Petition für Schwulen-Blutspende: «Auch mein Blut könnte Corona-Patienten retten»

Aktualisiert

Petition für Schwulen-Blutspende«Auch mein Blut könnte Corona-Patienten retten»

Homosexuelle Männer dürfen meist kein Blutplasma für neue Corona-Therapien spenden. Die Organisation Pink Cross findet das «diskriminierend» und lanciert eine Petition.

von
Claudius Seemann
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Blutplasma von Personen, die das Coronavirus überstanden haben, ist derzeit gesucht: Darin  befinden sich Antikörper, die den Erreger bekämpfen und den Empfänger der Spende immun machen könnten.

Blutplasma von Personen, die das Coronavirus überstanden haben, ist derzeit gesucht: Darin befinden sich Antikörper, die den Erreger bekämpfen und den Empfänger der Spende immun machen könnten.

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Schwule dürfen aber nur dann Blut spenden, wenn sie zwölf Monaten lang keinen Sex hatten – ob sie in einer festen Beziehung sind oder nicht, spielt keine Rolle.

Schwule dürfen aber nur dann Blut spenden, wenn sie zwölf Monaten lang keinen Sex hatten – ob sie in einer festen Beziehung sind oder nicht, spielt keine Rolle.

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Joel (23) aus Wattwil SG hätte gerne Blutplasma gespendet. «Ich hätte gerne gespendet für einen Patienten auf der Intensivstation, musste aber realisieren, dass ich ausgeschlossen bin, weil ich homosexuell bin.»

Joel (23) aus Wattwil SG hätte gerne Blutplasma gespendet. «Ich hätte gerne gespendet für einen Patienten auf der Intensivstation, musste aber realisieren, dass ich ausgeschlossen bin, weil ich homosexuell bin.»

Privat

Blutplasma von Personen, die das Coronavirus überstanden haben, ist derzeit gesucht: Darin befinden sich Antikörper, die den Erreger bekämpfen und den Empfänger der Spende immun machen könnten. Derzeit laufen etwa in Basel Therapieversuche mit dem Blutplasma. Akzeptiert werden für diese Versuche nur Spenden von genesenen Männern, weil das Plasma von Frauen für die Therapie nicht geeignet ist. Aber nicht alle Männer können spenden: Schwule dürfen nur dann, wenn sie zwölf Monaten lang keinen Sex hatten – ob sie in einer festen Beziehung sind oder nicht, spielt keine Rolle.

«Kann nicht, weil ich homosexuell bin»

Joel (23) aus Wattwil SG hätte gerne Blutplasma gespendet. Obwohl er nicht getestet wurde, geht er davon aus, dass er das Coronavirus in sich trug. «Ich hatte kurz vor dem Lockdown mit jemandem Kontakt, bei dem die ganze Familie krank war. Der Vater der Familie wurde positiv auf das Virus getestet.» Kurz darauf habe es auch ihn erwischt: «Ich bin eine Woche flach gelegen, fühlte mich fiebrig und hatte trockenen Husten.»

Als es ihm besser ging, habe er von den Spendenaufrufen von Blutplasma gehört. «Ich hätte gerne gespendet für einen Patienten auf der Intensivstation, musste aber realisieren, dass ich ausgeschlossen bin, weil ich homosexuell bin.» Seit knapp drei Jahren sei er mit seinem Freund zusammen. Ein Jahr gar keinen Sex mit einem Mann zu haben, sei daher nicht möglich gewesen. Diese Situation findet Joel ärgerlich: «Gerade jetzt ist es doch wichtig, zu spenden. Auch mein Blut könnte Corona-Patienten retten.»

Petition für Lockerung lanciert

Der Schwulenverband Pink Cross hat daher eine Petition gestartet, die innert Stunden fast 700 Mal unterschrieben wurde. «Wir wollen das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) dazu auffordern, dass alle – unabhängig von der sexuellen Orientierung – spenden können. Auch wir wollen helfen», sagt Pink-Cross-Geschäftsführer Roman Heggli zu 20 Minuten. Er stört sich an der Regel, dass Schwule nur Blut spenden dürfen, wenn sie zwölf Monate lang keinen Sex hatten. «Das ist diskriminierend und absurd.»

Mit der Petition fordert er, die Regelungen für homosexuelle Männer bei der Blutspende anzupassen. Diese hätten laut Heggli keinen wissenschaftlichen, sondern eher ideologischen Hintergrund, zum Beispiel wegen dem Generalverdacht von Homosexuellen auf HIV. «Leider sind wir Schwule verhältnismässig stark von sexuell übertragbaren Infektionen betroffen. Aber wenn ein Homosexueller in einer festen Partnerschaft lebt, hat er ja kein höheres Risiko, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anzustecken, als ein Heterosexueller in einer Partnerschaft.»

«Man will auf der sicheren Seite bleiben»

Die Kritik der Diskriminierung von Homosexuellen wird beim SRK zurückgewiesen. «Blutspendekriterien sind nie darauf ausgerichtet, bestimmte Personen oder Personengruppen pauschal von der Blutspende auszuschliessen oder zu diskriminieren», sagt Franziska Kellenberger, Leiterin Kommunikation bei Blutspende SRK Schweiz. Die Petition von Pink Cross habe man zur Kenntnis genommen. Man werde sich mit der Organisation nächste Woche treffen.

Gemäss Kellenberger werden «Personen, die rein aufgrund epidemiologischer Daten ein Risiko für eine bestimmte Krankheit haben könnten, nicht zur Blutspende zugelassen.» Der Ausschluss erfolge allein deshalb, weil die heutigen Labor- und Produktionsmethoden bestimmte Risiken nicht ausschliessen können und man zugunsten der Blutempfänger auf der sicheren Seite bleiben wolle. Zudem sei die generelle Blut- und Plasmaversorgung in der Schweiz zurzeit gut sichergestellt, weshalb es laut Kellenberger auch zu keiner Änderung der Spendekriterien bedarf.

HIV-Infektion lange nicht nachweisbar

Lukas Jaggi, Mediensprecher des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic, ergänzt: «Jede Transfusion von Blutkomponenten beinhaltet ein erhöhtes Risiko, dass Krankheitserreger auf den Empfänger und die Empfängerin übertragen werden.» Gemäss den Daten des BAG habe sich die Anzahl von neuen HIV-Diagnosen in der Schweiz bei Männern, die Sex mit Männern haben, in den letzten Jahren aber kaum verändert.

Zudem könne es nach einer Infektion mit HIV einige Wochen dauern, bis es auch wirklich nachweisbar sei. Die HIV-Häufigkeit bei Männern, die Sex mit Männern haben, sei laut Jaggi unverändert etwa 30 Mal höher als bei Personen mit anderem HIV-Risikoverhalten.

Heterosexuelle Männer dürfen in der Schweiz nur Blut spenden, wenn sie vier Monate mit der gleichen Partnerin Sex hatten. Im Falle von wechselnden Partnerinnen kann man bei der Blutspende ebenfalls zurückgewiesen werden. Schwulen dürfen ein Jahr lang überhaupt keinen sexuellen Kontakt mit anderen Männern haben, um Blut spenden zu dürfen.

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