Badi Seeliken ZGAsiatische Touristen jagen «Urschweizer»
Asiatische Reisegruppen haben Zug entdeckt. Der neue Massentourismus hat skurrile Folgen – die Asiaten machen Jagd auf «Urschweizer» und fotografieren in der Badi-Garderobe.
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Bademeisterin Tina Simeon im Zuger Seebad Seeliken über den Touristenansturm. (Video: SW/JAS)
Cars mit asiatischen Touristen, Reisegruppen in der Altstadt, die einer Person mit Fähnchen hinterhertrotten: Das kennt man eigentlich aus der Stadt Luzern. Doch der Massentourismus ist auch in der Zuger Altstadt angekommen. Bis zu acht Cars halten neuerdings pro Tag in Zug, macht rund 240 Personen. Verglichen mit Luzern ist das lächerlich wenig, doch für manchen Zuger sind die Reisegruppen noch ein ungewohntes Bild.
Gratis-Badi dient als Gratis-WC
Und wie Einheimische haben natürlich auch Gäste aus Asien Grundbedürfnisse, zum Beispiel ihre Notdurft zu verrichten. Offenbar kennen sich die Reiseleiter in Zug inzwischen ziemlich gut aus: Sie schicken die Gruppen in die beliebte Badi Seeliken, aber nicht zum Baden: Weil in Zug alle Badis gratis sind, suchen die Touristen dort die Toiletten auf. Auf einen Schlag stünden die Busgruppen in Schlangen vor den WCs und auf den Wegen der kleinen Badi, sagte die Bademeisterin zur «SonntagsZeitung».
Touristen fotografieren Menschen in Rollstühlen
Auf Anfrage von 20 Minuten sagt Bademeisterin Tina Simeon: «Das kann vom frühen Morgen bis am Abend der Fall sein. Sie kommen als Rudel um die Ecke und sind nach fünf Minuten wieder weg.» Bereits hat die Badi reagiert: «Sie kommen in Scharen ins WC und in die Nasszellen. Dort fotografieren sie sogar die Garderoben und finden das witzig. Da müssen wir schon Massnahmen ergreifen, das geht nicht. Konkret erklären wir ihnen mit Händen und Füssen, dass Fotografieren in der Badi verboten ist. Sie verstehen das und sind auch sehr nett.» Gut wäre aber, wenn die Reiseleiter sie richtig instruieren und ihnen sagen würden, dass man in einer Badi nicht fotografieren darf. «Es wurden schon Menschen in Rollstühlen fotografiert, gewisse Leute kennen keine Grenzen.»
«Die Badegäste fühlen sich belästigt»
Speziell auch, was die Touristen in der Badi Seeliken sonst noch umtreibt: Sie wollen dort laut der Bademeisterin Fotos von «Urschweizern» machen. «Dabei sind wir von Urschweizern weit entfernt, die Hälfte unserer Besucher sind Expats.» Die vermeintlichen Urschweizer würden aber selbst im Badeanzug fotografiert. «Das stört die Badegäste natürlich. Sie fühlen sich belästigt.»
Die Badi Seeliken hat nun den Stadtrat über die Situation informiert. «Wir sehen hier einen Massentourismus, wie man ihn sonst aus Luzern kennt», sagt der Zuger CVP-Stadtrat und Ex-Tourismusdirektor Urs Raschle der «SonntagsZeitung». Auf Anfrage von 20 Minuten sagt er, dass der Massentourismus seit einigen Wochen in Zug plötzlich und markant zugenommen habe. Es gebe auch immer mehr Beschwerden aus der Bevölkerung: «Zum Beispiel wird moniert, dass Verkehrsregeln missachtet werden und die Touristen alles und überall fotografieren.» Im Falle der Badi wäre nun eine Möglichkeit, dort mit zusätzlichen Piktogrammen darauf hinzuweisen, dass Fotografieren verboten ist.
Jetziger Stadtrat warb früher selber um Chinesen
Der Massentourismus ist derzeit Thema im Stadtrat: «Es ist einerseits schön, dass Zug jetzt auf der touristischen Landkarte ist, aber es ist jetzt Aufgabe der Politik, dass der Unmut nicht grösser wird.» Zum Beispiel würden die Carparkplätze neu geregelt. «Das Ganze muss ein gesundes Mass haben und darf nicht überborden», sagt Raschle.
Warum die Touristen plötzlich nach Zug strömen, kann Stadtrat Raschle erklären: «Ich war in meiner früheren Funktion als Tourismusdirektor zwei Mal in China und habe die Türen selber geöffnet, offenbar mit Erfolg.» Auch ein lokaler Bijoutier habe massgeblichen Anteil. Nun habe er als Stadtrat natürlich eine andere Optik, sagt Raschle weiter. «Ich habe dabei den Vorteil, dass ich den Tourismus von innen kenne.»