«Time-out» mit Klaus ZauggArno Del Curto ist smarter als Che Guevara
Das Schweizer Eishockey kann aufatmen: Kulttrainer Arno Del Curto (53) wird nicht Nationalcoach werden. Aufatmen? Wäre denn Arno Del Curto nicht der bestmögliche Nationaltrainer?
- von
- Klaus Zaugg
Nein. Er wäre gescheitert, hätte seinen eigenen Kultstatus zerstört und wäre unserem Eishockey verloren gegangen. So wenig wie ein Koalabär ausserhalb eines Eucalyptus-Waldes leben, so wenig kann Arno Del Curto an einem anderen Ort als Davos als Trainer glücklich und erfolgreich sein. Er ist ein leidenschaftlicher, bisweilen fanatischer Trainer, der Spieler fördern und fordern kann und in Davos das modernste Hockey Europas zelebriert.
Aber das kann er nur, wenn er alle Freiheiten hat. Wenn er tagtäglich mit seiner Mannschaften arbeiten kann. In Davos hat eine kluge Führung unter Präsident Tarcisius Caviezel für Arno Del Curto eine Art Hockey-Disneyland geschaffen. Hier kann Arno schalten und walten wie er will, hier kann er sich entfalten, hier ist er authentisch.
Nati-Trainer verlangt politische Rücksichtsnahmen
All das wäre als Nationaltrainer nicht möglich. Dieses Amt verlangt auch Kompromisse, viel reden, Krawatten-Tragen und politische Rücksichtnahmen. Daher ist es mit Arno Del Curtos Temperament und Persönlichkeit nicht vereinbar. Und es ist kein Zufall, dass sich Ralph Krueger, diese nahezu perfekte Nationaltrainer-Persönlichkeit, und Arno Del Curto spinnefeind sind.
Der neue Verbandspräsident Philippe Gaydoul hatte alles daran gesetzt, Arno Del Curto zum Nationaltrainer zu machen. Der Denner-General, gross geworden in einer Welt, der sauberen Logos, geradlinig ausgerichteten Flaschengestellen in den Läden, klaren Ladenöffnungszeiten, huldvoll respektierten Hierarchien und nullkommanull Widerrede, war fasziniert vom coolen Nonkonformisten mit dem wilden Haar aus den Bündner Bergen. Wahrscheinlich hat Gaydoul zum ersten Mal einen Menschen in einer offiziellen geschäftlichen Mission getroffen, der geradeheraus sagt, was er denkt, sich die Haare vorher nicht extra geschnitten hat, keine Krawatte trägt und sich vom Namen Gaydoul in keinster Weise beeindrucken lässt. Auf Gaydoul muss die Begegnung mit Arno Del Curto ähnlich gewirkt haben wie für einen eifrigen Zoo-Besucher die erste Begegnung mit einem Löwen oder Elefanten auf freier Wildbahn.
Doppelmandat nicht möglich
Wäre denn nicht ein Doppelmandat Nationaltrainer/HCD-Trainer möglich? Nein. Weil Arno Del Curto in Davos mehr ist als «nur» Trainer, weil er jeden Transfer orchestriert, weil er den HCD verkörpert, wäre seine Amtszeit im Doppelmandat von anhaltender Polemik begleitet gewesen. Das hat er selber eingesehen und deshalb verzichtet er auf das Amt. Das Schweizer Eishockey kann aufatmen: Arno Del Curto bleibt uns erhalten. Unplugged.
Arno Del Curto geniesst in der Hockeyszene zu Recht eine ähnliche Verehrung wie Che Guevara in den Kreisen der Linken. Der kleine Unterschied: Che Guevara kannte seine Grenzen nicht, überschätzt sich und wollte auch ausserhalb von Kuba Revolution machen. Er scheiterte kläglich. Arno Del Curto hingegen weiss, dass er ausserhalb Davos keine Eishockey-Revolution machen kann.
Er ist smarter als Che Guevara.