EnergiepolitikAtomausstieg immer noch machbar
Energieministerin Doris Leuthard will sich nicht festlegen, wie viele Gaskraftwerke in der Schweiz nötig sein werden. Letztlich entscheide die Privatwirtschaft über deren Bau, nicht der Bund.

Energieministerin Leuthard an der Medienkonferenz zur Energiestrategie 2050.
Für den Bundesrat halten sich die volkswirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des Atomausstiegs in Grenzen. Der Atomausstieg sei machbar und könne ohne Planwirtschaft realisiert werden, sagte Umwelt- und Energieministerin Doris Leuthard am Mittwoch vor den Medien.
Laut Leuthard steht die Schweiz vor zwei Herausforderungen. Einerseits muss der Energieverbrauch schrittweise gesenkt werden. Andererseits muss der wegfallende Strom aus Atomkraft durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
Im Vordergrund stehen damit vor allem Effizienzmassnahmen bei Gebäuden, Elektrogeräten, in der Industrie und im Verkehr. Laut Mitteilung des Umwelt- und Energiedepartements (UVEK) soll der Gesamtenergieverbrauch gegenüber der Trendentwicklung bis 2050 um 70 Terawattstunden (TWh) sinken. Allein der Stromverbrauch soll um 21 TWh gedrosselt werden. Der Energieverbrauch soll insgesamt um etwa einen Drittel sinken.
Ein Gaskombikraftwerk bis 2020
Parallel dazu soll die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien gegenüber heute um einen Drittel erhöht werden. Besonders bei den Pumpspeicherkraftwerken sieht der Bundesrat mehr Ausbaupotenzial als noch letztes Jahr. Um vor allem in den Wintermonaten die Versorgungssicherheit der Schweiz zu garantieren, will der Bundesrat zur Überbrückung auf Wärmekraftkoppelungsanlagen sowie Gaskombikraftwerke setzen.
Wie viele Gaskombikraftwerke möglicherweise gebaut werden müssen, beziffert der Bundesrat in den Unterlagen zu der Medienkonferenz vom Mittwoch nicht. Leuthard sprach von einem Gaskombikraftwerk bis 2020, betonte aber, dass letztlich nicht der Bundesrat, sondern die Privatwirtschaft darüber entscheide.
Schriftlich hielt ihr Departement dazu lediglich fest, dass es zur Gewährleistung der Netzstabilität und eines hohen Eigenversorgungsrades sowie wegen des geringen Potenzials aus der Wärmekraftkoppelung «weitere Gaskombikraftwerke» brauche.
CO2-Abgabe erhöhen
Obwohl diese Kraftwerke grosse Mengen CO2 ausstossen, versichert der Bundesrat, dass die CO2-Reduktionsziele bis 2020 erreicht werden können. Er will dazu die CO2-Abgabe erhöhen auf 60 Franken pro Tonne CO2. Zudem soll der Zuschlag für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) auf 1,9 Rappen pro Kilowattstunde (kWh) angehoben werden.
Eine ökologische Steuerreform ist mit den Entscheiden vom Mittwoch nicht vom Tisch, wie Leuthard ausführte. Diese werde weiterhin vom Finanzdepartement geprüft.
Vertieft geprüft wurden auch die mit der Energiestrategie 2050 verbundenen volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Diese würden sich in Grenzen halten. Den erheblichen Investitionen in die Energeieffizienz stünden bedeutende Einsparungen bei den Energieimporten gegenüber.
Aufgrund der durch die gesteigerte Stromeffizienz reduzierten Stromnachfrage würden die Investitionen in den Kraftwerkspark bis 2050 geringer ausfallen, als dies ohne solche Effizienzgewinne der Fall wäre.
Energiewende kostet mehrere Dutzend Milliarden
Unter dem Strich beziffert der Bundesrat die Mehrkosten aufgrund des Verzichts auf neue Atomkraftwerke bis 2050 auf rund 30 Milliarden Franken. Darin nicht enthalten sind die Kosten für den Um- und Zubau des Stromnetzes.
Für die Massnahmen im Gebäudebereich und die Förderung der erneuerbaren Energien sind Fördergelder in der Höhe von jährlich maximal 1,7 Milliarden Franken nötig. Diese werden aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe sowie über die KEV finanziert. Der Bundeshaushalt soll jährlich zwischen 42 und 82 Millionen Franken belastet werden.
Der Bundesrat hat von diesen neusten Modellrechnungen Kenntnis genommen und die grundsätzliche Stossrichtung gutgeheissen. Das UVEK soll auf dieser Grundlage bis Ende Sommer 2012 eine Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten. (sda)