ZSC-Coach Bob HartleyAusbildner, Motivator und General
Der Titelgewinn der ZSC Lions ist auch der Triumph von NHL-Bandengeneral Bob Hartley (51). Sein Anteil am Meistertitel der Zürcher kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
- von
- Klaus Zaugg
Calder-Cup-Gewinner 1997 (AHL), Stanley-Cup-Sieger 2001 (NHL) – und jetzt Schweizer Meister. Bob Hartley steht nach dem dritten grossen Triumph im «Bärengraben», im Innenhof im Bauch des Berner Hockeytempels, und analysiert den Erfolg seiner Mannschaft. Er prahlt nicht. Er wirkt eher wie ein Bub, der mit glänzenden Augen von einem grossen Abenteuer erzählt. Jetzt ist zu spüren, dass dieser charismatische Kanadier nicht nur Disziplin durchsetzen und Spieler zu Höchstleistungen treiben kann. Er kann auch Freude vermitteln und seine Begeisterung wirkt ansteckend.
Vielleicht erklärt eine ganz nebenbei gestellte Frage am ehesten sein Wesen und Wirken. Er wird gefragt, ob er stolz sei auf den Erfolg und was er dazu beigetragen habe. «Nichts», sagt er. «Ich habe kein Tor und kein Assist erzielt. Ich habe meinen Spielern lediglich geholfen und ich habe sie unterstützt.» Stolz sei er auf seine Spieler. «Es ist mehr als Stolz, was ich für meine Jungs empfinde. Ich finde dafür gar nicht die richtigen Worte.» Er sehe in der Arbeitseinstellung keinerlei Differenz zwischen NHL-Profis und seinen Spielern.
Zwanzigmal «No fear!»
Das Finale, der Siegestreffer zweieinhalb Sekunden vor Schluss im ausverkauften Tempel des Gegners: Hartley sagt, das sei vielleicht nie mehr zu toppen. «Ein Finale für einen Hollywood-Film.» Aber dieses Finale war ja nicht nur eine glückliche Fügung des Hockeyschicksals. Bob Hartley hat es orchestriert. In den letzten Minuten stürmten seine Spieler die SCB-Festung. Durch die Zusammenfassung der besten Kräfte.
«Ich war in der zweiten Pause gar nicht zufrieden. Wir waren viel zu passiv und ich habe vielleicht zwanzigmal gesagt: No fear! Wir sind konditionell besser. Aus einem Bauchgefühl heraus habe ich Ambühl und Tambellini wieder in die gleiche Linie beordert. Es hat funktioniert. Aber das war auch Glück. Manchmal geht eine Umstellung auch schief...» Er habe den Siegestreffer gar nicht richtig mitbekommen. «Es war ein Gedränge wie beim Rugby. Als die Schiedsrichter das Video konsultierten, sagten die Spieler: Kein Problem, es war ein korrektes Tor. Ich bemühte mich, meine Spieler zu beruhigen und für die letzten zweieinhalb Sekunden die Ordnung wieder herzustellen. Natürlich ist die Gefahr gering, in zweieinhalb Sekunden noch ein Tor zu kassieren. Aber mein weiss nie.»
Keine Extrawürste für die Stars
Bob Hartley sagt, er sei kein Politiker. «Viele Trainer sind Politiker. Sie schonen einflussreiche Routiniers und nehmen alle möglichen Rücksichten. Mich interessiert das alles nicht. Ich behandle alle gleich. Natürlich gibt es nie eine absolute Gerechtigkeit. Aber ich versuche nach bestem Wissen und Gewissen, alle gleich zu behandeln. Ich sorge dafür, dass alle die Regeln kennen.»
Wer sich nicht an die Regeln halte, bekomme es zu spüren. Er habe in Atlanta Ilja Kowaltschuk einmal auf die Tribune gesetzt. Der Superstar war ein paar Minuten zu spät zu einem Meeting erschienen. «Wenn ich bei einem Star Ausnahmen dulde, dann bin ich verloren.» In Zürich sei während der ganzen Saison nie ein Spieler zu spät gekommen.
Grüppchen zu einem Team geformt
Am Anfang sei es wichtig gewesen, aus verschiedenen Gruppen eine Mannschaft zu formen. Aus allen Spielern ZSC Lions zu machen. «Am Anfang meiner Arbeit habe ich mit allen Spielern Einzelgespräche geführt. Ich habe jeden erzählen lassen, was er so denkt und fühlt. Bald ist mir klar geworden: Hier gibt es verschiedene Gruppen, aber keine Mannschaft. Die Routiniers sagten, die Jungen seien nicht mit der nötigen Hingabe bei der Sache und die Jungen hatten das Gefühl, die Routiniers kümmerten sich zu wenig um das Wohl der Mannschaft.»
Doch dann sei es gelungen, eine Mannschaft zu formen. «Die Spieler beeindrucken mich durch ihre Leistungsbereitschaft. Wir haben oft so hart trainiert, dass so viel Schnee auf dem Eis war, dass wir kaum mehr eine Scheibe spielen konnten. Ich habe gerade mit den Jungen immer und immer wieder Videositzungen gemacht – und sie waren alle lernbegierig.» Die jungen Spieler weiterzubringen habe ihm ganz besondere Freude bereitet. Das sei für ihn fast so etwas wie eine Rückkehr zu seinen Ursprüngen.
Gekommen, um zu gewinnen
Aber letztlich ist der Motivator und Ausbildner Bob Hartley auch ein Bandengeneral. Er fordert jeden Tag in jedem Training und jedem Spiel ein Maximum. «Ich mag Schweizer Käse und Schweizer Schokolade sehr. Aber ich bin nicht in die Schweiz gekommen, um Schokolade und Käse zu essen. Sondern um zu gewinnen.» Wer Mittelmass akzeptiere, könne keinen Erfolg haben. Er habe seinen Spielern immer wieder gesagt, dass die Klassierung in der Qualifikation ihren Leistungen nicht gerecht werde und dass sie dazu in der Lage sein würden, das Schweizer Eishockey zu schocken. Und genau das haben die ZSC Lions mit ihrem Titelgewinn getan.
Bei der zentralen Bedeutung des Trainers für den Erfolg der ZSC Lions brennt die Frage auf der Zunge: Was ist, wenn die Montréal Canadiens Bob Hartley den Job eines Cheftrainers offerieren? Wird er dann Zürich trotz des weiter laufenden Vertrages verlassen? «Nein. Anfang August werde ich wieder in Zürich sein und meine Arbeit fortsetzen.»