«Ausgerechnet Libyen mit Waffen beliefern?»
Ausgerechnet der libysche Präsidentensohn informierte über das Waffengeschäft. Es scheint, dass Präsident Nicolas Sarkozy die Affäre um die bulgarischen Krankenschwestern für französische Wirtschaftsinteressen genutzt haben könnte.
Unabhängig davon, wie oft und mit welch gedrechselten Worten Dementi verkündet wurden - viele Franzosen sind längst überzeugt, dass zwischen der Befreiung der ursprünglich in Libyen zum Tode verurteilten Krankenschwestern und dem Aufschwung der Handelsbeziehungen mit Frankreich ein enger Zusammenhang besteht.
«Kräftiges Lösegeld»
«Es ist doch logisch, dass ein Diktator wie Gaddafi seine Geiseln nicht ohne ein kräftiges Lösegeld ziehen lässt», schreibt die Zeitung «Le Monde».
Gaddafis Sohn Seif al-Islam sprach klare Worte: «Wir haben schon lange mit den Franzosen verhandelt und Sarkozy gebeten, die Dinge zu beschleunigen. Da die Angelegenheit mit den Krankenschwestern nun geregelt ist, ist es eine gute Gelegenheit.»
Dass die libysche Führung sich anschliessend von den Äusserungen des Gaddafi-Juniors distanzierte, erklärt sich auch aus dessen freimütiger Einschätzung der Krankenschwester-Affäre.
«Sie mussten leider als Sündenböcke herhalten», sagte er, ohne darauf einzugehen, dass Libyen am Vorwurf festhält, die Pflegenden hätten mehr als 400 libysche Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert.
Sozialistische Opposition macht Druck
Für Sarkozy könnte das überraschend bekanntgewordene Geschäft mit Gaddafi nach Einschätzung französischer Oppositionspolitiker noch ein Nachspiel haben. Der Aufschrei war schon gross, als Frankreich ohne weitere Absprachen angekündigt hatte, Libyen ein Atomkraftwerk zu liefern.
Schliesslich sei es erst wenige Jahre her, dass Libyen als Schurkenstaat und Unterstützer terroristischer Bewegungen verschrien war, meint Oppositionsführer François Hollande.
Die Kombination eines Atomkraftwerks - das nach französischen Angaben lediglich Strom für die Entsalzung von Meerwasser liefern soll - und militärischer Ausrüstung erscheint vor diesem Hintergrund besonders heikel. Hollande fordert eine Parlamentarische Untersuchungskommission.
Auch andere französische Firmen in den Startlöchern
Die französische Industrie steht längst in den Startlöchern, um in Libyen Geschäfte zu machen - und damit dem Vorbild der USA und Italiens zu folgen.
Das französische Unternehmen Areva hat Interesse an der nuklearen Zusammenarbeit und an den libyschen Uran-Reserven, die Bank BNP Paribas will sich an der Privatisierung der libyschen Sahara Bank beteiligen, und die Elektronikspezialisten Dassault und Thales wollen die Kampfflugzeuge vom Typ «Mirage F1» technisch auf den neuesten Stand bringen.
Bei derartigen Grossaufträgen bleiben ethische Bedenken der Opposition überlassen. «Müssen wir ausgerechnet Waffen an ein Land wie Libyen liefern, das zurecht angeklagt ist, Attentate organisiert zu haben?» fragt Hollande. Die Antwort aus dem Élyséepalast steht noch aus. (sda)