Jetzt sei eine gute Gelegenheit, um mehr Lohn zu verlangen.
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