Arme Zahnärzte: Löcher im Terminkalender

Aktualisiert

Arme Zahnärzte: Löcher im Terminkalender

Den Zahnärzten in Basel und Zürich gehen die Patienten aus. EU-Konkurrenz, erfolgreiche Prophylaxe und die Zahnärzte selbst sind schuld.

Von 13 neu vergebenen Praxisbewilligungen für Zahnärzte sind 2006 in Basel-Stadt neun an Deutsche vergeben worden. Seit 2004 dürfen sich Zahnärzte aus dem EU-Raum restriktionslos in der Schweiz niederlassen. Deshalb sieht es auch in Zürich nicht viel besser aus als in Basel. Es werden regelmässig mehr Praxisbewilligungen an Zahnärzte aus dem EU-Raum als an Einheimische vergeben. In Zürich tat sich die grösste Schere zwischen Einheimischen und EU-Zahnärzten im Jahr 2005 auf, als 30 Praxisbewilligungen an EU-Zahnärzte und 20 an solche mit Schweizer Diplom vergeben wurden.

Deutsche im Hochpreissegment

Die Folge: Die Terminkalender der Zahnärzte in den grossen Agglomerationen sind teilweise löchriger als die Zähne der Patienten.

Auch wenn man es bei den Zahnarztverbänden nicht verschreien will, sagen es alteingesessene Basler und Zürcher Zahnärzte hinter vorgehaltener Hand deutlich: Das Problem sind die Deutschen.

Christoph Epting, Präsident der Basler Sektion der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO), konstatiert nicht nur die vermehrte Präsenz der deutschen Zahnärzte, sondern auch deren Geschäftsgebahren. «Die Mentalität ist ein wenig anders als unsere. Wir setzen auf Prävention und machen das Sinnvolle, während einige zugezogene Zahnärzte vor allem teurere und kosmetische Behandlungen anbieten und diese auch aggressiver bewerben», sagt Epting.

Bessere Zähne

Nebst den vielen neuen Zahnarztpraxen wirkt auch die gleich bleibende Zahl der Patienten wettbewerbsverschärfend. «Wenn es mehr ältere Leute gibt, müsste es eigentlich für die Zahnärzte auch mehr zu tun geben. Dank der Prävention haben die Leute heute viel bessere Zähne als noch vor dreissig Jahren. Es gibt also nicht mehr zu tun, aber immer mehr Ärzte», sagt der Zürcher Kantonszahnarzt Werner Fischer.

Nebst den zusätzlichen Zahnärzten aus dem EU-Raum ist auch das Angebot für Dentaltouristen grösser geworden. Bis vor wenigen Jahren hat einzig Franz Oswald Reisen zur Gebissanierung nach Ungarn angeboten. Mittlerweile erachtet er vier Mitbewerber als ernsthafte Konkurrenz und alle können gut von ihren Pauschalreisen mit Zahnarztbesuch leben. «Die Zahl der Dentaltouristen kann also nicht zurückgegangen sein, im Gegenteil», sagt Oswald.

Teilzeit und arbeitslos nach Ausbildung

Die Entwicklungen haben vor allem für junge einheimische Zahnärzte unangenehme Folgen, wie Beat Wäckerle, Präsident der Zürcher SSO-Sektion, feststellt. «Die Auslastung der Praxen hat abgenommen. Es liegt deshalb in der Natur der Sache, dass einige eben nicht mehr so viel arbeiten können wie geplant. Abgenommen haben auch die Ausbildungspraxen für junge Kollegen ab Staatsexamen», sagt Wäckerle.

Nebst der Teilzeitarbeit versuchen die Zahnärzte auch mit längeren Öffnungszeiten und tieferen Preisen um die Patientenschaft zu buhlen. «Der durchschnittlich angewendete Taxpunktwert liegt schweizweit bei etwa 3.55 Franken. Die Konkurrenz unter den Zahnärzten führt möglicherweise dazu, dass einzelne Praxen einen tieferen Taxpunktwert anwenden», sagt Marco Tackenberg, Sprecher der SSO. Ausserdem werden die Öffnungszeiten ausgedehnt. Vor allem in den grösseren Zahnarztzentren sind Öffnungszeiten von sieben Uhr morgens bis 20 Uhr abends und Notfalldienst ausserhalb dieser Zeiten keine Seltenheit. «Die 9-12- und 14-17-Uhr-Zeiten sind wohl vorbei», sagt der Basler SSO-Präsident Epting.

Krise hausgemacht?

Dass die Schweizer Zahnärzte nun die neuen Kollegen aus der EU für ihre schiere Existenz kritisieren und ihnen die Schuld an der Krise zuschieben, finden nicht alle richtig. Ein Kenner des Gebiss-Business' sieht ein hausgemachtes Problem. «Vor den Bilateralen haben die Zahnärzte ihre ausländischen Kollegen als Assistenten angestellt. Diese haben dabei immer noch mehr verdient, als wenn sie im Heimatland praktiziert hätten. Nun haben sich alle diese Assistenten eben selbständig gemacht. Das würde jeder genau gleich machen.»

Maurice Thiriet, 20minuten.ch

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